Birmenstorf
Schätze aus dem Schulhauskeller: Birmo, Cito und ein «Dackel»

Birmenstorf hat kein Museum, aber seit über 40 Jahren gibt es die «Sammlung Ortsmuseum». In einem Keller lagern verborgene Schätze, die jetzt nach und nach ans Licht kommen sollen.

Andreas Fahrländer
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Sammlung Ortsmuseum Birmenstorf
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Birmo Das Bitterwasser Birmo wurde seit 1842 abgefüllt. Von 1972 bis 1984 produzierte die Mineralquelle Eglisau noch künstliches Birmo, seither ist es endgültig Geschichte. In Birmenstorf steht bis heute die Fabrikantenvilla von Max Zehnder.
Birmenstorfer Veloglocken Kurt und Emil Schneider verkauften im Dorf nicht nur Velos, sie engagierten sich auch im Arbeiter-Radfahrer-Bund.
Das erste Tischtelefon der Welt «L.M. Ericsson – Stockholm», steht unter den Glocken des Telefons. Entwickelt wurde das erste Tischtelefon der Welt 1892, bis in die 1930er-Jahre wurde es produziert. Wegen seiner markanten Form trug es früher den Spitznamen «Dackel».
Der «Sonntagsschul-Mohr» Die Kasse ist aus heutiger Sicht rassistisch, war aber bis weit ins 20. Jahrhundert in den Kirchgemeinden üblich. Wer einen Batzen für die sogenannten «Heiden» spendete, wurde mit einem Kopfnicken belohnt.
Cito Mit Cito (lateinisch «schnell») waren die verschmutzten Hände rasch wieder sauber. Das patentierte Handwaschmittel aus Holzmehl und Seife fand weit über Birmenstorf hinaus Anklang, kam aber auch der Badener Industrie sehr gelegen.
Gerät zur Verzapfung von Weinflaschen Der Weinbau spielt seit dem Mittelalter eine wichtige Rolle in Birmenstorf. Zur Verzapfung der Flaschen nutzte man im 20. Jahrhundert dieses Gerät der Zürcher Kellerei- Firma Vögeli & Cie. In der Schale steht der Hinweis: «Echauder les bouchons» – Korken heiss abspülen.
Hebammen-Koffer Birmenstorf war konfessionell stets paritätisch: So gab es eine reformierte und eine katholische Hebamme. Die Sammlung besitzt einen ihrer Koffer, mit Hörrohr, Gurten und Zange.
Überreste des Wellington-Bombers Am 15. April 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, stürzte über Birmenstorf ein britischer Wellington-Bomber ab. Die Besatzung konnte sich mit Fallschirmen retten, die Maschine wurde zerstört. Teile davon, wie dieser Zylinder, sind in der Sammlung.

Sammlung Ortsmuseum Birmenstorf

Chris Iseli

Es gab Zeiten, da wurde Birmo in die ganze Welt verschifft. Gegen Verstopfung, Gelbsucht, Fettherz und Leberkrankheiten wurde es einst getrunken. Heute ist das Birmenstorfer Bitterwasser nur noch Erinnerung. 1971 wurde die Abfüllung stillgelegt. Im Schulhauskeller an der Gemeindehausstrasse stehen jetzt zahlreiche Flaschen aus drei Generationen dieses Exportschlagers. In diesem Keller fristet die «Sammlung Ortsmuseum» ein recht unscheinbares Dasein – auf hellen Holzregalen, sauber geordnet, registriert und nummeriert.

Birmenstorf hat kein Museum. Aber was die Gemeinde hier macht, ist beispielhaft.
Chronologisch beginnt die Reise durch die Birmenstorfer Geschichte bei den Fossilien, die Roger Kaysel im Lätten gesammelt hat. Sie geht weiter über die Backenzähne des Birmenstorfer Mammuts, jungsteinzeitliche Silexschaber, römische Tonziegel und mittelalterliche Grenzsteine bis hin zu Trümmerteilen eines in Birmenstorf abgestürzten Bombers und allerlei Errungenschaften des 20. Jahrhunderts.

1200 Objekte erzählen Birmenstorfer Geschichte

«Ein Schwerpunkt unserer Sammlung ist die bäuerliche Dorfkultur», erklärt Historiker Patrick Zehnder, der zusammen mit Stefan Michel in der Arbeitsgruppe Sammlung Ortsmuseum die Schätze im Schulhauskeller hütet. Die grösseren Objekte lagern in der Alten Trotte. «Der allmähliche Verlust der bäuerlichen Welt war in den Siebzigerjahren der Ursprung der Sammlung», sagt Zehnder.

Der Lokalhistoriker Max Rudolf gab damals den Anstoss, Hausgerät und Werkzeuge der Bauern zu bewahren, statt zu entsorgen. Seither kommen bei Hausräumungen, durch Schenkungen oder Leihgaben immer wieder Birmenstorfer Erinnerungsstücke dazu. Es sind aber längst nicht nur bäuerliche Objekte. Auch aus dem Vereinsleben, dem Kirchenalltag und dem Weinbau gibt es zahlreiche Stücke.

Mittlerweile sind es über 1200 Objekte aus der Birmenstorfer Geschichte.
Jetzt ist die Arbeitsgruppe auf der Suche nach zwei oder drei Freiwilligen, die in regelmässigen Abständen eine kleine Ausstellung in einer «Ständigen Vitrine» im Gemeindehaus zusammenstellen. «Schön wäre es, wenn das jemand machen würde, der die Sammlung noch gar nicht kennt», sagt Zehnder. Es dürfte sich lohnen, denn es gibt viel zu entdecken im Schulhauskeller.