Baden
Prostitution? Was geht an der Kanti Baden wirklich vor?

Happige Vermutungen: SVP-Hardliner Andreas Glarner behauptet, ihm sei zugetragen worden, einzelne Schülerinnen der Kantonsschule Baden würden sich prostituieren.

Corinne Rufli
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Das ist dicke Post an die Adresse der Kantonsschule Baden: In einem Interview mit der «Neuen Aargauer Kantizeitung Troubadour» sagt Grossrat Andreas Glarner, die Kanti Baden «sei angeblich ein Drogenmekka und es gebe sogar Schülerinnen, die sich prostituierten».

Auf Nachfrage der az sagt Glarner über seine happigen Vermutungen: «Diese Hinweise sind mir mehrfach zugetragen worden von Kantischülern.» Man könne an der Kanti Baden fast jeden Schüler fragen, ob man Stoff kaufen könne, sagt der Gemeindeammann von Oberwil-Lieli. Er schätzt, dass es sich dabei um weiche Drogen wie Cannabis und Partydrogen handelt.

«Beweisen kann ich das nicht»

Und zu seiner Annahme, dass es Schülerinnen gebe, die sich prostituierten, ergänzt der SVP-Vertreter: «Oft sind das Modepuppen, die auf Labels abfahren. Die Schülerinnen bieten Escort-Service an, um den teuren Lebensstil finanzieren zu können.» Glarner stellt aber auch fest: «Beweisen kann ich das nicht. Auf den Escort-Seiten im Internet findet man aber Hinweise darauf.» Auf Nachfrage sagt er aber, dass diese Hinweise nicht konkret Kantischülerinnen betreffen.

Im Vergleich mit den anderen Kantonsschulen im Aargau sei Baden schlimmer: «Die Kanti Wohlen zum Beispiel ist deutlich harmloser. Gewisse Eltern verbieten sogar ihren Kindern, an die Kanti nach Baden zu gehen. Aus Angst.»

Kanti-Rektor wehrt sich

«Das sind haltlose Unterstellungen», sagt Hans Rudolf Stauffacher, Rektor der Kantonsschule Baden, verärgert. «Ich habe in meiner 10-jährigen Tätigkeit als Rektor noch nie von Prostitution an unserer Schule gehört.» Er distanziert sich auch klar von Glarners Vermutung, dass die Kanti ein Drogenmekka sei: «Wir haben kein Drogenproblem an unserer Schule.» Klar gebe es auch Kiffer, räumt er ein. An der Kanti Baden habe es über 1000 Schülerinnen und Schüler, das sei ein Querschnitt durch die Bevölkerung. Der Kontakt zu Drogen fange aber bei vielen oft schon vor der Kantizeit an, sagt Stauffacher.

Die Regel an der Kanti sei klar: Schülerinnen und Schüler müssen drogenfrei zur Schule kommen. «Wenn eine Lehrperson sieht, dass ein Schüler betrunken oder bekifft ist, dann greift sie ein», sagt Stauffacher. Und dann gebe es eine disziplinarische Massnahme. «Wir markieren klar die Grenzen.» Pro Jahr gebe es etwa 1 bis 2 Fälle, bei denen man eingreifen müsse. «Andreas Glarner soll mit Fakten kommen», sagt Stauffacher. «Nur Gerüchte zu verbreiten, ist nicht die feine Art. Wenn er etwas zu unserer Kanti sagen möchte, dann findet er bei uns ein offenes Ohr.» Aber es sei unanständig, auf diese Art einer Kantonsschule zu begegnen.

Jugendfachstellen verweigern sich

Auf der Suche nach Belegen für die Vermutungen von Glarner fragte die az auch bei Jugendfachstellen nach. Diese wollten aber keine Auskunft geben. Doch Jürg Unger, Chefarzt des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes Aargau, sagt zur Frage nach der Prostitution, dass der «Labelsex», also das Anschaffen, um sich Luxusgüter zu leisten, ein gesellschaftliches Phänomen sei. Auch Felix, Geschäftsführer eines Escort-Service, kennt den Labelsex: «Die Frauen wollen ‹in› sein», sagt er. Ihnen fehle oft das Geld für Luxusprodukte. Bei ihm arbeiten Frauen aus allen Sparten, Schülerinnen, Sekretärinnen oder Bankerinnen.