Baden
Rücktrittswelle: Der Stadt Baden laufen die Einwohnerräte davon

Nach Hälfte der Amtszeit haben 18 von 50 gewählten Mitglieder des Badener Stadtparlaments bereits wieder ihren Sitz geräumt. Das ist ein neuer Negativ-Rekord. Ein Grund soll eine zumindest zwischenzeitlich schlechte Stimmung gewesen sein.

Roman Huber und Pirmin Kramer
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Der Einwohnerrat Baden nahm die Ziele des Stadtrates auseinander.

Der Einwohnerrat Baden nahm die Ziele des Stadtrates auseinander.

Alex Spichale

Die Stadt Baden hat ein Problem: Seit einigen Jahren laufen ihr ständig die Einwohnerratsmitglieder davon. Schon wenige Wochen nach ihrer Wahl und nach nur einer Sitzung im Einwohnerrat stellten Andreas Voser und Andreas Zehnder (beide FDP) im März 2014 ihr Amt bereits wieder zur Verfügung.

Die beiden Politiker sowie auch die Parteileitung wiesen den Vorwurf taktischer Spielereien in Abrede: «Es kommt vor, dass man nicht weiss, wie das Leben ein halbes Jahr nach der Wahl aussieht», erklärte der damalige FDP-Präsident.

Diese beiden Demissionen waren nur der Beginn einer rekordverdächtig grossen Rücktrittswelle. 13 Ratsmitglieder haben seit Beginn der Legislaturperiode demissioniert. Und gemäss Informationen, wie sie dem Badener Tagblatt vorliegen, werden an der Dezembersitzung gleich weitere fünf Rücktrittsschreiben vorgelesen, darunter auch dasjenige von Jonas Fricker (team), der inzwischen für die Grünen in den Nationalrat gewählt worden ist.

Ein Blick auf die Mitgliederliste zeigt: Unter dem Strich kam es auf 18 von 50 Sitzen des Stadtparlaments bereits zu einem Wechsel. Das sind beinahe gleich viel wie in der gesamten letzten Legislatur: Zwischen 2009 und 2013 waren 20 Stadtparlamentarier vorzeitig zurückgetreten, was damals von den Parteien als «ausserordentlicher Aderlass» bezeichnet wurde.

Und jetzt ein neuer Rekord

Diesmal ist ein weiterer Rekord zu erwarten, denn in den nächsten zwei Jahren werden mit Bestimmtheit weitere Demissionen erfolgen. Dann wird man per Ende Amtsperiode noch mit diversen wahltaktischen Rücktritten rechnen müssen, wenn einzelne Parteien ihre vordersten Hoffnungsträger auf der Ersatzbank kurzfristig nachrutschen lassen, damit sie auf dem Wahlzettel den Bonus eines Bisherigen erlangen können.

Auffällig: In den Parlamenten der Nachbargemeinden ist die Zahl der Rücktritte deutlich geringer. In Obersiggenthal kam es in der laufenden Amtsperiode zu acht Sitzwechseln im 40 Mitglieder umfassenden Einwohnerrat. In Wettingen traten sogar nur 7 von total 50 Einwohnerratsmitgliedern bis jetzt vorzeitig zurück. Die Flut an Demissionen ist offenbar ein Badener Phänomen.

Welches sind die Gründe für die Rücktrittswelle in Baden? Karin Bächli, seit 2002 SP-Einwohnerrätin und designierte neue Rats-Vizepräsidentin, sagt: «Tatsächlich gab es in letzter Zeit viele Wechsel, leider auch einige in unserer Partei. Das ist bedauerlich, denn jedes Mal ist viel Aufbauarbeit nötig.»

Die häufigen Wechsel hätten auch damit zu tun, dass die Mitglieder des Einwohnerrates jünger seien als früher und darum mobiler, vermutet sie. Hinzu komme die angespannte Situation auf dem Badener Wohnungsmarkt. «Einige Mitglieder unserer Fraktion wären sehr gerne im Einwohnerrat geblieben, mussten das Amt aber abgeben, weil sie keine passende Wohnung in der Stadt fanden», erklärt Bächli.

Amtsältester Einwohnerrat mit 18 Einwohnerratsjahren ist Toni Suter (CVP). Auch er macht sich darüber Gedanken, wann er einer jüngeren Kraft Platz machen soll. Die Rücktrittswelle stimmt ihn ebenfalls nachdenklich. «Gerade in der Finanzkommission und in der Strategiekommission sind Ratsmitglieder gefragt, die sich in der Materie auskennen und eine gewisse Erfahrung mitbringen», erklärt Suter. Es brauche allerdings schon mehr als eine Amtsperiode, bis man sich mit den Geschäften eines Unternehmens, wie es die Stadt darstelle, einigermassen auskenne.

Schlechte Stimmung mitschuldig

In dieser Amtsperiode hat zudem die Situation im Stadtrat nach der Affäre Geri Müller zu schlechter Stimmung und Verunsicherungen geführt, wie sie selbst im Einwohnerrat spürbar wurden. Reto Huber (CVP) führte dies als Hauptgrund seiner Demission im Einwohnerrat an. Aus seiner Sicht habe sich der Ratsbetrieb inzwischen normalisiert, erklärt Toni Suter seine persönliche Wahrnehmung.

Suter hat zwar Verständnis dafür, dass sich die private Situation eines Einzelnen während einer Amtsperiode so verändern kann, dass die Ausübung eines solchen Mandats nicht mehr drinliege. Wechsel bedeuten für die Fraktionen und den Einwohnerrat aus seiner Sicht immer einen Verlust von Know-how. Gewisse Fragezeichen setzt Suter aber dennoch dort, wo ein Wechsel bereits nach wenigen Jahren und während einer angebrochenen Amtsperiode erfolge.