Turgi
Limmatkraftwerke kaufen Spinnerei-Liegenschaft von ABB – das hat mit dem Kraftwerk nebenan zu tun

Das Spinnereigebäude in Turgi gilt als grösstes Einzelgebäude im Kanton Aargau und stellte im 19. Jahrhundert eine Art Keimzelle für das Dorf dar. Seit dieser Woche gehört den Limmatkraftwerken – die Hintergründe.

Pirmin Kramer
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Vor dem Bau der Spinnerei war Turgi nicht der Name einer Ortschaft, sondern einer Wildnis.

Vor dem Bau der Spinnerei war Turgi nicht der Name einer Ortschaft, sondern einer Wildnis.

san

Die grösste Fabrik der Schweiz befand sich laut Historischem Lexikon Mitte des 19. Jahrhunderts in Turgi: In der Baumwollspinnerei der Gebrüder Bebié arbeiteten zwischen 400 und 600 Menschen. Das imposante Gebäude steht noch heute – und hat nun den Besitzer gewechselt: Die Limmatkraftwerke AG haben die Liegenschaft von den ABB Immobilien erworben. Der Vertrag ist am Dienstag unterzeichnet worden. Über den Kaufpreis haben die Parteien Stillschweigen vereinbart.

Laut der neuen Besitzerin handelt es sich bei der ehemaligen Baumwollspinnerei um das grösste Einzelgebäude im Kanton Aargau. Es bietet unter anderem auch Platz für rund 10'000 Quadratmeter Büroflächen. Die kantonale Denkmalpflege bezeichnet den lang gestreckten Giebeldachbau in ihrem Inventar zumindest als «das grossmass­stäblichste Gebäude seiner Baugattung im Kanton Aargau».

Martin Schoop, Verwaltungsratspräsident der Limmatkraftwerke, sagt zu den Beweggründen für den Kauf: «Wir betreiben gleich neben dem Spinnereigebäude eines unserer Kraftwerke. Mit dem Kauf der Spinnerei können wir den Betrieb dieses Kraftwerks auch längerfristig sicherstellen.» Erklärtes Ziel sei nach wie vor der Ausbau des Kraftwerks, heisst es beim Unternehmen auf Nachfrage. Durch den Erwerb der Spinnerei könne die künftige Nutzung so gesteuert werden, dass ein Ausbau möglich sei.

Das ehemalige Spinnerei-Gebäude in Turgi. (Bild: 21. April 2017)

Das ehemalige Spinnerei-Gebäude in Turgi. (Bild: 21. April 2017)

Severin Bigler

Was nun aus dem Gebäude wird

Schoop, der in diesem Frühjahr das Präsidium übernommen hat, stellt klar: «Der Kauf bedeutet keinesfalls einen Richtungswechsel in der Ausrichtung unseres Unternehmens. Wir sind und bleiben in erster Linie Stromproduzentin.»

Mit dem Kauf übernehme das Unternehmen auch die Verantwortung, das Bauwerk zu erhalten und zu pflegen. «Wir sind uns bewusst, dass die Geschichte von Turgi eng mit der Geschichte der Baumwollspinnerei verknüpft ist», sagt Martin Schoop, der selber in Turgi wohnt. Was mit der denkmalgeschützten Liegenschaft geschehen wird, soll in einem Strategieprozess entschieden werden. «Im Moment bleibt sicher alles so, wie es ist. Wir wollen jetzt nichts überstürzen und uns für diesen Prozess die nötige Zeit lassen.»

Sandra Ardizzone

Die damalige BBC, die heutige ABB, erwarb die alte Baumwollspinnerei 1962; das Gebäude wurde für Produktions- und Werkstätten und Dienstleistungsflächen genutzt. Vor fünf Jahren stellten die ABB Immobilien ihre Pläne für einen Umbau vor – 44 Wohnungen sollten untergebracht werden. Doch die Wirtschaftlichkeit des Projekts war nicht gegeben, wie sich nach Untersuchung der Bausubstanz herausstellte.

Die Baumwollspinnerei gilt als Keimzelle Turgis, als Ort, an dem die Geschichte der Gemeinde ihren Anfang nahm, und darum als eine Art Denkmal. Denn bevor die Bebiés das Gebäude 1826 erstellen liessen, war das Gebiet in der Limmatschleife praktisch unbewohnt. «Damals war Turgi der Name nicht etwa einer bewohnten Ortschaft, sondern einer mit dichtem Gestrüpp überwachsenen Wildnis», heisst es in einem Dokument aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Von der neuen Pulsader ging die Entwicklung des ganzen Dorfes voran, zum Fabrikdorf gehörten schnell auch Läden und Beizen.