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Baden
Politiker, Promis, Zurzibieter und Fussvolk haben am Samstagabend im Trafo Baden den Film Papa Moll mit vereinten Kräften, grosser Begeisterung und viel Applaus aus der Taufe gehoben.
Klytaimnestra soll, als ihr Gatte Agamemnon siegreich aus dem Trojanischen Krieg zurückkehrte zu seinem Empfang einen Purpurteppich ausbreiten lassen. Was den alten Griechen recht, das ist zeitgenössischen Helvetiern billig. Und so liegt am Samstagabend ein roter Teppich ausgebreitet im Tempel der Muse Thalia – im Trafo zu Baden.
Schnöde trampeln zunächst Fotografen und Videojournalisten darauf herum. Energisch werden sie hinter Absperr-Seile verwiesen, wo sie – vor der Familie Moll in stattlichem Plakatformat hektisch Stative und Scheinwerfer aufbauen. Mit ihren Badenfahrten ist die Stadt zwar Kampf erprobt, aber eine Welt-Uraufführung hat natürlich eine andere Dimension, in der ein roter Teppich nur die Basis darstellt. Was wirklich zählt, ist, wer darauf zu den heiligen Hallen des weltbedeutenden Ereignisses schreitet.
Als erstes wurde Nationalrat Luzi Stamm mit Gattin Stefanie gesichtet. Es folgten Herbert und Beatrice Bolliger: Der, noch während 27 Tagen oberster Migros-Boss, räumt ein, als Kind mehr Globi-, als Papa Moll-Bücher besessen zu haben. Dann, plötzlich als wäre ein Staudamm gebrochen, ergiessen sich Menschenmengen von unüberschaubarem Ausmass über den roten Teppich. Die Fernsehkameras laufen auf Hochtouren, dem Radio Argovia-Mikrofon droht der Kollaps, die Fotografen werden zu Spitzensportlern und selbst der «Blick» Gesellschafts-Reporter scheint die Übersicht zu verlieren.
Wer unter all den strömenden Gästen ist nun ein VIP? Wo ist Anouk Steffen, das Heidi aus dem Film, und wo Quirin Agrippi, ihr Geissenpeter? Delia Mayer, alias Tatort-Kommissarin Liz Ritschard, müsste man doch ebenso erkennen, wie die Regisseurin und AZ-Kulturpreisträgerin Sabine Boss. Weit gefehlt: Die beiden gehen in der Masse visuell verloren. Immerhin können der Schauspieler Kamil Krejci und seine Frau Brigitte Schmidlin geortet werden: Seit 13 Jahren leihen die beiden ihre Stimmen Papa und Mama Moll auf den CDs.
Endlich ist sie da, die heissersehnte, die Familie Moll in zivil. Isabella Schmid, blond und aufgestellt wie Mama Moll, Stefan Kurt hingegen mit bedeutend mehr Haaren, weniger Bauchumfang und ohne Pfuusbacken, Evi, Fritz und Willy, Martin Rapold alias Schoggifabrik-Leiter Stuss: Im Film ein Kotzbrocken, auf dem roten Teppich ein Charmeur. Geduldig steht der Filmcast den Medienmenschen Red’ und Antwort. Derweil promeniert, in Gala gekleidet, die Zurzacher Delegation vorbei, die Damen im kleinen Schwarzen oder seidig glänzenden Roten: Die Stiftung Gesundheit, Gemeinde und Tourismus Bad Zurzach gehören zu den grossen Sponsoren des Films, und der Flecken selbst hat längst die Metamorphose vom Markt- zum Moll-Flecken vollzogen; Papa als Kreiselschmuck ist in der Pipeline.
Nach 45 Minuten bleibt der rote Teppich verlassen, aber erstaunlich sauber zurück. Rund 600 geladene Gäste haben in zwei Sälen Platz genommen: Papa Moll auf Breitleinwand wird aus der Taufe gehoben. Nach Filmende treten die Mitwirkenden leibhaftig vor die Leinwand. Der Applaus ist riesig, die Stimmung aufgekratzt, die Begeisterung spürbar ebenso gross, wie es offensichtlich Durst und Appetit sind.
In schummrigem Blaulicht wird in der Halle 36 auf die Welt-Uraufführung angestossen. Ein Mann mit drei Buben zwischen sechs und neun Jahren kämpft sich auf der Suche nach Jung-Schauspieler Livius Müller Drossaart alias Film-Jonny durch die Feiernden. Einer der Buben hatte sich während dem Film mega vor dem bösen Burschen und dessen gemeiner Schwester Jackie gefürchtet. Kann er sehen, dass der Jonny im richtigen Leben total liebenswert ist?
Bei einem Gläschen Rotem verrät Alt-Ständerat Thomas Pfisterer, dass er Edith Oppenheim-Jonas gut gekannt hatte. «Ich war mit ihrem Sohn Roy und ihrer Tochter Joan in der Bez Baden.» Vom Film schwärmt Pfisterer in den höchsten Tönen und seine Frau Silvia stimmt ein: «Das ist eine grundehrliche Verfilmung, den die ausgezeichnet agierenden kleinen und grossen Schauspieler zu einem wunderbaren Erlebnis machen und der die 50-er Jahre bis ins Detail liebevoll wiedergibt.»
Alois Hauser, ehemaliger Bahnhofvorstand und während über 40 Jahren auch Galerist in Bad Zurzach, hat als Statist erlebt, wie aufwendig Dreharbeiten sind. «Nach der x-ten Wiederholung meiner kurzen Szene hatte Isabelle Schmid als Mama Moll mir ins Ohr geflüstert, wenn es mir verleide, soll ich zwecks Aufmunterung doch einfach einen tiefen Blick in ihren Ausschnitt werfen.