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Die reformierte Kirchenpflege Wettingen-Neuenhof will Gebäude abreissen und Raum für Wohnungen und Schule schaffen. Die Massnahmen würden viele Mitglieder emotional treffen.
Im 100. Jahr ihres Bestehens stehen bei der Reformierten Kirchgemeinde Wettingen-Neuenhof richtungsweisende Entscheidungen an: Die Räumlichkeiten in Wettingen und Neuenhof sind zu gross geworden, weil die Mitgliederzahlen jährlich schwinden – und damit auch die Einnahmen. Inzwischen müssten aber die beiden Kirchgemeindehäuser dringend und aufwendig saniert werden. Deshalb entschied sich die Kirchenpflege vor zwei Jahren, eine Immobilienstrategie zu erarbeiten, um herauszufinden, wie mit allen zur Kirchgemeinde gehörenden Liegenschaften umgegangen werden soll.
Eins vorweg: Der Abbruch der reformierten Kirche in Wettingen ist in der Immobilienstrategie 2030 nicht vorgesehen. Der Abbruch der Kirchgemeindehäuser in Wettingen (Baujahr 1969) und Neuenhof (Baujahr 1956) jedoch schon. Danach gäbe es auf dem Areal in Neuenhof keinen Gottesdienstraum mehr, sondern eine Überbauung mit 40 Wohnungen.
Das Kirchgemeindehaus in Wettingen hingegen würde entlang der Lägernstrasse neu, aber kleiner wieder aufgebaut, damit der hintere nördliche Bereich für die Gemeinde zur Verfügung gestellt werden kann. Diese hat bei der Kirchenpflege eine offizielle Anfrage platziert. Der Gemeinderat will im Hinblick auf künftigen Raumbedarf bei der Schule Altenburg auf dem benachbarten Kirchenareal Kindergärten, Tagesstrukturen und Schulräume realisieren.
Diese Woche hat die Kirchenpflege die Immobilienstrategie rund 80 Interessierten vorgestellt. «Grundsätzlich sind die Vorschläge positiv aufgenommen worden», sagt Pfarrer Lutz Fischer-Lamprecht, der auch Präsident der Immobilienkommission ist und damit an der Strategie massgeblich beteiligt war. «Am Anlass wurde nicht gefragt, ob solch einschneidende Massnahmen wirklich nötig sind. Aber natürlich trifft es viele unserer Mitglieder emotional, auch weil in Neuenhof der Gottesdienstraum verschwinden wird», ergänzt er.
Das Verständnis sei aber gross, dass dieser drastische Schritt nötig sei: «Ende 2008 zählten wir noch 5500, inzwischen sind es nur noch 4119 Mitglieder.» Der Mitgliederschwund sei unaufhaltbar, «ein Megatrend», den die ganze Reformierte Kirche in der Schweiz treffe. 1970 war noch die Hälfte der Bevölkerung reformiert: «Jetzt liegt die Zahl unter einem Viertel», so Fischer-Lamprecht. Das liege auch an fehlendem «Nachwuchs»: So gehören viele Zuwanderer einer anderen Religion an oder sind dem katholischen Spektrum zuzuordnen.
Fakt ist: Die Räumlichkeiten der hiesigen Kirchgemeinde sind zu gross geworden. Und werden Liegenschaften und Gebäude nicht zur Erfüllung ihrer Kernaufgaben benötigt oder kostendeckend vermietet, so «dürfen grundsätzlich keine teuren Instandhaltungsmassnahmen mehr getätigt werden», schreibt die Kirchenpflege in ihrer Infobroschüre. Ein Landverkauf ist dabei aber nicht vorgesehen, sondern eine Abgabe des Landes im Baurecht. Dahinter steckt die Hoffnung, dass so regelmässige Einnahmen generiert werden können, «die sich angesichts der dramatischen Mitgliederentwicklung für die nächste Generation als sehr wertvoll erweisen dürfte».
Für die Finanzierung sollen Eigenmittel verwendet werden. Weil die Kirchenpflege davon ausgeht, dass nun der Diskussionsbedarf gross sein werde, verzichtet sie aktuell darauf, an der nächsten Kirchgemeindeversammlung bereits konkrete Anträge zu stellen.