Obersiggenthal
Trotz Bedenken einiger Einwohnerräte: Flüchtlinge sollen künftig von der Gemeinde selber betreut werden

Der Einwohnerrat von Obersiggenthal entschied an seiner Sitzung grossmehrheitlich, die Zusammenarbeit mit Caritas per Ende Jahr zu kündigen. Weniger umstritten war der Beitritt zur regionalen Asylbetreuung Baden.

Sarah Kunz
Drucken
Bis anhin wurden Flüchtlinge mit geklärtem Asylverfahren von der Caritas betreut. Das will Obersiggenthal nun selbst übernehmen.

Bis anhin wurden Flüchtlinge mit geklärtem Asylverfahren von der Caritas betreut. Das will Obersiggenthal nun selbst übernehmen.

Symbolbild: Donato Caspari

Bislang wurden in Obersiggenthal Flüchtlinge in noch offenen Verfahren vom kantonalen Sozialdienst betreut, Flüchtlinge mit abgeschlossenen Asylverfahren und Aufenthaltsbewilligung seit 2001 von der Organisation Caritas. Beides wird sich im Laufe dieses Jahres ändern. Das hat der Einwohnerrat an seiner Sitzung vom Donnerstag beschlossen – wenn auch nicht alle von der neuen Lösung überzeugt waren.

Zu reden gab vor allem die Asylbetreuung. Wie Gemeinderat Walter Vega (Mitte) ausführte, bleiben trotz der externen Betreuung durch Caritas viele administrative Arbeiten und Kontrollen an der Abteilung Soziales hängen. In den vergangenen Jahren hätten sich zudem Fehler gehäuft, was zu einem Mehraufwand für die Gemeinde geführt habe. Vega sagte:

«Die Qualität der Arbeit von Caritas ist unbefriedigend und hat sich trotz mehrer Gespräche nicht gebessert.»

Aus diesem Grund beantragte der Gemeinderat dem Einwohnerrat, die Zusammenarbeit mit Caritas zu kündigen und stattdessen eine Stellenpensenerhöhung von 30 Prozent zu bewilligen. Dadurch würden zwar neue interne Personalkosten von zirka 36'000 Franken entstehen. Unter dem Strich sei dies jedoch erheblich weniger als bisher für die externe Betreuung ausgegeben wurde. Die Rechnung 2021 für die Arbeit von Caritas weist beispielsweise rund 93'000 Franken aus.

Intransparenz des Antrags störte einige Einwohnerräte

Dass derart Kosten gespart werden, war der SP-Fraktion ein Dorn im Auge. Zum einen, weil sich dadurch die Frage stelle, ob man für einen Drittel der Gelder noch denselben Sozialdienst leisten kann. Zum anderen, weil die Unterlagen unvollständig seien. «Es steht nirgends im Antrag , dass der Kanton einen Beitrag an die Geflüchtetenbetreuung der Gemeinden spricht», sagte Fraktionspräsidentin Mia Jenni. «Und es ist auch nicht klar, was künftig mit den gesparten 60'000 Franken passieren wird.»

Auch andere Mitglieder wie Volkmar Haueisen oder Daniel Jenni (Mitte) waren der Meinung, diese Intransparenz sei fragwürdig. Letzterer sagte: «Generell sei der Antrag zu unterstützen. Ich bin jedoch enttäuscht, dass man die Einnahmequelle verschwiegen hat.»

Weiter war die SP-Fraktion der Meinung, im Antrag komme nicht genügend zur Geltung, welche Leistungen beide erwähnten Dienste erbringen, weshalb die Vergabe des Auftrags an andere Anbieter nicht geprüft wurde und ob überhaupt genügend Fachkompetenzen für diese Aufgaben vorhanden seien. Schliesslich besitze Caritas ein breites Netzwerk und biete Leistungen, welche die Gemeinde nicht erbringen könnte.

Caritas ist überrascht über das Ausmass der Kritik

SVP, Mitte, EVP und GLP erachteten den Antrag jedoch als sinnvoll. «Dass Abläufe vereinfacht und die Betreuung dadurch effizienter wird, finden wir positiv», sagte beispielsweise Kim Grab (SVP). Und Christian Blum (FDP) führte aus: «Eine Kehrtwende ist in Anbetracht der Umstände richtig.»

So war es letztlich nicht erstaunlich, dass der Rückweisungsantrag der SP deutlich abgewiesen und dem Antrag mit 20 Ja zu 8 Nein bei 6 Enthaltungen zugestimmt wurde. Die Zusammenarbeit mit Caritas für die Flüchtlingsbetreuung wird folglich per 31. Dezember gekündigt.

Die Organisation nimmt den Wunsch der Gemeinde zur Kenntnis. «Wir hoffen einfach, dass jetzt nicht Geld auf dem Buckel der Flüchtlinge gespart wird», sagt Fabienne Notter, Geschäftsleiterin von Caritas Aargau. Nach ihrem Wissensstand sei zudem die Prozessoptimierung ausschlaggebend gewesen. «Wir haben die Zusammenarbeit stets als konstruktiv empfunden und uns gewünscht, dass derartige Vorwürfe vorab besprochen worden wären», sagt Notter. «Das Ausmass der Kritik hat uns sehr überrascht.»

Obersiggenthal tritt der regionalen Asylbetreuung Baden bei

Weniger umstritten war die Betreuung der Flüchtlinge in offenen Asylverfahren. Da der Kantonale Sozialdienst diese Dienstleistungen für mehrere Gemeinden per 1. Juli gekündigt hat, muss sich Obersiggenthal diesbezüglich neu ausrichten. Der Gemeinderat hat in der Folge drei Ansätze geprüft: die Überführung der Betreuung in eine andere, regional ausgerichtete Organisation, die Vergabe an einen kommerziellen Drittanbieter oder die eigenständige Durchführung.

Vorgeschlagen wird nun, sich der Modellstadt Baden anzuschliessen, der auch Birmenstorf, Fislisbach, Gebenstorf, Oberrohrdorf, Turgi und Wettingen angehören werden. Die Betreuungsübernahme soll nahtlos per Anfang Juli erfolgen. Walter Vega argumentierte, dass die Gemeinde bei dieser Lösung am meisten Einflussmöglichkeiten habe und eine optimale Betreuung am besten gewährleistet sei. Auch die Kosten sollten so nicht massgeblich steigen.

Der Antrag wurde einstimmig gutgeheissen. «Wir begrüssen es, dass nicht die billigste, sondern die sinnvollste Lösung gewählt wurde», sagte Mia Jenni. SVP und FDP machten noch darauf aufmerksam, dass die Kosten überwacht werden müssen. «Wir finden es aber stark, dass wir das in der Region hinkriegen», sagte Peter Huber (SVP).

Unumstritten waren auch die Rechnung 2021, der umfangreiche Rechenschaftsbericht 2021, ein Verpflichtungskredit von 455'000 Franken für den Ersatz einer alten Wasserleitung sowie ein Postulat der SP-Fraktion betreffend medizinische Grundversorgung.