In Turgi gibt es eine spektakuläre Wende im Kirchenstreit. Nachdem sich Befürworter und Gegner jahrelang wegen eines Kirchenabbruchs in den Haaren lagen, beginnen sie nach einer Mediation mit der Planung von vorne.
Landeskirchen haben in der Gesellschaft an Stellenwert eingebüsst – könnte man meinen. In Turgi zeigte sich in den vergangenen drei Jahren, dass das Schicksal eines Gotteshauses gar zum Hauptgesprächsthema im Dorf werden kann.
Die Kirchenpflege hatte den Abbruch und Neubau der angeblich renovationsbedürftigen Kirche befürwortet; auf dem Areal sollten zusätzlich Alterswohnungen entstehen.
Zwar regte sich gegen das Vorhaben, das auch von der Kirchgemeindeversammlung gutgeheissen wurde, in der Bevölkerung Widerstand; doch die Kirchenpflege zeigte sich unbeirrt und kürte in einem Architekturwettbewerb ein Siegerprojekt.
Die Kirchenpflege erhielt sogar den Segen des Präsidenten der Reformierten Landeskirche Aargau, dem das Siegerprojekt gefiel.
Das Baugesuch für den Abbruch war bereits eingereicht, als der Gemeinderat das Gesuch diesen März für zwei Jahre auf Eis legte.
Begründung: Derzeit laufe die Revision der Bauordnung, wobei zu diskutieren sei, ob die Kirche unter Denkmalschutz gestellt werden müsse.
Ausserdem zeigte ein unabhängiges Gutachten, dass der Zustand der Kirche deutlich besser ist, als lange geglaubt wurde.
Seit dem behördlich verordneten Baustopp haben sich die Vertreter der Kirchenpflege und Gegner des Vorhabens versöhnt; oder zumindest sind sie sich deutlich näher gekommen.
Barbara Baldinger, die eine Petition zur Rettung der Kirche mitverfasst hatte, erklärt: «An der Kirchgemeindeversammlung im März zeigte die Kirchenpflege Gesprächsbereitschaft und lud an einen runden Tisch.»
Ein Mediator leitete mehrere Gesprächsrunden. «Wir waren uns einig, dass die unabhängigen Gutachten eine neue Diskussionsbasis darstellen. Ein Abbruch scheint nicht mehr nötig. Wir haben Zeit, uns neue Gedanken über eine zeitgemässe Nutzung der Kirche zu machen», sagt Baldinger.
Resultat der Mediation: Am 21. November wird eine Zukunftswerkstatt durchgeführt, an der alle Turgemer diskutieren können, «wie das kirchliche Leben künftig aussehen soll». Baldinger erklärt:
«Bevor wir wieder über Architekturfragen diskutieren, müssen wir die Frage klären, welche Bedürfnisse an die reformierte Kirche heutzutage gestellt werden.» Die Kirche könnte neue Wege gehen und auf dem Areal Platz für eine Kindertagesstätte, eine Tagesklinik für Demente oder eine Tagungsstätte schaffen.
Kirchenpflegepräsident Albert Lehmann: «Wir schliessen einen Neubau nach wie vor nicht aus, möchten aber die Zeit des Baustopps nutzen, um das Diskussionsfeld zu öffnen.» Neue Ideen hätten den Vorteil, dass die Zeit des Baustopps nicht nutzlos verstreiche, falls die Kirche unter Schutz gestellt werden sollte. «Dass dies geschieht, hoffen wir aber nach wie vor nicht.»