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Die Bevölkerung hat mit der Ablehnung des Budgets 2020 ein deutliches Zeichen gesetzt – gegen die Wettinger Politik. Die Fraktionen des Gemeindeparlamentes reagieren unterschiedlich.
Am Sonntag hat das Wettinger Stimmvolk das Budget 2020 inklusive Steuerfusserhöhung um 5 auf 100 Prozent wuchtig abgelehnt. Bei einer Stimmbeteiligung von 50 Prozent sprachen sich 73 Prozent dagegen aus. Im Dezember hatte der Einwohnerrat das überarbeitete Budget grossmehrheitlich angenommen. Das Nein kommt einem Misstrauensvotum gegen das Wettinger Parlament gleich. Was sagen die Fraktionen dazu?
Die SVP ist die einzige Fraktion, die mit dem «klaren und starken Zeichen» der Stimmberechtigten zufrieden ist: «Offenbar haben wir die Stimmung im Volk am besten aufgenommen», sagt Präsidentin Michaela Huser. Die SVP war die einzige Partei, die im Dezember geschlossen gegen das Budget gestimmt hatte.
Es sei nun zu hoffen, dass ein Umdenken und damit eine Kehrtwende in der Wettinger Finanzpolitik einsetze. «Gemeinderat, Einwohnerrat und Verwaltung werden mit diesem Nein gezwungen, das Ausgabenwachstum und die aktuelle Verschuldungspolitik zu stoppen und Verzichtsdiskussionen zu führen.»
Für SP/WettiGrüen steht schon lange fest, dass der Steuerfuss erhöht werden muss, um die minimalsten Leistungen der Gemeinde aufrechterhalten zu können. «Deshalb sind wir mit dem Ergebnis der Abstimmung nicht zufrieden», sagt Co-Präsidentin Christa Camponovo. Es sei der jahrelangen bürgerlichen Finanzpolitik zu verdanken, dass die Gemeinde in diese missliche Lage gekommen sei. Ihre Fraktion hatte sich im Vorfeld gegen einige der Sparmassnahmen im Budget gewehrt, ohne Erfolg.
«Um Schlimmeres zu verhindern, haben wir dem Budget trotzdem zugestimmt.» Camponovo ist sich sicher: «Vielen ist die Tragweite dieser Entscheidung nicht bewusst und nun müssen wir mit den Folgen leben.» Das Abstimmungsresultat sei nicht leicht zu interpretieren: «Für die einen wurden zu wenig Leistungen abgebaut, für die anderen zu viel.»
Sie habe von Personen gehört, die das Budget ablehnen, weil die Gemeinde zum Beispiel nur in den Sport investiere, aber immer noch kein Ersatz für das Alterszentrum St. Bernhard stehe oder weil die sozialen Dienste bei den Ärmsten sparen. Mehr Abbaupotenzial sei nicht vorhanden. Die Fraktion findet auch nicht, dass die Gemeinde auf Luxuslösungen setze: «Im Gegenteil, wie die zu restriktive Ausgabenpolitik bei den Liegenschaften zeigt, hat diese nun einen unaufschiebbaren Nachholbedarf zur Folge.»
«Wir müssen uns tatsächlich fragen, ob Gemeinde- und Einwohnerrat am Volk vorbeipolitisieren. Es ist nicht gelungen, die Fakten zur finanziellen Situation und die Notwendigkeit einer Steuererhöhung zu kommunizieren», sagt CVP-Fraktionspräsident Christian Wassmer. Trotzdem: «Wir dürfen unsere grossen Schulden nicht allein der nächsten Generation überlassen, das sind wir unseren Kindern schuldig. Auf Kosten der nächsten Generation zu leben, ist schlicht unfair.»
Die Bevölkerung Wettingens habe aber ein klares Zeichen gesetzt, dass sie nicht gewillt sei, jetzt die Schulden für die kommenden Generationen abzubauen. Selbstverständlich werde der Volksentscheid respektiert. Um den Schuldenabbau zu forcieren, hat seine Fraktion zusammen mit FDP und SVP letztes Jahr ein Postulat mit dem Titel «Mission eine Generation» eingereicht. Damit sollen die Schulden ohne Steuererhöhung innerhalb einer Generation abgebaut werden können.
«Die Sparbemühungen werden aber schmerzhafte Folgen haben», sagt Wassmer. Dabei dürfe auch nicht vergessen werden, dass Pflichtleistungen und gebundene Ausgaben, wie zum Beispiel die Gesundheitskosten, auf Gemeindeebene nicht beeinflussbar seien.
Diese möchte die FDP-Fraktion gerne genauer unter die Lupe nehmen, sagt Präsidentin Judith Gähler: «Wir möchten die fremdbestimmten Kosten untersuchen, um Möglichkeiten zu finden, wie zum Beispiel die Gesundheitskosten gesenkt werden könnten.» Für sie ist das Nein eine ganz klare Absage gegen die Steuererhöhung und ein eindeutiger Sparauftrag an die Gemeinde, den es konsequent umzusetzen gelte.
Die FDP hätte im Dezember an der Einwohnerratssitzung dem Budget zwar zugestimmt, aber auch klar gesagt, dass es so nicht weitergehen könne: «Wir erwarten einen Strategiewechsel vom Gemeinderat.» Der Austausch mit der Basis habe gezeigt, dass die Bevölkerung wegen der prekären finanziellen Lage besorgt ist. Es sei der Eindruck entstanden, dass bei der Gemeinde nur wenig Sparwille zu spüren sei.
Bei der GLP stimmte Parteimitglied Orun Palit an der Abstimmung im Dezember als einziger gegen das Budget. Und auch wenn die anderen Mitglieder zustimmten, sagt Präsidentin Ruth Jo. Scheier: «Das Ergebnis bestätigt die Kritik, welche die GLP seit Jahren übt.» Sie hätten schon mehrfach versucht, etwas mehr Transparenz und Vernunft in die Wettinger Politik zu bringen, zumeist ohne Erfolg.
«Die etablierten und teilweise selbstgefälligen Machtstrukturen konnten die Bevölkerung nicht weiter täuschen, zu oft wurden Grossprojekte zuerst kleingeredet und schönfärberisch verkauft, die Budgets dann aber wegen schlechter Planung und Ausführung überschritten.» Die Bevölkerung wünsche sich anscheinend weniger grosse und prestigeträchtige Projekte und Veranstaltungen, die nach aussen wirken. Es sei Transparenz, Weitsicht und Vernunft gefragt: «Eine Politik, die auch der Bevölkerung zugutekommt.»
Präsidentin Fränzi Widmer ist ernüchtert über die wuchtige Ablehnung: «Offensichtlich ist es nicht gelungen, den im Einwohnerrat erstrittenen und erarbeiteten mehrheitsfähigen Kompromiss transparent, einleuchtend und verständlich zu kommunizieren.» Über die Gründe könne nur gemutmasst werden.
Die Fraktion erachte es als sehr beschämend, dass der Regierungsrat erneut über ein Wettinger Geschäft beraten müsse, «nachdem er sich bereits über die Abrechnung von Little Wettige an der Badenfahrt 2017 äussern musste».