Der Politologe Lukas Golder vom Forschungsinstitut GfS Bern hat die Sendung für das Badener Taglatt analysiert und stellt allen drei Kandidaten nicht unbedingt ein gutes Zeugnis aus. Er vermisst von den Politikern im «Talk Täglich» Kernbotschaften.
Montagabend, kurz nach 18.30 Uhr: Tele M1 sendet «Talk Täglich» live aus der alten Druckerei im BT-Hochhaus in Baden. Nach einem kurzen Applaus der zahlreich erschienenen Gäste richtet Moderator und az-Chefredaktor Christian Dorer die ersten Fragen an die drei Stadtratskandidaten. Viele der Gäste wissen wohl schon, wem sie ihre Stimme geben. Doch welcher der Kandidaten konnte bei den noch Unentschlossenen punkten?
Der Politologe Lukas Golder vom Forschungsinstitut GfS Bern hat die Sendung für das Badener Taglatt analysiert und stellt allen drei Kandidaten nicht unbedingt ein gutes Zeugnis aus. «Man hat allen drei angemerkt, dass sie es nicht gewohnt sind, in einer TV-Debatte aufzutreten. Auch haben sie die politische Kommunikation nicht verinnerlicht. So wirkten sie weder gut vorbereitet noch sonderlich fokussiert.»
Als Beispiel nennt Golder die Einstiegsfrage, von Dorer an Erich Obrist gerichtet, weshalb er das interne Nominationsverfahren nicht akzeptiert habe und nun stattdessen als Parteiloser antrete. «Ich war sehr erstaunt, dass Obrist erst nach einer langen Denkpause antwortete und dann erst noch nicht auf die Frage einging, indem er mit einer inhaltsleeren Floskel antwortete.
Auf so eine Frage muss man doch mit einer schnellen und vor allem guten Antwort vorbereitet sein», so Golder. Generell hätten es die drei Kandidaten verpasst, kommunikativ eine klare Haltung zu demonstrieren und sich so als Führungsperson zu empfehlen. «Bei solchen TV-Auftritten ist der erste Eindruck enorm wichtig, beziehungsweise eine erste schlechte Antwort ist fast nicht mehr korrigierbar.»
Ebenfalls negativ beurteilt Golder den Umstand, dass alle drei Kandidaten erst nach zehn Minuten in Fahrt gekommen seien. «Bei einer Sendung von etwas mehr als 20 Minuten ist das schlicht zu lang. Doch auch in der zweiten Sendungshälfte haben Golder Kernbotschaften gefehlt. «Ich bin kein Fan von vorbereiteten Phrasen. Doch als Wähler wünschte ich mir schon eine Kernbotschaft, weshalb jeder einzelne Kandidat gewählt werden möchte. Kurz: Wieso bin ich hier, wieso will ich das Amt und wo will ich hin.»
Über die ganze Sendung gesehen, sei keiner der Kandidaten besonders abgefallen, ebenso wenig habe sich aber einer besonders abheben können. «Mario Delvecchio ist der Einstieg am besten gelungen. Er wirkte authentisch, offen, hemdsärmelig und er hat deutlich gemacht, dass er klar dem bürgerlichen Milieu zuzuordnen ist.» Unter dem Strich erhielt Golder aber den Eindruck, dass Delvecchio zwar durchaus Meriten aus der Wirtschaft mitbringt, aber vielleicht gerade deshalb nicht nahe genug an den politischen Spielen denkt. Bei strittigen Fragen habe er aber nicht um den heissen Brei geredet, wenn auch er sich immer wieder Floskeln bedient habe. Golder: «Ich weiss nicht, ob sich Delvecchio wirklich bewusst ist, was es heisst, in der Politik Brücken zu bauen, und wie gut er in der Lage wäre, auf der Klaviatur der Politik zu spielen.
Jürg Caflisch hat mich vom visuellen Auftritt am wenigsten überzeugt.» Dabei hätte Caflisch seine Kandidaten wohl gerade mit Inhalten noch besser ausstechen können. «Er macht den Eindruck, die politischen Verhältnisse in Baden sehr gut zu kennen, und zeichnet sich auch durch eine grosse Loyalität zur Partei und der schwierigen Situation in Baden aus.» Bei Erich Obrist sei wie gesagt der Einstieg der Tiefpunkt gewesen, danach sei er zu besserer Form aufgelaufen. «Er vermittelte mir den Eindruck, dass er ein lustvoller Politisierer ist und dass er eine grosse Leidenschaft mitbringt. Sein bester Moment war sicher der, als er offen zu seinen Stadtammann-Ambitionen stand. Was die politische Kommunikation betrifft, hat Obrist bei mir den Eindruck erweckt, dass er am geeignetsten wäre, kommunikativ die Rolle in einer Exekutive auszufüllen.»
Zusammenfassend hält Golder fest: «Die Ausgangslage wäre sehr spannend gewesen, stehen doch drei sehr unterschiedliche Typen von Menschen zur Wahl. Doch leider haben sie es etwas verpasst, dass diese Unterschiede in der Haltung und Persönlichkeit auch wirklich zutage traten.» Und noch etwas konstatiert Golder: «Mir scheint die Situation in Baden etwas verfahren und es wurde spürbar, dass es sich hier auch um ein Vorspiel zur zentralen Wahl zum Stadtammann im Jahr 2017 handelt. Darunter scheinen auch die Kommunikation und die Positionierung der Parteien zu leiden.»