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Baden
Nach 33 Jahren als reformierter Pfarrer ist Markus Graber in der Kirche verabschiedet worden.
Die Haare schulterlang, im Gesicht einen wild wuchernden Bart – die Gottesdienst-Besucher der reformierten Kirche in Baden mögen sich im Herbst 1985 Reinhold Messner gegenüber gewähnt haben. Doch der junge Mann, der auf der Kanzel stand, war der neue Pfarrer: Markus Graber, 31-jährig, in Birsfelden bei Basel aufgewachsen, hatte am 1. November 1985 nach der Pensionierung der langjährigen Pfarrherren Markus Sager (Baden) und Immanuel Leuschner (Untersiggenthal) deren Nachfolge angetreten. 33 Jahre und 6 Monate hat er Baden die Treue gehalten – jetzt geht er in Pension.
Längst hat er kräftig Haare gelassen: Glattrasiert, die grauen Haare kurz geschnitten, sportlich-fit mit 65 Jahren: Hat Markus Graber Pläne fürs Rentner-Dasein geschmiedet? «Ich habe zum Thema mal einen Kurs der Syna, Sektion Industrie Baden, besucht. Seit wir Pfarrer keine eigene Gewerkschaft mehr haben, bin ich hier angeschlossen.» Als SP-Mitglied hat Graber keine Berührungsängste zu einer «handfesten» Gewerkschaft. Sein Vater übrigens hatte eine Lehre als Werkzeugmacher bei der BBC gemacht.
Den Weg zur Theologie hatte er über eine Bibelgruppe am Gymnasium für sich entdeckt; in Basel hatte er studiert. Da drängt sich die Gretchenfrage auf: Sag, Markus, wie hast du’s mit der Religion?» Konkreter – steht für den Pfarrer sie oder der Glaube im Zentrum? «Klar der Glaube und mit ihm das Vertrauen. Religiös muss man nicht unbedingt sein. Wenn man sagt, man sei religiös, ist das ja beinahe verdächtig.» Wer nicht religiös ist, sei absolut kein schlechter Mensch. Leider bestehe bei jeder Religion die Gefahr, allzu indoktrinierend zu sein, vielmehr jedoch sollte sie helfen, das Leben zu meistern. In meinem Beruf kann man mit Worten etwas bewirken – manchmal auch etwas Gutes», betont Graber, um verschmitzt anzufügen, «es muss nicht immer ein Bibelwort sein».
Zu seiner pfarramtlichen Derniere hatte Graber am vergangenen Sonntag Freunde und Weggefährten an die diesjährigen Goldenen Konfirmation, zu der seit elf Jahren all jene, die 50 Jahre zuvor konfirmiert wurden, gebeten werden und zu anschliessendem Beisammensein bei Speis, Trank und Unterhaltung eingeladen. Diesmal waren in der Kirche auch zwei veritable Clowns anwesend. «Ich habe mal einen Kirchen-Clown-Kurs besucht, den eine deutsche Theologin anbietet, und war begeistert. Letztlich sind ja auch wir Pfarrer manchmal Clowns.»
Markus Graber hat nichts Pastorales an sich und er hinterfragt vieles auch in der Bibel. So stören ihn die omnipräsenten «Herrgott» und «Vater». Als Verfechter der Gleichberechtigung würde er sich wünschen, dass häufiger geschlechtsneutrale Ausdrücke verwendet würden. Dass er sich in jungen Jahren für den Beruf Pfarrer entschied, hat Graber keinen Moment bereut. Konkrete Pläne für das Rentnerdasein? Ganz klar ist, dass er nicht nahtlos in den «Beruf Grossvater» wechselt. Nach schwerer Erkrankung seiner geschiedenen Frau hatte Graber die vier Kinder, von denen das jüngste damals Erstklässler war, nach der Jahrtausendwende alleine grossgezogen. Doch bisher hat nur die älteste Tochter, die sich von ihm entfremdet hat, selbst ein Kind.
«Mit Begeisterung werden meine Partnerin und ich künftig unsere gemeinsamen Hobbys noch intensiver pflegen: Tanzen – ich am allerliebsten Walzer – und Neugriechisch lernen.» Ein weiteres Hobby, das Reisen, wird die beiden zunächst im Juni nach Dortmund führen, an den biennal stattfindenden Deutschen Kirchentag. «Dort wollen wir unbedingt den angekündigten Clown-Gottesdienst besuchen, so wie wir vor zwei Jahren in Stuttgart einen Tango-Gottesdienst besucht hatten.» Wegen längerfristigen Umbauplänen können der Pfarrer i. R. und seine Partnerin noch mindestens zwei Jahre im Pfarrhaus hinter der Kirche wohnen bleiben, wo sie auch Grabers 89-jährigen Vater beherbergen. Wie wird Graber es mit den Gottesdiensten in Baden halten? «Bestimmt werde ich ab und zu einen besuchen, aber sicher nicht dauernd dort auftauchen.» Nachfolger von Graber wird vorläufig als Vertreter Pfarrer Ueli Kindlimann, der in Windisch zu Hause ist.