Debatte
Nach Tötungsdelikt Fislisbach: Macht es Sinn, dass 15-Jährige das Schiessen lernen?

Der mutmassliche Täter von Fislisbach, der einen 18-Jährigen erschoss, ist erst 17 Jahre alt. Ist das Schweizer Waffengesetz zu lasch?

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Ab wann soll ein ein Jugendlicher das Schiessen lernen dürfen? Und macht es Sinn, dass ein 15-Jähriger den Umgang mit Waffen lernt? Diese Fragen waren der Ausgangspunkt für den "TalkTäglich" am Dienstagabend auf TeleM1.

Die Frage hat insofern eine Aktualität erhalten, als beim Tötungsdelikt von Fislisbach, das letzte Woche geschah, ein 17-Jähriger mutmasslich einen 18-Jährigen erschossen hat. Klar ist: Das Opfer wurde mit einem Schuss umgebracht. Und der mutmassliche Täter, der laut Staatsanwaltschaft zugegeben hat, einen Schuss abgefeuert zu haben, zwei Jahre lang ein Jungschütze war, ehe er vor wenigen Monaten aus seinem Verein austrat. Die genauen Umstände der Tat sind allerdings – zumindest der Öffentlichkeit – noch nicht bekannt.

"Verantwortungsvolle Schützen"

Keinen Handlungsbedarf sieht der Aargauer FDP-Nationalrat Thierry Burkart, der sogleich die 200'000 Schützen in der Schweiz in Schutz nahm. "Die Schützen gehen sehr verantwortungsvoll mit Waffen um", sagte er. Ein Jungschütze könne zwar sein Gewehr nach Hause mitnehmen, aber ohne sogenannten Verschluss. Ohne diesen lässt sich kein Schuss abfeuern. Offenbar sei, so Burkart weiter, die Tatwaffe im Fall Fislisbach ein alter Karabiner. Den habe er sicher nicht vom Jungschützenkurs.

Tötungsdelikt Fislisbach
15 Bilder
Im Wald von Fislisbach AG ist im Juni 2016 ein 18-jähriger Schweizer umgebracht worden. Das Bild zeigt die Spurensicherung bei der Arbeit am Mittwochmorgen.
Das Tötungsdelikt ereignete sich im Waldstück "Rüsler", beim Hagibuechplatz.
Das Waldstück gehört zu Fislisbach, einer Gemeinde mit rund 5500 Einwohnern.
Die Polizei sperrte das Gebiet um den Tatort am Dienstagabend grossräumig ab und nahm die Fahndung nach der Täterschaft auf. Noch in der Nacht wurde ein 17-jähriger Schweizer verhaftet.
Der Polizei gelang es nach wenigen Stunden, den mutmasslichen Täter, einen 17-jährigen Schweizer, zu ermitteln und ihn im Elternhaus in Fislisbach festzunehmen.
Es handelt sich um den Lernenden S.N.
Der Tatort im Fislisbacher Waldstück "Rüsler" liegt zirka 150 Meter von der Sportanlage Esp entfernt.
Der mutmassliche Täter hat die Schussabgabe gestanden. Er wie auch das Opfer sind Schweizer mit Wohnsitz in der Region. Im Bild: Autos von Ermittlern. Hinten im Waldstück sind Mitarbeiter der Spurensicherung erkennbar.
Im Bild sind Mitarbeiter der Spurensicherung erkennbar.
Der Kriminaltechnische Dienst nahm in der Nacht auf Mittwoch die Spurensicherung auf.
Die Spurensicherung war auch am Tag danach am Tatort im Einsatz.
Eine Waldstrasse in Fislisbach nahe des Tatorts.
Die Spurensicherung am Morgen nach der Tatnacht an der Arbeit am Tatort.
Die Spurensicherung am Morgen nach der Tatnacht an der Arbeit am Tatort.

Tötungsdelikt Fislisbach

Mario Fuchs

Moderator Christian Dorer wies sogleich darauf hin, dass noch nicht bestätigt sei, um was für eine Tatwaffe es sich handelt. Und er hakte nach: "Aber er hat mit 15 Jahren gelernt, mit einer Waffe umzugehen und hat das offenbar in diesem Fall missbraucht."

Burkarts Antwort: "Ich finde es unzulässig, dass man hier eine pauschale Beurteilung macht und sagt: Weil er ein Jungschütze gewesen ist, sind nun alle Jungschützen ein Risiko." Die Vergangenheit der Schweiz zeige ja gerade, dass das eben nicht so sei.

"Zu viele Tote wegen Schusswaffen"

Hier widersprach SP-Nationalrätin Feri: "Das ist nicht bestätigt, dass die Vergangenheit das zeigt. Es sterben immer wieder sehr viele Leute durch Schusswaffen in der Schweiz." Es seien ungefähr 220 pro Jahr, Selbstmorde mitgerechnet. "Das sind zu viele."

Wiederholt verwies Burkart in der Diskussion auf den "sehr tiefen Anteil von Schusswaffendelikten in der Schweiz", der bei 0,5 pro 100'000 Delikten liege. Das sei im internationalen Vergleich sehr wenig.

In den Augen des FDP-Nationalrats habe die Schweiz heute schon ein restriktives Waffengesetz. Genau jene, die kriminell sein wollten, die kämen auch sonst an Waffen. Die meisten Tötungsdelikte würden begangen mit Waffen, die illegal erworben worden sind.

Hat es für Sie nicht etwas Verstörendes, wenn Kinder mit Waffen hantieren?" Auf diese Frage von Moderator und az-Chefredaktor Christian Dorer antwortete Burkart später dementsprechend: "Ganz und gar nicht." Eine Verschärfung des Waffenrechts würde in seinen Augen nur zu einer Scheinsicherheit führen. Das habe der Bundesrat in einer Botschaft zu einer Initiative festgehalten.

Die Altersfrage

Feri findet dagegen das junge Alter problematisch, in dem Jugendliche das Schiessen lernen können. Eine Tat mit einer Waffe könne im Affekt passieren. Wenn eine Person in solchen Momenten nicht mehr verantwortungsvoll handelt, dann sei es auch problematisch, wenn eine Person wisse, wie eine Waffe funktioniere.

Für Feri gehört eine Schusswaffe deshalb nicht in den privaten Haushalt, vor allem wenn man den Militärdienst beendet und die Waffe nach Hause nimmt. "Das ist ein Gefahrenpotenzial." Bei der häuslichen Gewalt wisse man: Überall, wo eine Waffe vorhanden ist, ist die Gefahr sehr viel höher, dass etwas passiert. Und: "Die Kinder werden teilweise traumatisiert, weil ein Elternteil mit einer Waffe herumspringt zu Hause. Dort müsste man ein strengeres Waffengesetz haben."

Appell an die Schützenvereine

Feri appellierte an die Verantwortung der Jungschützenvereine für die Prävention. Sie haben nicht nur die Aufgabe, den Umgang zu lernen, sondern auch den Jugendlichen die Gefahren dieser Waffen aufzuzeigen. Worauf Burkart sogleich einwarf, dass "genau dies gemacht wird". (pz)

Da sagt das Gesetz

Ab 10 Jahren darf man mit Luftgewehr, Sportpistole oder Kleinkalibergewehr schiessen. Ab 15 Jahren erhält ein Jungschütze das eigene Sturmgewehr, das er auch nach Hause nehmen kann. Allerdings ohne Verschluss, ohne den es nicht schiessfähig ist. Auf Anfang 2016 ist die Altersgrenze von 17 auf 15 Jahr gesenkt worden.