Regionale Wirtschaft
Ein Top-Jahr trotz Corona: Erst einmal siedelten sich mehr Firmen in Baden an als 2021

Baden bleibt ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Doch es gibt auch einen Negativ-Rekord.

Hans-Caspar Kellenberger
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Das ABB-Logo steht auf einem Dach an der Brown-Boveri-Strasse. Direkt dahinter befindet sich dasjenige von General Electric (Alstom). Ein gutes Dutzend von internationalen Unternehmen hat den Hauptsitz in Baden.

Das ABB-Logo steht auf einem Dach an der Brown-Boveri-Strasse. Direkt dahinter befindet sich dasjenige von General Electric (Alstom). Ein gutes Dutzend von internationalen Unternehmen hat den Hauptsitz in Baden.

Alex Spichale

Die vergangenen zwei Jahre waren aufgrund des Coronavirus für viele Unternehmen eine Herausforderung. Wie hat sich die Firmenlandschaft in der Region Baden verändert? Erstaunlicherweise war 2021, laut dem Badener Standortförderer Thomas Lütolf, kein schlechtes Jahr für die Wirtschaft in der Region.

Lütolf zeigt sich denn auch sehr zuversichtlich, im Hinblick auf die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts. Ende 2021 sind gemäss dem Standortförderer 2627 Firmen hier angesiedelt. «Mit 215 Ansiedlungen wurde das Top-Jahr 2020 egalisiert, mit 162 Firmengründungen war man ebenfalls weit über dem langjährigen Mittel», sagt Lütolf. Tatsächlich gab es in der vergangenen Dekade nur einmal – nämlich 2016 – mit 196 Firmengründungen und insgesamt 259 Ansiedlungen höhere Werte als 2021, wie der Standortförderer aufzeigt.

Sowohl die Werte für die Firmengründungen als auch der Gesamtwert der Ansiedlungen (der sich aus Neugründungen und Zuzügen von bereits existierenden Unternehmen zusammensetzt) sind für das vergangene Jahr somit über dem langjährigen Mittelwert: Es gab insgesamt rund 19 Prozent mehr Gründungen und 14,6 Prozent mehr Ansiedlungen im Vergleich mit den letzten 12 Jahren. Baden und Umgebung sind somit weiterhin, so die Stadt auch auf ihrer Website, in den Top 6 von insgesamt 110 Wirtschaftsregionen der Schweiz.

Schmerzhafte Abgänge

Aber es gibt nicht nur gute Neuigkeiten. Denn der Wirtschaftsstandort Baden musste in den vergangenen Jahren so einige schmerzliche Einschnitte verkraften: die Bekanntgabe des Abbaus von 1100 Stellen bei General Electric (Alstom) 2017 oder der Abgang des US-Softwareunternehmens Oracle 2021 aus Dättwil nach Kloten.

Im vergangenen Jahr wurden im Bezirk Baden sodann auch ganze 134 Firmen aus dem Handelsregister gelöscht – ein Rekordwert seit Beginn der Erfassung 2008. Nur 2014 verschwanden mit 118 Löschungen annähernd so viele Unternehmen von der Bildfläche. Dazu nahm die Gesamtzahl der eingetragenen Firmen im vergangenen Jahr mit einem Wert von -14 erstmals seit 2014 ab. 2020 noch wuchs die Anzahl Firmen um den Wert 39. Der langjährige Mittelwert des Firmenwachstums beträgt indes einen Zuwachs von 37 Unternehmen pro Jahr. «Corona hat 2021 insbesondere die Bereiche Beauty, Fitness, Massagen und Gastronomie hart getroffen», sagt Lütolf.

Urbane Struktur und Fachkräfte-Cluster

Der Blick auf die langfristige Entwicklung lässt jedoch hoffen. Denn seit 2007 hat sich der Unternehmensstandort Baden um über 490 Firmen vergrössert. In der ehemaligen Industriestadt haben sich in verschiedenen Bereichen zukunftsträchtige Schwerpunkte gebildet. Doch wie ist das gelungen? Konkurrenz gibt es genug, wie die Abwanderung des Milliardenkonzerns Oracle in den «Circle» am Zürcher Flughafen aufzeigt.

Erstens ist die Stadt verkehrstechnisch ideal in den Grossraum Zürich eingebunden. «Die Stadt hat mit ihrer geografischen Lage und urbanen Infrastruktur alles, was Fachkräfte heute für ihren modernen Arbeitsort voraussetzen», sagt Lütolf. Baden könne so für Unternehmen eine zunehmend wichtige Funktion wahrnehmen. «Work-Life-Balance ist hier besonders einfach, mit der Kultur-, Freizeit- und Shoppingpalette, dem breiten Gesundheitsangebot und über 50 Prozent Waldanteil», sagt der Standortförderer.

Thomas Lütolf ist Standortförderer der Stadt Baden.

Thomas Lütolf ist Standortförderer der Stadt Baden.

Chris Iseli

«Andererseits gibt es in Baden ein breites Fachkräfteangebot, das die Bildung eines Clusters begünstigt», so Lütolf. Ein Beispiel dafür ist General Electric (Alstom): Das Unternehmen verkaufte 2019 eine Geschäftseinheit an das Informatikunternehmen Infosys. Die rund 70 Mitarbeiter wurden übernommen. Infosys ist in der IT-Branche weltweit tätig. Das Unternehmen blieb in Baden Nord und ist auf ca. 130 Beschäftigte angewachsen. «Die Wirtschaftsregion Baden beinhaltet einen Fachkräftecluster in den Bereichen Hightech, Energie, Medizintechnik, Gesundheit und branchennahe ICT», sagt Lütolf.

Dynamische Internationalisierung

Bei General Electric (Alstom) wurden in mehreren Schritten substanziell Stellen abgebaut. Dass zahlreiche, betroffene Fachkräfte trotzdem in Baden geblieben sind und hier eine Arbeit fanden, macht dem Standortförderer Mut: «Heute sind etwa ein Dutzend global tätige Grossunternehmen in Baden zu Hause. Das stimmt uns zuversichtlich, dass der Wirtschaftsstandort auch für die Zukunft attraktiv ist.»

Baden habe deshalb auch in Zukunft eine gute Ausgangslage für die Firmenansiedlung – strukturell und geografisch. Die grossen, internationalen Firmen hätten eine Sogwirkung, die auch kleinere Unternehmen anziehe, die ebenfalls hochspezialisierte Fachkräfte benötigen würden. Lütolf sagt dazu:

«Der Wirtschaftsstandort Baden erlebt eine dynamische Internationalisierung.»

«Grosse Zäsuren, wie im Falle des Stellenabbaus bei General Electric, werden allein durch das natürliche Wachstum an Firmen in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren wieder ausgeglichen», so Lütolf.

Beschäftigungszahlen unterschiedlich erfasst

Und diese Entwicklung schlage sich dann auch in den Beschäftigungszahlen im Bezirk nieder. Die exakte, jährliche Anzahl an Vollzeitbeschäftigten wird bei der Standortförderung jedoch nicht erhoben. «Bei inzwischen über 2600 Firmen wäre unser Aufwand erheblich und ergäbe zusätzliche Administration für die Wirtschaft. Zum Beispiel bei grösseren Firmen mit mehreren Niederlassungen ist die jeweils genaue Bestimmung je nach Organisation nicht trivial», sagt Standortförderer Lütolf.

Doch wie viele Menschen werden bei Badener Grossunternehmen beschäftigt? Die Beschäftigungszahlen werden bei den Unternehmen auf unterschiedliche Art und Weise erfasst. Die ABB zum Beispiel, weist auf Ebene der Bezirke keine Zahlen aus. Schweizweit arbeiten hier 4000 Personen. Die Axpo hingegen erfasst die Zahlen auf Bezirksebene: Zurzeit arbeiten hier 1123 Personen, davon 872 in Vollzeitpensen. Beim Kantonsspital Baden sind es 2835 Personen, 1158 davon Vollzeit. Beim KSB stammen die Mitarbeiter, getreu der Internationalität Badens, aus 54 verschiedenen Nationen.

Beim Bundesamt für Statistik (BfS) werden die Zahlen zwar erhoben, hinken aber jeweils mehrere Jahre hinterher. Fakt ist: Baden hat hinter Aarau am meisten Vollzeitbeschäftigte im Kanton. Die Stadt mit rund 19'400 Einwohnern zählte 2019 rund 29'000 Beschäftigte (Voll- und Teilzeitstellen). Seit 1990 hat sich die Zahl der Beschäftigten damit mehr als verdoppelt. Damals betrug die Anzahl Vollzeitbeschäftigter nur rund 14'000 Personen – bei rund 15'700 Einwohnern.