Arbeitsintegration
Perspektive trotz Coronavirus: Auch Langzeitarbeitslose werden erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert

Trotz Coronakrise werden dank der in Wettingen ansäsigen Firma Hartmann Arbeitsintegration & Coachingfleissig Verträge unterzeichnet. Auch in Zeiten der Pandemie bleibt der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt erfolgreich.

Larissa Gassmann
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Auf den persönlichen Kontakt muss in der Coronakrise verzichtet werden: Ihre Coachings führt Helene Hartmann (links) nun per Skype oder Telefon durch.

Auf den persönlichen Kontakt muss in der Coronakrise verzichtet werden: Ihre Coachings führt Helene Hartmann (links) nun per Skype oder Telefon durch.

alphafoto.com/Helene Hartmann

Tag für Tag verlieren Menschen auf Grund der Coronakrise ihren Job. Ende März wurden im Kanton Aargau 11396 Personen als arbeitslos gemeldet, die Zahl der Personen ohne Anstellung stieg innerhalb weniger Wochen um 1027 Personen.

Nicht wenige davon dürften irgendwann einmal auf Helene Hartmann treffen. Im Auftrag von dreizehn Aargauer Gemeinden kümmert sich ihre in Wettingen ansässige Firma Hartmann Arbeitsintegration & Coaching seit vier Jahren um langzeitarbeitslose und von der Sozialhilfe abhängige Menschen. Dank Schnupper- oder Lehrstellen sowie Praktika werden bereits ausgesteuerte Personen wieder an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt.

Selbst wenn zur Zeit kaum Vorstellungsgespräche und Schnuppertage möglich sind, geht ihrem dreiköpfigen Team die Arbeit nicht aus. «Noch immer reichen wir bei uns bekannten Firmen Dossiers ein. Alles, was wir im Moment erledigen können, wird aufgegleist», sagt Hartmann.

Gezielt geht ihr Team auf Firmen zu, die in Zeiten der Pandemie personell besonders gefordert sind. So ist es ihr gelungen, eine Klientin an ein Altersheim zu vermitteln, in dem diese mit Option auf Festanstellung während drei Monaten als Reinigungskraft einspringen kann.

Fruchtend ist auch die Zusammenarbeit mit langjährig bekannten Firmen und Institutionen, die Hartmann aus Diskretionsgründen nicht mit Namen nennt. Längst nicht nur bei personellen Engpässen wir gerne auf die Klienten ihrer Firma zurückgegriffen.

Selbst in Zeiten wie diesen werden noch Verträge unterschrieben. So konnte ein 52-Jähriger vor drei Wochen nach einem bezahlten Praktikum in der Baubranche einen auf den 1. Mai datierten Festvertrag unterzeichnen.

«Ohne sie hätte ich die Hoffnung längst schon aufgegeben»

Glück hatte auch die 28-jährige Marie (aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wird auf eine vollständige Namensnennung verzichtet). Obwohl die vom Bund getroffenen Massnahmen in Zeiten des Coronavirus eine Schnupperwoche verunmöglicht haben, darf die alleinerziehende Mutter im Sommer eine Lehre bei einem Detailhändler antreten.

«Gerade als alle Läden zumachen mussten, hätte meine Schnupperwoche stattgefunden. Nachdem diese abgesagt werden musste, habe ich fest damit gerechnet, dass dadurch alles ins Wasser fällt», sagt Marie.

Umso überraschender kam die vor zwei Wochen erhaltene Zusage. Im vor der Coronakrise stattgefundenen Vorstellungsgespräch konnte Marie derart überzeugen, dass ihre künftige Ausbildnerin über die fehlende Schnupperlehre hinwegsah. Zu verdanken hat Marie dies nicht zuletzt Frau Hartmann.

«Ohne sie hätte ich die Hoffnung längst schon aufgegeben. Es hat ein paarmal nicht geklappt, aber sie hat mich immer aufgebaut. Ich bin froh, sie an meiner Seite zu haben», sagt die junge Mutter.

Negative Erlebnisse und Ängste brechen auf einmal hervor

Immer wieder hatte Hartmann ihr in den wöchentlich stattfindenden Gesprächen den Rücken gestärkt. Statt vor Ort werden diese persönlichen Coachings nun zu einem fixen Zeitpunkt per Telefon, Facetime oder Skype durchgeführt. Auch sonst haben die Coaches immer ein offenes Ohr.

«Wir probieren dort weiterzumachen, wo wir aufgehört haben. Doch das Ganze ist schon aufwendiger, auch für uns. Es ist schwieriger, die Ängste und Sorgen am Telefon zu erkennen», zieht Hartmann nach zwei Wochen Fazit. Nicht nur in dieser aussergewöhnlichen Situation wird sichtbar, wie wichtig Strukturen und Ansprechpersonen sind.

«Wir merken, dass bei den Klienten nach der Aussteuerung und in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit vieles hervorbricht. Negative Erlebnisse und Ängste, die sie seit langem mit sich tragen und nicht verarbeitet haben. Wir wollen unsere Klienten im zwischenmenschlichen Bereich stärken, ihnen Halt und Struktur geben», sagt Hartmann.

Oft finden die Sozialhilfebezüger nur mit entsprechender Unterstützung eine Anstellung. Eine fehlende Grundausbildung oder fortgeschrittenes Alter erschweren die Stellensuche. Nicht wenige haben dadurch den Anschluss an die Gesellschaft nahezu verloren. «In unserer Gesellschaft definiert man sich über seinen Job. Jeder benötigt Referenzen. Diese bekommen unsere Klientinnen und Klienten, wenn sie mindestens sechs Monate lang in einer Firma tätig sind», sagt Hartmann.

Verlängerund der Taggelder wird nicht allen helfen

Stets wird gemeinsam evaluiert, was für die endgültige Rückkehr auf den Arbeitsmarkt noch fehlt, mit den jeweiligen Arbeitgebern steht man in regem Kontakt. Damit auch in der aussergewöhnlichen Zeit jedem die Chance auf einen optimalen Wiedereinstieg ins Berufsleben geboten wird, werden eingereichte Stellenangebote eingehend geprüft.

Kommt es zu einer befristeten Anstellung, so erhält der Klient den branchenüblichen Lohn. Auch Praktikanten werden versichert und entlohnt. Zurzeit weist die Hartmann Arbeitsintegration eine Vermittlungsquote von knapp 44 Prozent auf, acht Lernende zwischen 20 und 30 Jahren werden betreut.

Trotz Krise hofft Hartmann dass auch die kleineren Firmen weiterhin mit ihr zusammenarbeiten. «Ich wünsche mir, dass sie unseren Klienten weiterhin die Chance bieten, sich vorzustellen. Nur so können sie beweisen, dass sie wichtige und treue Mitarbeiter sind», sagt sie.

Schliesslich haben nicht alle das gleiche Glück wie Marie. Die Zahl der neuen Klienten dürfte kaum abnehmen. Selbst wenn die Taggelder auf Grund der aussergewöhnlichen Situation für anspruchsberechtigte und beim RAV gemeldete Personen um weitere 120 Tage verlängert wurden, wird der eine oder andere wohl in die Sozialhilfe abrutschen.

«Wer kurz vor der Aussteuerung stand, hat jetzt noch ein bisschen Zeit gewonnen, aber wir werden sicherlich mehr Anfragen bekommen. Uns wird die Arbeit nicht ausgehen.»