Paul Germann war engster Vertrauter der Familie von Sidney W. Brown, dem Bruder des BBC-Mitbegründers. Ihm ist es zu verdanken, dass die Villa Langmatt heute inklusive Sammlung der Boveris der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Die Zahl Sieben spielt eine grosse Rolle im Leben von Paul M. Germann: Sieben schwere Unfälle – auf der Strasse, bei der Arbeit, in der Luft – hat er überlebt. 1971 war er nach Baden gezogen, und heuer sind es sieben Jahre her, dass seine Gattin nach 50 Jahren Ehe starb: «Sie war eine wunderbare Frau, gebürtige Venezianerin, und sie hat, zusammen mit unseren beiden Kindern, jahrelang klaglos weitgehend auf mich verzichtet, war ich doch über 20 Jahre lang sozusagen mit der Villa Langmatt verheiratet.»
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Germann war in Lenzburg aufgewachsen, hatte nach dem Willen des Vaters Maler gelernt und nach dessen frühem Tod das väterliche Geschäft übernommen. «Schon bald aber habe ich mich auf die Renovation von Villen und Schlössern zu konzentrieren begonnen. Die Malerarbeiten habe ich selber ausgeführt, dazu die anderen Handwerker engagiert und ihre Arbeit überwacht.» Unter anderem hatte ihm seine Freundschaft mit dem Lenzburger Komponisten und Maler Peter Mieg zahlreiche Türen und Tore geöffnet, so auch jene zur Villa Langmatt.
Sportwagenrennen und Segelfliegen
Das Ehepaar Jenny und Sidney Brown hatte die Villa an der Badener Römerstrasse erbaut. Sidney William, Maschineningenieur und passionierter Kunstsammler, war technischer Leiter und später Verwaltungsrat der BBC, die sein älterer Bruder Charles 1891 zusammen mit Walter Boveri gegründet hatte. Nach dem Tod ihres Mannes 1941 hatte Jenny die Villa bis zu ihrem Tod 1968 mit Sidney Hamlet, dem ältesten ihrer drei Söhne, bewohnt. John, der zweitgeborene und Harry, der jüngste – beide ausgesprochen musisch veranlasst – hatten bis dahin ihren Wohnsitz in Paris. «1970 hatten die beiden mich gebeten, Verwalter und Bewirtschafter der Liegenschaft zu werden, worauf ich mir ein Jahr Bedenkzeit ausbedingte», sagt Germann. Die beiden Brown-Brüder hatten offensichtlich keine Zweifel, dass Germann den Posten des Langmatt-Verwalters übernehmen würde. «Sie hatten während meiner Bedenkzeit für mich und meine Familie unmittelbar neben der Langmatt ein Haus bauen lassen.»
1971 war Paul Germann dann nach Baden gezogen, er war seit 14 Jahren verheiratet, hatte einen Sohn und eine Tochter und spannende Hobbys: «Ich war über Jahrzehnte hinweg leidenschaftlicher Segel-, später auch Motorflieger und bin mit meinen Porsches unter anderem auf dem Nürburgring und in Monza Sportwagenrennen gefahren.» Heute, mit 85 Jahren, fliegt er nicht mehr selbst, baut aber mit Akribie Modellflugzeuge und berichtet lebhaft und dezidiert über Vergangenes und Gegenwärtiges.
Mit Harry Brown habe ihn eine tiefe Freundschaft verbunden und er habe ihn oft auf Kulturreisen begleiten können, etwa nach Bayreuth, Salzburg und München. «Harry hat auch regelmässig bei uns gegessen, wenn er in Baden war; Rosabianca war eine begnadete Köchin. Leider erlitt Harry 1972 einen Schlaganfall und starb nur 67-jährig, innert zwei Wochen.»
Beschwerlicher Weg zum Museum
Bereits ein Jahr zuvor hatte auch der fünf Jahre ältere John einen Schlaganfall erlitten. Er war nicht allein nach Baden gekommen: «Nach dem Tod der Mutter hatte er 1969 seine langjährige Gefährtin Andrée Marthe Müller, gebürtig aus Yverdon, geheiratet. «Sie hat in der Langmatt sofort rigoros das Szepter in die Hand genommen. Sie wollte den Mann nach dem Schlaganfall unbedingt selber pflegen und verweigerte jegliche Rehabilitations-Massnahmen.»
Germann erzählt weiter: «John Brown und ich pflegten jeden Morgen von 11 bis 12 einen ausgiebigen Gedankenaustausch, und zweimal wöchentlich habe ich in seinem Auftrag in Zürich bei Sprüngli, Bianchi, Corrieri, Delikatessen eingekauft.» Nach dem Tod von Andrée Marthe Brown anfangs der 80er Jahre hatte sich Germann dann intensiv um John gekümmert sowie Pflegerinnen und eine Köchin eingestellt.
Als der letzte noch lebende Brown-Nachkomme zusehends schwächer wurde, machte Germann sich ernsthafte Gedanken darüber, wie es mit der Langmatt, vor allem aber mit der Gemäldesammlung weiter gehen sollte. Jenny Brown hatte testamentarisch die Schenkung der Bilder, des Tafelsilbers und weiterer Wertgegenstände an verschiedene Museen verfügt. Die leere Villa sollte der Stadt Baden vermacht werden. «Aber das Haus und die ganze Sammlung musste doch unbedingt als Ganzes erhalten und als Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Drei Jahre lang habe ich wegen der entsprechenden Testamentsänderung auf John eingeredet, als er mich eines Tages zu sich rief und sagte, so jetzt schreiben wir nieder, was Sie schon lange wollen.»
Es habe dann allerdings viele Wochen gedauert, bis alles aufgeschrieben war. «Kaum hatte ich das endlich fertige Testament beim Gericht deponiert, sagte John, ich solle es zurückholen, er wolle es zerreissen.» Und da, schmunzelt Germann, habe er zum ersten Mal in seinem Leben gelogen: «Ich sagte zu John klar und deutlich, zurückholen sei nicht mehr möglich.» Da es keine Pflichterben der Browns mehr gibt, war das Vermächtnis nach dem Tod von John 1987 rechtskräftig. 1990 wurde das Museum Langmatt eröffnet.
Darauf ist Paul Germann noch heute enorm stolz: Noch immer wohnt er im Haus gleich daneben, hat lebenslanges Wohnrecht. «Auf das zum Haus gehörende Umland habe ich zugunsten der Stadt verzichtet. Heute, da Paul Germann pensioniert ist, freut er sich an seinen beiden Enkel und den jährlichen Ausfahrten mit seiner Tochter Monica in die Heimat seiner Rosabianca ins Veneto. Ausserdem geniesst er seinen Ruhestand im wunderschönen Park der Langmatt.