Heute Abend findet in Gebenstorf, 5576 Einwohner, keine gewöhnliche Gemeindeversammlung statt. Zu behaupten, die Kreditabrechnung zur Sanierung der Stalden- und der Sandstrasse sorge für Diskussionen, wäre eine krasse Untertreibung: Dahinter verbirgt sich ein Polit-Streit, wie ihn das Dorf wohl noch nie erlebt hat, und der für manche Beteiligten ein Drama, für Aussenstehende ein kurioses Schauspiel darstellt.
Die Hauptdarsteller: Martin Anner, Unternehmer, und Giovanna Miceli (SP), Gemeinderätin. Die neuste Entwicklung, wie nun bekannt wird: Er hat gegen sie im Februar eine Anzeige bei der Oberstaatsanwaltschaft wegen angeblichen Amtsmissbrauchs, ungetreuer Amtsführung und Vorteilsannahme eingereicht. Sein Vorwurf, auf das Wesentlichste reduziert: Als die Sand- und Staldenstrasse saniert wurden, habe sich Bauvorsteherin Giovanna Miceli auch noch gleich die Gartenanlage auf Kosten der Gemeinde erstellen lassen. In der Kreditabrechnung – über die heute Abend abgestimmt wird – figuriere die Rechnung einer Gartenbaufirma betreffend Umgebungsarbeiten der Staldenstrasse; diese Rechnung betreffe aber nicht die Strasse, sondern im Wesentlichen die Gartengestaltung der Liegenschaft Miceli. Unter anderem habe sie sich einen Efeubogen im Garten bezahlen lassen, so Anners Vorwurf
Rückendeckung erhält er von der Finanzkommission: Diese empfiehlt die Kreditabrechnung zur Ablehnung. «Weil wir Kenntnis erhalten haben, dass in dieser Sache Strafanzeige eingereicht worden ist.»
Giovanna Miceli weist die Vorwürfe weit von sich. «Erstens: Die erwähnten Anschuldigungen sind haltlos und unwahr und werden entschieden zurückgewiesen. Das Strassensanierungsprojekt wurde korrekt und ordnungsgemäss durchgeführt und abgerechnet, wofür ich die volle Verantwortung als Ressortleiterin übernehme.» Zweitens sei der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass eine externe und unabhängige Sonderprüfung zur Kreditabrechnung stattgefunden habe. «Das vom Gemeinderat beauftragte renommierte Wirtschaftsprüfungsunternehmen konnte keine Unregelmässigkeiten feststellen.» Und nicht zuletzt hält Miceli fest, «dass mir von der zuständigen Staatsanwaltschaft keine Strafanzeige gegen ein Mitglied des Gemeinderates bekannt ist». Fiona Strebel, Mediensprecherin der Staatsanwaltschaft, sagt auf Anfrage: «Ich kann bestätigen, dass eine Anzeige eingegangen ist im Zusammenhang mit der Sanierung der Stalden- und Sandstrasse.» Der Entscheid, ob auf die Anzeige eingetreten und ein Strafverfahren eröffnet oder ob eine Nichtanhandnahmeverfügung erlassen wird, stehe noch aus.
Gemeindeammann Fabian Keller (CVP) will sich erst heute Abend an der Gemeindeversammlung zum Fall äussern. Er bestätigt aber auf Anfrage Informationen, die der AZ vorliegen: Im letzten Dezember kam es wegen der Krise zu einer Mediation im Gemeinderat. Die Teilnehmer: alle fünf Gemeinderäte, der Gemeindeschreiber plus Martin Anner. «Ziel der Mediation war, das gegenseitige Vertrauen wiederherzustellen. Das ist nicht gelungen», so Fabian Keller. Dass die Finanzkommission die Vorlage aufgrund der Anzeige zur Ablehnung empfehle, sei sehr bedauerlich. «Gemäss dem unabhängigen Gutachten, das wir erstellen liessen, gibt es bei der Abrechnung keinerlei Ungereimtheiten.»
Brisant und kurios zugleich: Die Anzeige von Martin Anner, die der AZ vorliegt, richtet sich nicht nur gegen Gemeinderätin Miceli, sondern «eventuell auch gegen den Gemeinderat Gebenstorf». Und somit auch gegen die Frau Vizeammann: Sie heisst Cécile Anner (SVP) und ist die Frau von Martin Anner. In anderen Worten: Martin Anner hat auch seine eigene Frau angezeigt. «Das stimmt im Prinzip», sagt sie dazu. «Jedoch bin ich stets in Ausstand getreten, als es um die Sanierung der Sand- und Staldenstrasse ging. Auch die dazugehörigen Verträge habe ich nie mitunterzeichnet.» Zu ihrer Rolle im Gemeinderat sagt Cécile Anner: «Ich habe mich selber isoliert. An den Sitzungen nehme ich teil, mache meinen Job. In die Beiz gehe ich danach aber jeweils nicht mehr mit den anderen Gemeinderäten.» Immerhin habe die Mediation dazu geführt, «dass wir wieder einen anständigen Umgang miteinander haben». Die eigentlichen Probleme seien bei der Mediation aber leider nicht gelöst, geschweige denn diskutiert worden. «Zum Beispiel, dass mir die Projektleitung für den Neubau des Schulhauses Brühl 3 entzogen wurde.»
Los ging der Streit schon vor drei Jahren, an der Gemeindeversammlung, an der die Strassensanierungskredite bewilligt wurden. Miceli, die das Geschäft präsentierte, hätte in Ausstand treten müssen, kritisierte Anner – doch der Kanton wies seine Abstimmungsbeschwerde ebenso ab wie seine Gemeindebeschwerde, wonach das Strassenreglement unsachgemäss angewandt worden sei. Darauf weist Miceli in ihrer Stellungnahme denn auch ausdrücklich hin: «Das Departement Volkswirtschaft und Inneres hat zur Frage des Interessenkonfliktes sowie zu weiteren Verfahren im Zusammenhang mit der Staldenstrasse zu Ungunsten des Beschwerdeführers entschieden.»