Baden-Balladen
Männer Guetzli – Simon Libsig backt es an

Simon Libsig
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Bei Simon Libsig gibt es nicht nur Mailänderli. Von seinen Schoggi-Pfefferminz-Sablé-Stängeli und Passionsfrucht-Kipferl haben wir leider kein Bild.

Bei Simon Libsig gibt es nicht nur Mailänderli. Von seinen Schoggi-Pfefferminz-Sablé-Stängeli und Passionsfrucht-Kipferl haben wir leider kein Bild.

Walter Christen

Unsere Frauen wurden schlicht überstimmt. Obwohl sie alles mitbrachten. Jahrelange Erfahrung. Herzblut. Arbeitseifer. Das Gemeinwohl im Blick. Sie wussten, wie man Weihnachtsguetzli backt. Sie hatten es von der Pike auf gelernt, sich Jahr für Jahr verbessert, aus Fehlern gelernt, sie hatten ihre Methoden verfeinert, Rezepte angepasst, sie arbeiteten im Stillen, konzentriert und effizient. Blech um Blech.

Klar gab es Experimente. Und ein paar gingen in die Hose. Aber was bringt uns vorwärts, wenn nicht Experimente? Natürlich braucht es die bewährten Mailänderli und Brunsli, aber ich bin froh, gibt es in unserer Familie auch Schoggi-Pfefferminz-Sablé-Stängeli oder Passionsfrucht-Kipferl. Sonst wäre das viel zu trocken. Verstaubt. Uninspiriert. Ehrlich, unsere Frauen überraschten uns Jahr für Jahr aufs Neue, sogar wenn sie sagten, dieses Jahr gäbe es keine Guetzli, die Zitrone sei ausgepresst, zauberten sie noch welche hervor, und nie gab es zu wenig, im Gegenteil, und dann lächelten unsere Frauen zufrieden, ohne sich selber zu feiern.

Zum Autor

Der Spoken-Word-Poet (40) Simon Libsig schreibt nach «Leichtes Kribbeln» zurzeit an seinem zweiten Roman. Seine Kolumne erscheint immer am ersten Donnerstag im Monat.

Jedoch! Der Souverän hat gesprochen. Unsere Kinder hatten gemeinsam abgestimmt, dass wir Väter die Sache in die Hand nehmen sollten. Zugegeben. Ich als Kommunikationsfachmann hatte intensiv und grossformatig für uns geworben, ich scheute keine Kosten, um den Kindern klar zu machen, dass wir sparen müssen, dass wir frischen Wind bringen, dass wir endlich anpacken werden, dass wir es schlicht besser können. Unsere Argumente waren schlagend. Wir waren alle erfolgreiche Unternehmer, da werden wir ja wohl noch ein paar Weihnachtsguetzli backen können. Ich meine, die Arbeit unserer Frauen in Ehren. Aber Hand aufs Herz. Wer ein Unternehmen führen kann, der kann alles! Wer in der Wirtschaft erfolgreich ist, weiss, was ein richtiger Teig ist!

Wir stellten also ein Projektteam zusammen und liessen uns von unseren besten Leuten einen Businessplan erstellen. Sie grenzten die Zielgruppe ab, lieferten eine solide Markt- und Konkurrenzanalyse, sie klärten den Patent- und Markenschutz, stellten einen Zeitplan auf, und eine Marketingstrategie für die Produktelancierung. Wir führten sie straff, und trafen uns regelmässig zu langen Strategiesitzungen und Businesslunches. Zum Schluss engagierten wir noch externe Berater, bevor wir uns drei Tage zu einer Retraite ins Waldorf Astoria zurückzogen. Pünktlich, zwei Wochen nach dem vereinbarten Termin, wurden die Guetzli angeliefert. Die Mailänderli aus China. Die Brunsli aus Polen. Und für Experimente wurden wir nicht gewählt! Wir schenkten uns Whiskey ein und zündeten Zigarren an. Die Familien hatten was zu Kauen.

«Bravo!», sagten unsere Frauen, und traten uns ihre Kochschürzen ab. Nun übernähmen sie halt unsere Firmen und Kommunikationsagenturen, unsere Arbeit und Erfahrung in Ehren, aber Hand aufs Herz, wer erfolgreich Guetzli backen kann, der könne auch ein Unternehmen leiten.