Projekt Co-Pilot
«Aus dem Mentoring hat sich eine tiefe Freundschaft entwickelt»: Ehrendingerin unterstützt Flüchtlinge bei der Integration

Beim Projekt Co-Pilot von Caritas wird Flüchtlingen ein Mentor zur Seite gestellt, der im Alltag hilft. So haben sich Olive Burger und Rodi Büyükbayram kennen gelernt. Nun erzählen die beiden Frauen, weshalb das Projekt so wichtig ist.

Sarah Kunz
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Olive Burger (l.) und Rodi Büyükbayram vor dem katholischen Pfarrhaus in Baden. Hier nahm ihre Freundschaft ihren Anfang.

Olive Burger (l.) und Rodi Büyükbayram vor dem katholischen Pfarrhaus in Baden. Hier nahm ihre Freundschaft ihren Anfang.

Bild: Sandra Ardizzone

Ein kalter Wind pfeift um die Ohren, Schnee fällt in so kleinen Flocken, dass sie schmelzen, sobald sie auf den Boden treffen. Dick eingepackt stehen Olive Burger aus Ehrendingen und Rodi Büyükbayram vor dem katholischen Pfarramt in Baden. Hier lernte Burger vor eineinhalb Jahren Büyükbayrams Mann Mahmut kennen. Denn hier fand vor eineinhalb Jahren der Matching Day für das Projekt Co-Pilot statt.

Das Projekt Co-Pilot von Caritas

Für Flüchtlinge ist es eine grosse Herausforderung, sich in ihrem neuen Umfeld zurechtzufinden. Deshalb hat Caritas das Mentoringprojekt Co-Pilot geschaffen, bei dem Freiwillige (Co-Pilotinnen und Co-Piloten) Flüchtlinge (Piloten und Pilotinnen) bei der Navigation durch den schweizerischen Alltag unterstützen. Sie bieten Hilfe zur Selbsthilfe und stehen mit Rat und Tat zur Seite. Jeweils ein Jahr lang sind sie miteinander unterwegs und treffen sich monatlich. Die nächste Informationsveranstaltung für Co-Piloten findet am Dienstag, 15. Februar, um 19 Uhr online statt.

Burger ist durch ihren Mann auf das Mentoringprogramm gestossen. Dieser hat Soziale Arbeit studiert und sie auf das Projekt hingewiesen. «Ich fand die Idee spannend und wollte gerne meinen Beitrag für die Gesellschaft leisten», sagt die 43-Jährige und fügt an:

«Ich halte es für wichtig, dass Personen, die hier in der Schweiz Fuss fassen wollen, unterstützt werden.»

Burger hat sich also als Co-Pilotin beworben. «Die Herkunft war mir egal. Mensch ist Mensch», sagt sie. «Aber ich habe mir gewünscht, eine Familie unterstützen zu können, da ich selbst zwei Kinder habe.» Büyükbaraym wirft ein: «Unsere Töchter sind sogar im selben Alter.»

Burger und die Familie Büyükbayram fanden im Jahr 2020 zusammen. Ein Jahr lang begleitete die Ehrendingerin die kurdische Familie, ging mit Rodi und den Kindern gemeinsam auf den Spielplatz oder in den Zoo und übernahm für sie kleinere Aufgaben – wie etwa Termine beim Arzt abzumachen. «Das habe ich mich anfangs nicht selbst getraut, weil ich meinen Deutschkenntnissen noch nicht genügend vertraute», sagt Büyükbayram. «Jetzt erledige ich das aber selbst.»

Kurdin: «Es war nicht leicht, uns zu integrieren»

Die 35-Jährige spricht mit einem unüberhörbaren Akzent, muss ab und zu nachfragen, kann der Unterhaltung aber problemlos folgen. Deutsch zu lernen sei ohnehin eine der grössten Schwierigkeiten gewesen, die sie hierzulande erfahren habe. Vor vier Jahren flüchtete die Familie aus der Türkei in die Schweiz. «Mein Mann unterstützt die Politik von Recep Erdoğan nicht», erklärt Büyükbayram. «Das hätte für uns gefährlich werden können.» Zuerst kam die kurdische Familie in einer Flüchtlingsunterkunft in Sins unter, mittlerweile lebt sie in Baden.

«Es war nicht leicht, uns in unserer neuen Heimat zu integrieren, obwohl wir uns das so sehr gewünscht haben», erzählt Büyükbayram weiter. «Denn dafür brauchten wir Schweizer Kontakte.» Als Burger in ihr Leben getreten sei, sei ihr deshalb vieles einfacher gefallen. Büyükbayram hängt sich freundschaftlich bei ihr unter, beide Frauen lachen. In dem Jahr, in dem Burger die kurdische Familie als Co-Pilotin begleitet hat, ist eine tiefe Freundschaft entstanden. «Wir sind auch heute noch regelmässig in Kontakt, obwohl das Programm nach einem Jahr ausgelaufen ist», sagt Burger. «Für unsere Freundschaft brauchen wir eben keine Papiere», fügt Büyükbayram an und lacht.

Dann wird sie wieder ernst und sagt:

«Wir sind enorm dankbar, hier ein neues Zuhause gefunden zu haben. Hier fühle ich mich sicher und muss abends nicht drei Mal kontrollieren, ob ich die Türe tatsächlich abgeschlossen habe.»

Ausserdem könne sie den Kindern hier eine Ausbildung bieten, eine Zukunft. Bis es so weit ist, müsse sich aber noch einiges ändern. Rodi und Mahmut haben in ihrem Heimatland beide studiert, arbeiten können sie hier jedoch noch nicht. «Wir wünschen uns bald eine Arbeit, weil wir nicht von Sozialhilfe leben wollen», sagt Büyükbayram. «Aber es ist schwierig, eine Bewilligung zu erhalten.»

Ehrendingerin unterstützt bereits eine weitere Person

Burger unterstützt mittlerweile bereits wieder eine andere Person als Co-Pilotin. Die 25-jährige Gannoo aus Äthiopien habe ebenfalls Mühe, eine Arbeit zu finden. Bei ihr liegt es aber hauptsächlich daran, dass sie an Rheuma leidet und körperliche Arbeit nur schwer ausführen kann. «Deshalb konnte sie auch lange kein Deutsch lernen und spricht nur wenig», sagt Burger. «Das macht die Kommunikation teilweise etwas schwierig.»

Trotzdem: Burger setzt alles daran, dass sich Gannoo genauso wohl fühlt hier wie Rodi Büyükbayram. «Ich weiss, dass sie wahnsinnig froh ist, mich an ihrer Seite zu haben», sagt Burger. «Ich glaube, wir sind für sie so etwas wie eine Ersatzfamilie geworden.»