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Ehemalige Mitglieder der Regionalpolizei Wettingen-Limmattal erheben Vorwürfe gegen ihre Vorgesetzten. Tatsächlich: Zweifelhafte Kündigungen, ein Prozess wegen Beschimpfung und angebliche gefälschte Rapporte werfen ein schlechtes Licht auf die Repol.
Man hat sofort ein Déjà-vu: Im Oktober 2013 titelte diese Zeitung: «Regionalpolizei unter Beschuss». Der Artikel handelte davon, dass bei der Regionalpolizei Wettingen-Limmattal zwei vorbestrafte Polizisten arbeiteten. Der Fall sorgte schweizweit für Schlagzeilen.
Nun, fünfeinhalb Jahre später, werden von ehemaligen Korps-Mitgliedern neue Vorwürfe vorgetragen. Sie möchten anonym bleiben, betonen aber, es gehe ihnen nicht um einen Rachefeldzug gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber. Vielmehr wollen sie die Bevölkerung respektive den Steuerzahler aufrütteln und dafür sorgen, dass die Missstände öffentlich werden.
Da ist zum einen der Fall von Ralph Huber (alle Namen geändert). Huber trat im Frühling 2013 infolge des Zusammenschlusses der beiden Regionalpolizeien Wettingen Limmattal und Spreitenbach in das Korps über. «Im Frühling 2017 wurde mir durch Gemeindeammann Roland Kuster im Beisein auch des Polizeikommandanten Roland Jenni die Kündigung ausgesprochen und ich wurde per sofort freigestellt.» Er habe zwar um seine Defizite im Zeitmanagement gewusst, doch die Freistellung sei für ihn völlig aus dem Nichts gekommen.
Huber verliess die Regionalpolizei, akzeptierte die Freistellung aber nicht und gelangte mit Unterstützung des Rechtsschutzes des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter vor das Verwaltungsgericht. Tatsächlich hiess dieses die Klage im Frühling 2018 teilweise gut und verknurrte die Gemeinde Wettingen zu einer Zahlung eines fünfstelligen Betrags exklusive Gerichts- und Anwaltskosten.
Doch damit nicht genug: Wenige Tage bevor Huber freigestellt wurde, hatte ihm sein direkter Vorgesetzter per Geschäfts-Mail eine Collage geschickt. Auf dieser ist ein nackter Männerköper mit Hubers hineinkopiertem Gesicht inklusive Geschenkschlaufe zu sehen. «Für mich war das klar eine Ehrverletzung, weshalb ich Anzeige gegen meinen Vorgesetzten erstattete», sagt Huber. Die Führung der Regionalpolizei Wettingen-Limmattal sowie die Personalstelle der Gemeinde habe er zudem über den Vorfall in Kenntnis gesetzt.
Im Sommer 2018 verurteilte die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg Hubers Vorgesetzten wegen Beschimpfung. Da dieser das Urteil nicht akzeptiert, kommt es morgen Mittwoch am Bezirksgericht zum Berufungsprozess.
Was Huber, aber auch vielen ehemaligen Arbeitskollegen und Polizisten aus anderen Korps in diesem Zusammenhang sauer aufstösst: «Anstatt dass das Verfahren für seinen damaligen Vorgesetzten Konsequenzen gehabt hätte, wurde er sogar noch befördert.»
Und: «Ist es wirklich im Sinne des Steuerzahlers, dass die Gemeinde Steuergelder für Prozessentschädigungen ausgibt?» Denn Hubers Fall ist kein Einzelfall. Schon einen Monat zuvor gewann ein anderer freigestellter Polizist vor Arbeitsgericht. Auch ihm musste die Gemeinde Wettingen eine Entschädigung in fünfstelliger Höhe entrichten.
Ein Vorwurf fällt im Gespräch mit den Polizisten oft: Dass die Führung der Regionalpolizei immer wieder Personen schütze, die eigentlich zur Verantwortung gezogen werden müssten. Da ist zum Beispiel der Fall eines Polizisten mit Kaderfunktion, der Anfang 2018 ausserkantonal straffällig wurde.
Der besagte Polizist sei zwar während des Verfahrens dienstlich suspendiert worden und im März 2018 habe er schliesslich von sich aus gekündigt. «Ob es in diesem Fall disziplinarische Massnahmen gab, ist fraglich. Und warum wurde der Polizist nicht freigestellt oder fristlos entlassen?», fragen sich die Polizisten.
Apropos fragwürdige Personalentscheide: Im November 2017 trat ein neuer Polizist in das Korps ein. Dieser war zuvor Leiter einer Kommunalpolizei im Kanton Zürich. «Warum ein 53-jähriger Leiter eines kommunalen Polizeikorps des Kanton Zürichs in eine ausserkantonale Polizeiorganisation wechselt und dort normaler Sachbearbeiter wird, wirft schon Fragen auf», so die Polizisten und liefern gleich eine mögliche Erklärung nach.
Offenbar sei dem Zürcher Polizisten aufgrund verschiedener Dienstverstösse nahegelegt worden, zu kündigen. «Weil er und Gemeindeammann Roland Kuster sich aus gemeinsamen Jugendtagen in Wettingen kennen, ist er schliesslich in Wettingen untergekommen», vermuten die Polizisten.
Zumindest diesen Vorwurf kontert Wettingens Gemeindeammann Roland Kuster (CVP): «Die Aussage, dass einer der bei uns arbeitenden Polizisten ein Jugendfreund sein soll, entbehrt jeglicher Grundlage.»
Zuletzt kritisieren die Polizisten auch die Arbeitsweise bei der Regionalpolizei. «Es fehlt bei einigen schlicht und einfach am Berufsethos», sagt Rainer Klöti, der mehrere Jahre bei der Regionalpolizei gearbeitet hatte. «So sei zum Beispiel einmal ein Hotelzimmer durchsucht worden, obwohl hierzu nicht die Befugnis vorlag. «Als ein Polizist sich darauf beim Kommandanten beschwerte und ihm sagte, dass er so nicht arbeiten wolle, sei er prompt aufs Abstellgleis gestellt worden.
In einem anderen Fall wurde ein Mann um 5 Uhr morgens in seiner Wohnung in Polizeigewahrsam genommen. Im Rapport sei dann aber festgehalten worden, dass der Mann am Bahnhof Wettingen aufgegriffen worden sei. «Das hört sich besser an und sieht nach guter Polizeiarbeit aus.
Doch es geht doch nicht an, dass ein Polizist falsche Rapporte erstellt», sagt Klöti. Ganz abgesehen davon, sei es mehr als fraglich gewesen, ob die Inhaftierung überhaupt nötig war. «Aber dem besagten Vorgesetzten ist es wichtig, hohe Verhaftungszahlen vorweisen zu können – da sind ihm alle Mittel recht.»
All diese Fälle würden deutlich belegen, dass bei der Regionalpolizei Wettingen-Limmattal einiges im Argen liege. «Und dabei wird von oben alles gedeckt beziehungsweise unter den Teppich gekehrt.» Dass es offenbar Probleme beim Korps gibt, würden nicht zuletzt die Zahlen belegen. «Innerhalb von fünf Jahren hat es 22 Abgänge gegeben – bei einem Mannbestand von 31 Polizisten.»
Die restlichen Anfragen liess Gemeindeammann Roland Kuster bis gestern Abend unbeantwortet respektive verwies auf «laufende Verfahren».