Diese Woche startete der Architekturwettbewerb: Das ehemalige Industrieareal bei Baden soll ein metropolitanes Quartier werden. Das Projekt wird laut dem Projektleiter und dem Geschäftsführer «zu Hundert Prozent» realisiert.
Ganz nüchtern formuliert lautet die Nachricht, die es zum Oederlin-Areal in Rieden bei Baden zu vermelden gibt, folgendermassen: Der Architekturwettbewerb für ein Wohnbauprojekt auf dem westlichen Teil des Areals ist am Donnerstag gestartet. Der städtebauliche Wettbewerb war Anfang Jahr abgeschlossen worden.
Künftig sollen dort rund 300 Menschen wohnen, verteilt auf eine Brutto-Wohnfläche von rund 15 000 Quadratmetern. Fünf Architekturbüros entwerfen bis im Februar 2015 ihre Ideen.
Wer aber verstehen will, welche Transformation das Areal in den kommenden Jahren durchmachen soll, muss sich erst seine Geschichte, seine Lage und seinen besonderen Charakter vor Augen führen.
1858 gründeten die Brüder Karl und Friedrich Oederlin am Limmatufer angrenzend an das Bäderquartier eine Fabrik, um Metallwaren wie Bügeleisen, Öllampen und Töpfe zu produzieren. Die Wasserkraft ermöglichte eine kosteneffiziente Massenproduktion.
Das Unternehmen entdeckte mit der Herstellung von Wasserhahnen und Armaturen eine Marktnische, sodass es zwischen den 1890er-Jahren und dem Ende des 1. Weltkrieges zu einer Grossfirma mit über 400 Angestellten heranwuchs.In dieser Zeit entstanden die Gebäude, die das Erscheinungsbild des Areals bis heute prägen: etwa die Fabrikhallen für die Giesserei, Gussputzerei und Dreherei.
Als die Armaturenindustrie ab 1970 in eine schwere Krise schlitterte, trennte sich Oederlin schrittweise von Teilbereichen wie der Leichtmetall-Giesserei, Lötfitting und Warmpresserei. 1988 blieb einzig die traditionsreiche Giesserei als Produktionsstätte erhalten.
Danach begann die Phase der Fremdvermietung, die bis heute andauert. Der Charme alter Fabrikhallen lockte Künstler, Handwerker, Architekten, eine Flamenco-Tanzschule an. Entstanden ist in den letzten zwei Jahrzehnten inmitten von Backsteingebäuden und verlotterten Hallen – umhüllt vom typischen Geruch der Giesserei – ein kreatives Biotop. Rund 100 Mieter gibt es derzeit im Oederlin-Areal.
«Das Oederlin-Areal ist etwas anders», sagt dazu Thomas Schmid, Geschäftsführer der Oederlin AG. Schmid hat die Geschäftsleitung 1998 von seinem Vater übernommen, nun will er das Areal gemeinsam mit Investoren in eine neue Zukunft führen.
«Es steht zwar in unmittelbarer Nähe zum Bäderquartier von Baden, und doch hat es einen eigenen Charakter, ist Arbeits- und Kulturbegegnungsstätte.» Dieser Charakter soll auch in Zukunft beibehalten werden, wenn sich das Industrie-Areal Etappe für Etappe in ein städtisches Quartier verwandelt, versichert Schmid.
Im Gegensatz zu früheren Plänen, als das Areal zugunsten von Neubauten dem Erdboden gleichgemacht werden sollte, werden die historischen Gebäude auf dem Oederlin-Areal bestehen bleiben und integriert.
Erste Etappe im Transformationsprozess wird der Bau von Wohnungen im westlichen Teil des Areals sein, wo keine industriehistorisch wertvollen Gebäude stehen. Schmid spricht von einem hochwertigen architektonischen Projekt, das auch materielle Wertschöpfung generieren soll.
Dies, um die Altlastensanierung und die Realisierung der weiteren geplanten Module auf dem Areal finanzieren zu können. Die Wohnungen werden sich zwar auf Obersiggenthaler Boden befinden – die Bewohner aber sollen sich in erster Linie der Metropolitanregion Zürich zugehörig fühlen, wie der Dokumentation für den Architekturwettbewerb zu entnehmen ist.
Die Rede ist von «bessergestellten Personen», die hier aussergewöhnliche Wohnformen in einer historischen und trotzdem belebten Umgebung vorfinden. Im Idealfall, wenn Planung und Bau perfekt vorangehen, könnten die Wohnungen im Herbst 2018 bezogen werden.
Die Planung des Oederlin-Areals verfolgt gemäss Schmid drei Ziele: wertvolle Bauten zu erhalten, einzelne Bauten zu verbessern und bestimmte Arealteile neu zu gestalten. Nur ein Teil des Areals wird mit Wohnungen überbaut.
Weitere Module: In der Arealmitte könne man sich den Bau eines Hotels und von Longstay-Appartments vorstellen, zudem soll dort Platz für die Kreativitätsindustrie und kulturelle Angebote, Lifestyle und Freizeit geschaffen werden. Im Osten des Areals soll urbanes Arbeiten möglich gemacht werden.
Wie gross sind die Chancen, dass das Projekt realisiert, tatsächlich gebaut wird? «Hundert Prozent», antworten Geschäftsführer Thomas Schmid und Projektleiter Andreas Wirth, die sich beide als «krankhafte Optimisten» bezeichnen.
Zuversichtlich macht die beiden insbesondere das Verfahren – ein kombinierter Projekt- und Investorenwettbewerb. Sieben namhafte Investoren bilden zusammen mit der Entwicklungsträgerin, der Oederlin-West Immobilien AG, die Trägerschaft – die Allod Immobilien aus Chur, die Frutiger Immobilien aus Thun, die HRS Real Estate aus Frauenfeld, die Implenia Immobilien aus Bern, die KMP Architektur aus Wettingen, die Marti Generalunternehmung aus Bern sowie die Senn BPM aus St. Gallen.
Sobald 2015 der Gewinner des Architekturwettbewerbs feststeht, konkurrieren sich die Investoren darum, das Projekt realisieren zu dürfen. Der Sieger bezahlt die restlichen Realisierungsträger danach aus. «Auf diese Weise können die architektonische Qualität sichergestellt und die Finanzierung abgesichert werden», sagt Schmid.
Für den Architekturwettbewerb verbindlich festgelegt worden seien gemeinsam mit der Gemeinde und dem Kanton zudem bereits wichtige Projektparameter wie Abstände der Gebäude zum Wasser und zur Kantonsstrasse, Höhen- und Nutzungsmasse. So sollen allfällige Verzögerungen vermieden werden.