Wettingen
Pilotprojekt Urban Gardening: Wettingen darf man jetzt essen

Die Jugendarbeit Wettingen zieht in einem Pilotprojekt Gemüse für alle. Jetzt werden Paten für die nächste Ernte gesucht – auch ohne grünen Daumen.

Sabina Galbiati
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Mirjam Strub und Flavio Uhlig haben das Projekt Garten jEden ins Leben gerufen.

Mirjam Strub und Flavio Uhlig haben das Projekt Garten jEden ins Leben gerufen.

Die Region Baden/Wettingen durfte man bisher getrost als gemüsetechnisches Brachland bezeichnen – zumindest wer Urban Gardening als Richtwert setzt. Die Jugendarbeit Wettingen (JAW) beackert nun die Brache. In einem Pilotprojekt haben sie die ersten drei öffentlichen Gemüsebeete in der Gemeinde installiert und bepflanzt – den Garten jEden. Bereits im Frühsommer konnten Passanten Eichblattsalat, Karroten und Radieschen aus den Hochbeeten ernten. Im nächsten Frühling sollen sechs Hochbeet-Kisten bepflanzt werden. Für diese Gemüsebeete sucht die Jugendarbeit Wettingen noch Paten (siehe Box).

Das müssen Gemüse-Paten machen

Für den Zeitraum zwischen März und Oktober des kommenden Jahres sucht die Jugendarbeit Wettingen (JAW) Leute, die auf ihrem Grundstück oder vor ihrem Haus eine Kiste bepflanzen, wässern und pflegen. Beteiligen können sich Privatpersonen, Geschäftsinhaber, Schulklassen, Vereine oder Altersheime. Kiste, Werkzeug, Erde und Samen finanziert die JAW mithilfe der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Den Gemüse-Paten entstehen keine Kosten. Wer Lust hat, kann die Kisten selber anmalen und gestalten. Die JAW liefert die Kisten und holt sie nach der letzten Ernte wieder ab. Die JAW bleibt während des ganzen Projekts Ansprechpartnerin. Ende Oktober organisiert sie ein Erntedankfest für alle, die sich an der Aktion beteiligt haben. (gal)

Kann das funktionieren? In Zürich gab es dieses Jahr ein ähnliches Projekt mit Ziergemüse, das Spaziergänger an einem offiziellen Erntetag bei den Beeten mitnehmen konnten. Obwohl Stadt und Medien zur Ernte aufriefen und das Gemüse gratis gewesen wäre, wollte keiner Mangold, Randen oder Kohl einpacken. Flavio Uhlig kennt die Geschichte. Er winkt ab: «Bei unserem Projekt pflanzen Wettinger für Einwohner von Wettingen, dadurch ist mehr vertrauen da. Man kennt sich.» Zürich sei viel anonymer als Wettingen. «Dass unser Projekt vielversprechender ist, als die Zürcher Variante, zeigen unsere drei Pilotkisten. Aus ihnen haben die Leute alles weggeerntet», sagt Uhlig.

Ein weiterer Grund, weshalb der urbane Garten in Wettingen besser funktioniert, könnte sein, dass er digitalisiert ist. Die Kisten sind alle mit einem QR-Code ausgerüstet, den man mit dem Smartphone scannen kann. Sofort erscheinen Infos zu den Gemüsesorten, Erntezeitpunkt und Rezeptvorschläge.

Vom Garten der JAW überzeugt ist auch die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Sie unterstützt das Projekt mit 19 000 Franken aus dem Fonds für innovative Projekte. «Dank des Geldes können wir unseren Paten die Kisten und das gesamte Startpaket gratis übergeben», sagt Strub. Die Paten müssten nur noch säen, wässern und ernten.

Die JAW will nicht bei Kisten stehen bleiben, verraten die beiden Projektleiter. «Ich habe mich bei der Idee an der deutschen Stadt Andernach orientiert», sagt Uhlig. Die Bürger von Andernach säen und ernten bereits seit vier Jahren auf ihren öffentlichen Grünflächen Gemüse und Früchte. An den alten Schlossmauern ziehen sie Birnenstauden hoch, auf dem Feld davor wachsen Bohnen. Selbst temporäre Baulücken werden zum Gemüsebeet umfunktioniert.

Die Kleinstadt wurde mit ihrem Projekt nicht nur in Deutschland bekannt: Touristen besuchen die Stadt, um sich die öffentlichen Gartenbeete anzusehen. «Ganz so weit wie die Andernacher wollen wir natürlich nicht gehen. Aber unsere Vision ist es, eines Tages auch in Wettingen Grünflächen mit Gemüse und Obst zu bepflanzen», sagt Strub.