Prozess in Baden
Dreister Bschiss an Self-Scanning-Kasse: Aargauer zahlt 20 Rappen für einen «Lego Bugatti» – doch er kommt nicht weit

Ein 33-Jähriger versuchte, im Coop in Wettingen besonders günstig an einen Lego-Bausatz zu kommen. Stattdessen stand er am Donnerstag vor dem Badener Richter.

Rosmarie Mehlin
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Der Beschuldigte zahlte mit einer Karte – wenig später flüchtete er. (Symbolbild)

Der Beschuldigte zahlte mit einer Karte – wenig später flüchtete er. (Symbolbild)

Christian Beutler/Keystone

An seinem 32. Geburtstag war bei Marcel (Name geändert) offenbar das Kind im Manne erwacht. Jedenfalls bemühte er sich an jenem Donnerstagvormittag im Januar 2021 ins Coop-Center in Wettingen, um sich einen «Lego Bugatti»-Bausatz mit 3599 Teilen zu kaufen. Da der Preis von 429 Franken jedoch nicht den Wunschvorstellungen des Geburtstagskindes entsprach, machte es einen Umweg in die Früchte- und Gemüseabteilung.

Dort ergriff Marcel eine Zwergpomeranze, besser bekannt als Kumquat, und wog sie. Das Etikett, das als Preis 20 Rappen ausspuckte, klebte Marcel auf die grosse Lego-Verpackung statt auf die kleine Zitrusfrucht. Sodann marschierte er schnurstracks zur Self-Scanning-Kasse und bezahlte mit seiner Bankkarte für den «Bugatti» 20 Rappen.

Die Freude über das Super-Schnäppchen war indes von sehr kurzer Dauer: Als Marcel von einer Coop-Mitarbeiterin angehalten und zu einer Nebenkasse gebeten wurde, liess er Lego und Kumquat liegen und gab Fersengeld.

Zehn Monate später wurde ihm die Anklageschrift des Staatsanwaltes zugestellt: Wegen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage, Urkundenfälschung und Betäubungsmittel-Vergehens sei Marcel zu einer bedingten Geldstrafe von 7200 Franken und 200 Franken Busse zu verurteilen.

Vor Einzelrichter Pascal Peterhans erscheint – ohne Anwalt – ein magerer Mann in Jeans und Pulli, mit modischem Bärtchen und ebensolcher Brille; seinen E-Scooter hatte er bei den üppig wachsenden Philodendren im Warteraum deponiert. Als Deutscher war Marcel vor 18 Jahren seinen Eltern in die Schweiz gefolgt, hatte eine Bauhandwerker-Lehre absolviert und den Beruf danach ausgeübt.

Diverse Vorstrafen

«Ich war nie arbeitslos», erklärt er dem Richter stolz. Zurzeit freilich ist er schon seit längerem krankgeschrieben – und das nicht zum ersten Mal. Psychische Probleme, Betäubungsmittelkonsum und Klinikaufenthalte begleiten Marcel ebenso seit vielen Jahren, wie Vorstrafen seinen Weg pflastern: Dazu gehören einfache Körperverletzung, Drohung, Waffen- und Drogenbesitz.

Die Fragen von Richter Peterhans beantwortet der Beschuldigte wortreich und ständig abschweifend. Er spricht fahrig, seine Arme und Hände sind unentwegt in Bewegung. Marcel wohnt für 800 Franken monatlich möbliert, bezieht momentan 5750 Franken Taggeld, hat Schulden.

Tochter in Südamerika

Vor einigen Jahren hatte er eine engere Beziehung zu einer Südamerikanerin. «Sie lebt inzwischen wieder in ihrer Heimat. Dort kam vor eineinhalb Jahren auch unsere Tochter zur Welt.» Ob das Kind, so der Richter, tatsächlich von ihm sei? «Ja», sagt Marcel im Brustton der Überzeugung. «Ich überweise für sie auch monatlich Geld.» Er bringe jeweils 200 Franken zu seiner Mutter, die lege 100 Franken obendrauf und überweise das Ganze.

Wann er letztmals Kokain konsumiert habe? «Na ja, das ist nicht so lange her.» Die Sache mit dem falschen Preisetikett gibt Marcel unumwunden zu; zum Motiv kann er nichts sagen: «Ich weiss nicht – eine Dummheit.» Pascal Peterhans spricht Marcel schuldig gemäss Anklage: «Konkret haben Sie eine Maschine beschissen. Tun Sie solches mit einem Menschen, ist es Betrug – hier nun war es betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage. Und der Bschiss mit dem Preisschild ist Urkundenfälschung.»

Peterhans reduziert die Sanktionen auf eine Geldstrafe von 2500 Franken sowie eine Busse von 200 Franken. «Dies auch, weil das Deliktsgut schliesslich beim Geschädigten geblieben war.» Auf einen Widerruf des bedingten Erlasses einer Geldstrafe von 28'800 Franken von 2018 verzichtet der Richter, verwarnte Marcel aber und redet ihm ins Gewissen. Berappen muss der Verurteilte nebst der Busse auch Gebühren und Kosten in Höhe von 1980.90 Franken.

Hinweis der Redaktion: Der Vorfall an der Self-Scanning-Kasse fand in einem Coop in Wettingen und nicht in Würenlingen, wie in der ersten Version des Artikels beschrieben, statt. Wir haben den Fehler korrigiert.