Stadtammann Baden
Sandra Kohler (parteilos) geht im Wahlkampf spezielle Wege – ob das gut ankommt, ist offen

Die Parteilose Sandra Kohler wurde überraschend in die Badener Exekutive gewählt. Ob sie fürs Stadtammannenamt kandidiert, ist offen. Und offen ist auch, ob ihr Bürgerdialog ankommt.

Martin Rupf
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Sandra Kohler im Tagsatzungssaal. Stadtratswahlen Baden
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Sandra Kohler im Tagsatzungssaal. Stadtratswahlen Baden
Sandra Kohler im Tagsatzungssaal. Stadtratswahlen Baden
Sandra Kohler

Sandra Kohler im Tagsatzungssaal. Stadtratswahlen Baden

Alex Spichale

«Liebe Badenerinnen und Badener: Ich bitte um Ihre Meinung. Soll ich zum zweiten Wahlgang für das Stadtammann-Amt antreten?» Dieser erste Satz zierte das ganzseitige Inserat, das die frisch gewählte Badener Stadträtin Sandra Kohler in der letzten Ausgabe der «Schweiz am Wochenende» geschaltet hatte. Das Inserat bildet quasi den vorläufigen Höhepunkt des aktiven – auf Interaktion mit den Wählern basierenden – Wahlkampfes der 36-jährigen PR- und Kommunikationsfachfrau, die vor einer Woche überraschend den Sprung in die Badener Exekutive schaffte.

Im Rennen um das Amt des Stadtammanns kommt es am 26. November zum 2. Wahlgang. Vizeammann Markus Schneider (CVP, 2239 Stimmen im 1. Wahlgang) und Stadtrat Erich Obrist (parteilos, 1229) haben bereits angekündigt, nochmals anzutreten.

Mehr als ein PR-Coup?

Ist das Inserat einfach ein guter PR-Coup einer Kandidatin, welche die letzten Zuckungen des Wahlkampfes geniesst? «Ganz und gar nicht», stellt Kohler deutlich in Abrede. Der Inhalt sei absolut ernst gemeint; es sei ihr ein ehrliches Anliegen, mit den Wählerinnen und Wähler der Stadt Baden in einen Dialog zu treten. Deshalb sei auch die Kernfrage, ob sie nochmals antreten solle, nicht als ein Abdelegieren zu verstehen. «Mir ist völlig klar, dass ich bis zum Mittwoch ganz alleine den Entscheid fällen muss, ob ich nochmals antrete oder nicht. Mein Ziel ist es aber, dank dem Inserat in einen noch intensiveren Austausch mit den Wählern zu treten.» Sie diskutiere zwar beispielsweise auf Facebook jetzt schon rege mit den Menschen. «Doch ich wollte diesen Dialog nochmals ausbauen, weshalb ich mich für dieses ganzseitige Inserat entschied.»

Dieses ganzseitige Inserat der frisch gewählten Badener Stadträtin Sandra Kohler (parteilos) erschien in der letzten Ausgabe der «Schweiz am Wochenende».

Dieses ganzseitige Inserat der frisch gewählten Badener Stadträtin Sandra Kohler (parteilos) erschien in der letzten Ausgabe der «Schweiz am Wochenende».

AZ

Ein nicht ganz billiges Unterfangen, kostet ein solch ganzseitiges Inserat schnell einmal ein paar tausend Franken. Doch für Kohler hat sich die Aktion gelohnt: «Bis gestern Abend habe ich rund 50 Rückmeldungen erhalten. Diese reichen von sehr kritisch bis äusserst positiv.» Unter dem Strich sei der Tenor positiv; die Wähler würden es schätzen, ihre Meinung einbringen zu können. Dass das Inserat für eine frisch gewählte Stadträtin eine spezielle Aktion sei, bestreitet Kohler nicht.

Im Gegenteil: «Ich will mir auch als Stadträtin treu bleiben. Will heissen: Wenn ich dann einmal im Amt bin, will ich auch neue Wege der Kommunikation und des Dialogs einschlagen.» Und sollte es tatsächlich mit der Wahl zum Stadtammann klappen, sei sie ganz sicher nicht eine Chefin der Sorte «Befehl: alle mir nach». Vielmehr wolle sie möglichst viele Menschen und Entscheidungsträger einbinden.

Es gibt Passagen im Inserat, die nur schwerlich zu verstehen sind, respektive einen grossen Interpretationsspielraum offenlassen. So heisst es etwa: «Mir ist bewusst, dass meine Vorgehensweise missbraucht werden kann.» Was wird wie von wem missbraucht Frau Kohler? «Damit meine ich, dass mich Antworten erreichen können, mit denen man mich eventuell zu manipulieren versucht – mit dem Ziel, diesem oder jenem Kandidaten am Ende zu helfen.»

Gleichzeitig stellt Kohler in diesem Zusammenhang aber klar: «Versuche der Kandidaten selbst oder deren Umfeld, mich in die eine oder ander Richtung zu lenken, gab es keine.»
Gegen Ende des Textes wird Kohler gar pathetisch: «Wir gehen den neuen Weg Schritt für Schritt und mit allen Ängsten, die dazugehören bei Neuem und Unbekannten.» Und: «Ich freue mich darauf, diesen neuen Weg mit Ihnen gemeinsam zu gehen und danke Ihnen für Ihren Mut und Ihr Vertrauen.»

Grosse Worte fürwahr, doch wie sind sie zu verstehen? «Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Viele Menschen begegnen Neuem wie etwa meiner Kandidatur als Parteilose mit Skepsis. Diese Wähler möchte ich ermutigen, mir auch als Stadtammann eine Chance zu geben.»

Dass sie noch eine Chance hat, obwohl sie im 1. Wahlgang mit 607 Stimmen – 1000 weniger als der abgewählte Stadtammann Geri Müller (team) – abgeschlagen auf dem 4. Platz landete, glaubt Sandra Kohler nach wie vor. «Bis zum 2. Wahlgang am 26. November kann noch so viel passieren.»

Bei den Überlegungen, ob sie nochmals antreten solle oder nicht, gehe es ihr einzig und allein um ihre Chance. «Ich überlege mir nicht, wem es mehr nützen könnte, sollte ich auf den 2. Wahlgang verzichten oder nicht», stellt Kohler klar.

Dass ihr Wahlkampf nicht überall gleich gut ankommt, kann Kohler gut nachvollziehen. Aber: «Ich darf für mich in Anspruch nehmen, für Gesprächsstoff gesorgt zu haben. Und das nicht in erster Linie über mich, sondern über die Wahlen in Baden und die Anforderungen an einen Stadtrat beziehungsweise an einen Stadtammann.»

Schneider: «Parteien im Rücken»

Was sagen Kohlers mögliche Kontrahenten zum Inserat? «Über die Aktion kann man sicher geteilter Meinung sein», sagt CVP-Stadtrat und Stadtammann-Kandidat Markus Schneider (52). Er selber habe ein solches Inserat nicht ins Auge gefasst. «Erstens habe ich meine eigene Partei und die FDP und die SVP im Rücken. Zweitens habe ich im ersten Wahlgang das beste Resultat gemacht, weshalb es völlig logisch ist, am 26. November nochmals anzutreten.» Auch Schneiders bis jetzt einziger Kontrahent, Stadtrat Erich Obrist (57), verzichtete auf ein ganzseitiges Inserat. Weshalb bleibt offen, da Obrist gestern nicht erreichbar war.