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Die neugewählte Wettinger EVP-Nationalrätin spricht über den emotionalen Wahlsonntag und ihre Vorfreude auf Bern und die neue Aufgabe.
Einen Tag nach ihrer Wahl treffen wir die frischgebackene Nationalrätin Lilian Studer auf dem Restaurant Schartenfels in Wettingen. Die Wahl der 41-Jährigen ist auch für Wettingen ein grosser Moment: Zum ersten Mal seit 2007 – damals sassen Doris Stump (SP) und Heiner Studer (EVP) im Nationalrat – ist Wettingen dank Lilian Studer (EVP) und Yvonne Feri (SP) wieder mit zwei Parlamentariern in Bern vertreten. Zum Interview erscheint Studer ein bisschen verspätet – «ich musste noch ein paar SMS beantworten.»
Wie haben Sie gestern ihre Wahl gefeiert?
Lilian Studer: Eine grosse Wahlfeier gab es nicht, weil wir noch keine organisiert haben. Denn es war ja alles andere als sicher, dass es zur Wahl reicht. Eine grössere Feier folgt nun aber noch.
Sie haben aber an Ihre Chance geglaubt?
Natürlich, sonst wäre ich nicht angetreten. Doch zu Beginn des Wahlkampfs habe ich die Chance auf weniger als 50 Prozent eingeschätzt.
Jetzt haben Sie die Wahl geschafft. Doch des einen Freud, des anderen Leid. Sie haben Bernhard Guhl und somit der BDP den Sitz weggeschnappt.
Für ihn tut es mir natürlich leid. Er hat viel geleistet in Bern und ist auch eine tolle Persönlichkeit. Doch wir haben im Wahlkampf bewusst mit einer Listenverbindung zusammengespannt, mit dem Ziel, dass entweder die BDP oder die EVP einen Sitz holt – mit dem besseren Ende für mich.
Sie sind also am Sonntag ganz ohne Feiern ins Bett gegangen?
Nein nicht ganz. Am Nachmittag waren wir versammelt, um gemeinsam als Partei und mit den Kandidierenden zu «fiebern». Danach gab es ein Anstossen und Würdigungen. Am späteren Abend ging ich dann zusammen mit meiner Schwester – sie war mir bei all meinen Wahlkämpfen immer eine grosse Stütze – im «Sternen» in Wettingen essen
Konnten sie überhaupt einschlafen nach dem emotionalen Wahlsonntag?
Ich hatte gehofft, dass mir das Einschlafen leichter fallen würde, weil ich die letzten Nächte nicht gut geschlafen habe – irgendwie habe ich gespürt, dass sich in meinem Leben etwas ändert. Es kreisten so viele Gedanken in meinem Kopf.
Sie werden immer wieder auf Ihren Vater Heiner Studer angesprochen, der für die EVP von 1999 bis 2007 im Nationalrat sass. Nervt das zuweilen? Oder anders gefragt, bedeutet Ihre Wahl, dass Sie jetzt endlich aus seinem Schatten treten können?
Einerseits habe ich Verständnis dafür, denn er hat ja in Bern auch einiges geleistet – und auch in Wettingen, wo er sehr lange Gemeinderat war. Andererseits ist es manchmal schon etwas frustrierend, dass mein eigener, fast zwanzigjähriger Leistungsausweis zu wenig wahrgenommen wird.
Offenbar nun aber doch, wie Ihre Wahl zeigt . . .
. . . richtig. Ich bin sicher nicht gewählt worden, weil ich die Tochter von Heiner Studer bin, sondern weil ich meine Wähler offenbar mit meinem langjährigen Engagement und meiner Erfahrung überzeugen konnte.
Apropos langjährige Erfahrung: Seit über 17 Jahren sitzen Sie im Grossen Rat und seit acht Jahren sind Sie Fraktionspräsidentin der EVP. Geben Sie Ihr Grossratsmandat ab?
Ja. Für mich wird Ende Jahr Lutz Fischer-Lamprecht nachrücken. Auch mein berufliches Engagement als Geschäftsführerin des Blauen Kreuzes Aargau muss ich sicher reduzieren.
Bereits am Montag haben Sie in Bern Ihre zwei künftigen EVP-Ratskollegen Marianne Streiff (BE) und Nik Gugger (ZH) getroffen. Worauf freuen Sie sich am meisten in Bern?
Ich habe natürlich grossen Respekt von dem, was auf mich zukommt. Man muss alle neuen Abläufe kennenlernen und natürlich gelten in Bern wieder andere Spielregeln als ich sie aus meiner Zeit als Grossrätin kenne. Immerhin wird für mich nicht alles ganz neu sein, da ich damals als Präsidentin der Jung-EVP Schweiz schon einen kleinen Einblick in den Politbetrieb in Bern erhalten habe.
Wo möchten Sie sich denn politisch am meisten einsetzen, respektive in welchen Kommissionen würden Sie am liebsten Einsitz nehmen – wenn Sie wählen könnten?
Uff, ich kenne glaub es noch gar nicht alle Kommissionen in Bern (lacht). Aber klar, am liebsten würde ich mich im Bereich Gesundheit, Soziales oder Umwelt einsetzen. Doch auch Auswärtiges, Bildung oder Sicherheit würden mich interessieren.
Ihr Vater sass zwei Legislaturen in der grossen Kammer. Wie lange wollen Sie in Bern politisieren?
Eines ist klar: Ich werde wohl immer einen wackligen Sitz haben. Sprich, ich werde mich jetzt erst einmal auf die Arbeit konzentrieren. Aber natürlich werde ich versuchen, den Sitz der EVP in vier Jahren zu verteidigen.
Ein langer, anstrengender Wahlkampf liegt hinter Ihnen. Im Dezember steht schon die erste Session an. Können Sie vorher nochmals abschalten? Das müssen wir jetzt schauen. Ich habe vor, meine Schwester und ihre Familie in Norwegen für ein paar Tage zu besuchen und dort meine Batterien nochmals aufzuladen.
Letzte Frage: Auch von Ihnen sah man viele Wahlplakate. Müssen Sie diese nun noch abhängen?
Das wollte ich eigentlich. Doch meine Parteikollegen übernehmen das nun für mich – quasi ihr Geschenk zu meinem Wahlerfolg (lacht).