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Darf man Privates und Arbeit vermischen? Gelten dieselben Regeln auch in der Politik? Die «Nordwestschweiz» klärt auf, was aus rechtlicher Sicht an Nackt-Selfies, Handy-Drohung und der Tonaufnahme ohne Einwilligung dran ist.
«Verschickt Geri Müller Nackt-Selfies, ist das normalerweise seine Privatangelegenheit», sagt Rechtsprofessor Urs Saxer. Politiker hätten zwar eine reduzierte Privatsphäre, vom Schutz der Intimsphäre würden aber auch sie profitieren. Grundsätzlich müsse man akzeptieren, dass es am Arbeitsplatz immer auch privates Verhalten gebe. Darunter fällt beispielsweise das Kind, das am Arbeitsplatz anruft.
Solche Tätigkeiten seien arbeitsrechtlich nicht generell verboten, wenn sie nicht in einer Intensität ausgeübt würden, welche die Arbeit beeinträchtige und andere störe, sagt Saxer. So wie er es beurteilen könne, wurde bei Geri Müller die Arbeit wohl nicht beeinträchtigt und er habe andere auch nicht gestört. Bei den Nackt-Selfies von Geri Müller stelle sich daher weniger eine rechtliche als eine moralische Frage: «Ist das ein angemessenes Verhalten einer Person, insbesondere in dieser Funktion?» Nackt-Selfies in einem Betrieb oder in einer Verwaltung seien wohl immer ein unangemessenes Verhalten, sagt Saxer.
Treuebruch durch Nackt-Selfies
Aus Aargauer Anwaltskreisen heisst es: Es ist nicht verboten, in Paarbeziehung Nackt-Selfies zu verschicken. Es könne aber ein Problem darstellen, wenn das jemand in seiner Position als Stadtammann tue. Das ist unter Umständen ein Treuebruch gegenüber dem Arbeitgeber und allenfalls auch eine Verletzung der Sorgfaltspflicht. Um dies genauer zu beurteilen, wäre die Faktenlage zu prüfen. Solche Nackt-Selfies könnten dem Image des Arbeitgebers Schaden zufügen. Im Falle von Stadtammann Müller sei die Frage, wer genau der Arbeitgeber sei, aber schwierig.
Was ist mit Müllers Drohung, dass die junge Frau ihr Handy bald nicht mehr habe?
Für Professor Saxer kann diese Äusserung rechtlich unproblematisch sein. «Das ist nicht unbedingt eine Drohung.» Denn falls die Frau tatsächlich mit Nacktbildern des Stadtammanns an die Öffentlichkeit gelangen wolle – wie es Geri Müller in einer Stellungnahme schreibt – , habe Müller das Recht von allen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um sie daran zu hindern. «Dazu gehört auch, ihr zu sagen, dass er zur Polizei geht, wenn sie die Bilder nicht löscht.» Die Polizei würde ohnehin bloss handeln, wenn eine Grundlage dafür bestehen würde.
Sehr heikel ist für Rechtsprofessor Saxer aber, wenn Müller in seiner Funktion als Stadtammann der Stadtpolizei befehlen würde, etwas zu unternehmen, obwohl es keine Grundlage dafür gebe. Grundsätzlich könne der Stadtammann aber, wie jeder andere Bürger auch, zum Schutz seiner Rechte die Polizei anrufen. Schliesslich würde Geri Müller ja auch die Stadtpolizei anrufen, wenn bei ihm eingebrochen würde, so Saxer.
Vorwurf Amtsmissbrauch
Gemäss der genannten Juristenkreise lässt sich aus der Äusserung Müllers – «Hast du das Natel noch? Die Chance ist gross, dass du es bald nicht mehr hast» – alleine keine Drohung ableiten. Das könnte auch als blosse Feststellung gewertet werden. Für eine Drohung braucht es zusätzlich das sogenannte Versetzen in Angst und Schrecken. Es ist offen, ob das hier der Fall ist.
Ob eine Nötigung vorliege, ist demnach unklar. Eine Nötigung sei nur dann gegeben, wenn Geri Müller der jungen Frau ernstliche Nachteile androhe, wenn sie ihm das Handy nicht ausliefere. Eine Nötigung ist beispielsweise: Wenn du das nicht tust, schlage ich dich. Klar der gröbste Rechtsverstoss wäre, wenn Geri Müller die ihm unterstellte Stadtpolizei dazu gebracht hätte, die junge Frau verhaften oder anhalten zu lassen, obwohl es dazu rechtlich gar keinen Grund gegeben hätte. Das wäre Amtsmissbrauch und damit ein grober Vorwurf.
Rechtsprofessor Urs Saxer sagt, dass von strafrechtlicher Relevanz in dieser ganzen Affäre bisher aber vor allem sei, dass die junge Frau von Geri Müller Tonaufnahmen machte ohne dessen Einwilligung. «Das ist eine Verletzung von Bestimmungen des Strafgesetzbuchs zum Schutz der Persönlichkeit», so Saxer.
Aus Aargauer Juristenkreisen heisst es: Tonaufnahmen ohne Einwilligung sind rechtswidrig, ausser es gibt einen Rechtfertigungsgrund. Dieser kann in der Wahrung höherer Interessen bestehen, wie beispielsweise dem Aufdecken eines schweren Verbrechens. Ein Rechtfertigungsgrund könnte aber auch öffentliches Interesse sein. In solchen Fällen könnten dann auch widerrechtlich hergestellte Tonaufnahmen vor Gericht verwertet werden.