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Die Stadtbibliothek spricht mit der Veranstaltung «Lesekerle» ausschliesslich Buben an, um sie zum Lesen zu animieren. Die Lese-Veranstaltung findet seit 2014 mehrmals jährlich in der Stadtbibliothek wie auch in anderen aargauer Bibliotheken statt.
Die Veranstaltungsreihe «Lesekerle – Helden hautnah erleben» in der Stadtbibliothek Baden sorgt bei manchen für Befremden: Warum dürfen nur Buben und ihre männlichen Begleitpersonen daran teilnehmen? Wer das Plakat zur Veranstaltung zum ersten Mal sieht, könnte meinen, «Lesekerle» sei ein Rückfall in frühere Zeiten — obwohl wir das Jahr 2019 schreiben.
Die Lese-Veranstaltung findet aber bereits seit 2014 mehrmals jährlich in der Stadtbibliothek statt. Die Idee ist, dass Polizisten, Feuerwehrmänner oder Piloten aus ihrem Berufsalltag erzählen und eine Geschichte vorlesen. Bei der nächsten Ausgabe am Sonntag, 27. Januar, spricht und liest Lokführer Martin Schoch. Vorbilder wie er sollen die Buben dazu motivieren, mehr und lieber zu lesen.
«Das Konzept entstand auf Basis von Studien, unter anderem der Pisa-Studie, in denen festgestellt wurde, dass sich Jungs mit der Lesemotivation schwerertun», erklärt Annemarie Ita, Leiterin der Stadtbibliothek. Deshalb entwickelten auch Bibliotheken Angebote, wie dem entgegengewirkt werden könnte. «So entstand die Idee zu ‹Lesekerle›, einem Anlass, der inzwischen in verschiedenen Bibliotheken im ganzen Aargau stattfindet», so Ita.
Bis vor einem halben Jahr habe das Format hier niemanden gestört, erklärt sie. «Erst in den letzten Monaten gab es vereinzelt Anfragen von Müttern, warum nur Buben teilnehmen dürfen.» Es sei nie die Absicht der Stadtbibliothek gewesen, mit den «Lesekerlen» das «Gender»-Thema zu schüren, sprich eine Geschlechterdiskussion anzuheizen. Nur hätten die in den letzten fünf Jahren gemachten Erfahrungen gezeigt, «dass sich Buben zwischen sieben und neun Jahren von diesem Format wirklich angesprochen fühlen und danach auch motiviert mit einem Buch wieder aus der Bibliothek laufen.»
Connie Fauver, Co-Präsidentin der Frauen Aargau, findet, der Anlass zementiere stereotypische Rollenbilder: «Das Anliegen, dass Kinder ihre künftigen Berufe gemäss ihren Fähigkeiten und nicht nach traditionellen und veralteten Rollenbildern auswählen, kommt auf jeden Fall zu kurz.» Auch dass Buben, und ihre männlichen Begleitpersonen ohne verlockende Helden keinen Fuss in eine Bibliothek setzen würden, weil Lesen ja etwas für Mädchen und Frauen ist, sei ein geschlechtsspezifisches Klischee, hält Frauen Aargau in einem Statement fest.
Annemarie Ita und ihr Team sind sich der Genderthematik bewusst: «Wir möchten aber das Ziel des Angebots, nämlich die Leseförderung für Jungs, nicht aus den Augen verlieren.» Und genau dies würden sie mit dem Format erreichen, versichert Ita. Sie holen die Zielgruppe so bei ihren Interessen ab: «Buben im Schulalter sind offen für technische Berufe wie dem des Polizisten oder des Feuerwehrmanns.» Mit den «Lesekerlen» hätten sie im Laufe der Jahre festgestellt, dass das die Buben tatsächlich zum Lesen motiviert. Noch etwas Weiteres komme hinzu: «Auch die Exklusivität, also die Veranstaltung nur für Jungs anzubieten, bewirkt, dass sie sich leichter fürs Lesen begeistern lassen», sagt Ita.