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Es war der 1. November 1985, als er 29-jährig seine Stelle in der Reformierten Kirchgemeinde Baden antrat: Seit nun 30 Jahren ist der reformierte Pfarrer Markus Graber in der Bäderstadt im Amt.
Eine grosse Krippe mit Filzfiguren krönt das Sideboard. Auf dem modernen Esstisch steht ein Teller mit Weihnachtsguetzli. Daneben flackern, zwischen Christrosen, drei weisse Kerzen. Daheim im Pfarrhaus könnte Markus Graber in seinem grau-beigen Norweger-Pulli, das Gesicht unter dem weissblonden Haar braun gebrannt, glatt als Sportlehrer durchgehen.
Tatsächlich ist der Pfarrer ein ausgesprochener Bewegungsmensch. Er geht regelmässig ins Fitnesscenter sowie in eine Gymnastikstunde, wandert und tanzt mit seiner zweiten Frau Margrit Boo fürs Leben gerne: «Zurzeit pflegen wir wöchentlich griechische und Schweizer Volkstänze sowie monatlich sogenannte Barn Dances, also Country, Squares und ähnliche.»
In Birsfelden bei Basel aufgewachsen, hatte Graber in Liestal das Wirtschaftsgymnasium besucht. «Damals habe ich mich sehr für Mathematik interessiert.» Zur Theologie hatte er eher zufällig gefunden. Mit einem Kollegen engagierte er sich nach der Konfirmation in der jungen Kirche. «An Weihnachten haben wir, statt in der Französisch-Stunde einfach nur Mandarinli zu essen, zum Musizieren und Singen in die Aula eingeladen. Der Saal war proppenvoll und auch die Eltern begeistert.»
Ein gutes Jahr vor der Matura fiel Grabers Entscheid fürs Theologiestudium, das er nach sechs Jahren an der Uni Basel abschloss. «Das anschliessende Pfarramtspraktikum habe ich in Erlinsbach absolviert, denn ich habe damals mit meiner Frau bereits in Buchs gelebt.» Vier Kinder wurden in dieser Ehe geboren, die 1999 zerbrach. Zu einer Zeit, als Markus Graber längst Pfarrer in Baden war.
Denn als für die langjährigen Pfarrherren Markus Sager in Baden und Immanuel Leuschner in Untersiggenthal nach deren Pensionierung Nachfolger gesucht wurden, hatte der damals 29-jährige Markus Graber am 1. November 1985 seine Stelle in der Reformierten Kirchgemeinde Baden angetreten und war in das neben der Kirche liegende Pfarrhaus gezogen. Während es seither unter den weiteren männlichen und weiblichen Pfarrern der Gemeinde mehrere Wechsel gab, ist Graber geblieben – seit nunmehr 30 Jahren.
Weihnachtsfeier für Asylsuchende am Stephanstag
Verschiedene religiöse Institutionen, die Stadt Baden und viele Freiwillige laden am Stephanstag, 26. Dezember, um 17 Uhr die Asylsuchenden aus dem Gops Baden und die Bevölkerung zum Apéro auf den Badener Cordulaplatz. Dort gibts Musik, Apfelpunsch und ein Grusswort von Stadträtin Regula Dell’Anno-Doppler. Für alle Angemeldeten wird anschliessend in der Stanzerei, begleitet von weihnachtlichen Klängen und Worten, ein Essen serviert, gefolgt von gemütlichem Beisammensein bis 22 Uhr. «Die Weihnachtsgeschichten werden in Sprachen, wie sie etwa in Eritrea oder Syrien gesprochen werden, schriftlich aufgelegt. Ich habe die Übersetzungen zufällig im Internet entdeckt», verrät Pfarrer Markus Graber. (az)
«Mein Beruf hat sich in dieser Zeit nicht stark verändert, wohl aber das Verhalten der Kirchgenossen und der Öffentlichkeit. Der spärliche Besuch der Gottesdienste ist manchmal schon deprimierend», sagt Graber. «War früher der Kirchgang zumindest an Feiertagen wie Heiligabend, Weihnachten oder Karfreitag ein Muss und die Kirche jeweils bis auf den letzten Platz besetzt, so ist das heute höchstens noch bei Konfirmationen oder grossen Beerdigungen der Fall.»
Die Kirche, räumt Graber ein, habe durchaus Fehler gemacht. Vor allem habe sie zu wenig vermittelt, dass gläubig sein und gleichzeitig die Bibel kritisch zu hinterfragen, durchaus kein Widerspruch sei. «Was in der Bibel steht, ist nicht sakrosankt, sondern interessant.» Glaube verändere sich, komme mitunter auch ins Wanken.
Er bemühe sich stets, in der Kirche nicht einfach Monologe zu führen, sondern den Dialog mit den Gläubigen zu suchen. Dazu gehört zum Beispiel die Weihnachtsfeier auf dem Cordulaplatz (siehe unten) und dass Graber, zusammen mit seiner Frau, Pfarrer Walter Schlegel und Inge Peters, eine langjährige Tradition pflegt: «Familien und Alleinstehende, angepasste und rebellische, jüngere und ältere Menschen» zu einer Weihnachtsfeier an Heiligabend einzuladen. Da schwingt der Herr Pfarrer denn auch den Kochlöffel: «Ich bin für den Reis zuständig», schmunzelt er.
«Das Dienstaltersgeschenk von einem Monat zusätzlicher Ferien führt meine Frau und mich kommendes Jahr nach Griechenland. Dort wollen wir tanzen, das Land und Tanzgruppen kennen lernen. Deshalb sind wir eifrig dabei, Neugriechisch zu lernen.»
Markus Graber ist ein aufgestellter Typ, fern von jeder Bigotterie. «Nach dem Studium war ich naiver als heute», bekennt der 59-Jährige frank und frei. Glaube, so fährt er fort, sei zuerst in der Nacht: «Gott ist zwar im Dunkeln, aber das macht Sinn.» Ein Videoclip der schwedischen Popsängerin Robyn, über das er zufällig auf Youtube stiess, verdeutliche für ihn, dass die moderne Kirche durchaus einen Tanzclub zum Vergleich heranziehen könne: «Auch dort sprühen aus dem Dunkel Funken und Lichter, gibt es auch Begegnungen, bei denen man Menschen als Brüder und Schwestern erkennt.»