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Dieses Jahr stellt Lorenzo Campana seinen Marronistand an der Badstrasse das letzte Mal auf. Dann will sich der 84-Jährige in seiner Tessiner Heimat zur Ruhe setzen.
Lorenzo Campana gehört bereits so lange zum Badener Stadtbild, dass er selbst nicht mehr so genau weiss wie lange schon. 2010 sagte er der az gegenüber, es seien 40 Jahre – als wir ihn jetzt wieder fragten, sind es bereits 50 Jahre. Eines kann man sicher sagen: Der 84-Jährige hat ungefähr sein halbes Leben lang Marroni an der Badstrasse verkauft. Jeweils im Oktober, wenn die Marronisaison beginnt, stellt er seinen Stand auf – früher verweilte er dann bis zu sechs Monate in der Bäderstadt. Diesen Dezember wird er seinen Stand nun zum letzten Mal aufstellen.
«Ich habe immer mit Freude Marroni verkauft», sagt Lorenzo Campana, «in meinem Alter ist der Beruf aber ein wenig mühsam. Ich werde alt und müde.» Über all die Jahre stand er täglich von zirka elf bis fünf Uhr in seinem Stand – ohne Stuhl. «Dann bin ich grösser», sagt er lachend. Dazu kommen noch das Auf- und Abbauen.
Seine Lebensfreude behält der sympathische Mann im blauen Mantel jedoch bei, egal wie kalt es ist. Er habe es immer leicht genommen. Gerne plaudert er mit seinen Kunden und erzählt seine Geschichten. Ein paar italienische Worte wie «Grazie Signora!» oder «Grüezi Maestro!» dürfen dabei auch nicht fehlen.
In den Sommermonaten kehrte Campana jeweils zurück zu seiner Frau ins Tessin. «Sie war froh, wenn ich im Winter nach Baden ging. Dann konnte ich sie nicht ärgern», meint er lachend. Was er im Tessin denn so macht? «Ferien», sagt er verschmitzt grinsend. Er gehe fischen mit einem Freund auf seiner «barca». In den Wintermonaten nimmt er sich dann ein Zimmer in Zürich und fährt täglich mit dem Auto nach Baden.
Was erlebt man alles, wenn man so viele Jahre immer auf dieselbe Strasse blickt? «Eigentlich nicht viel, dafür hatte ich aber auch nie Ärger. Ich bin eben ein Glückspilz», erzählt der gebürtige Tessiner mit einem Schmunzeln. «Höchstens mal ein paar Betrunkene, aber die kümmern mich nicht gross.» Baden sei sonst eine anständige und angenehme Stadt. Dies muss wohl der Grund sein, weshalb Lorenzo Campana seine Marroni ausschliesslich hier verkauft hat. Vermissen wird er es trotzdem nicht. «Ich habe gute und schlechte Zeiten erlebt», sagt er. Durch die Anstrengung mache es ihm jetzt aber nicht mehr so viel Freude wie früher.
Campana stand schon da, als sich die Migros noch in der Badstrasse befand. Zum Marroni-Verkauf kam er durch Zufall: Als Marktfahrer hat er angefangen. Damals habe er Crêpes verkauft. Da er keine Platzgebühr bezahlt hatte, kam er mit einem Polizisten ins Gespräch. Dieser brachte ihn auf die Idee, Marroni zu verkaufen. Kurz danach stieg er tatsächlich von Crêpes auf die braunen Nussfrüchte um und ist bis heute dabei geblieben.
Wie viel er einnimmt, interessiert ihn nicht so sehr. «Meine Marroni sind die billigsten in der ganzen Region Zürich und Baden», sagt er. Das Menschliche ist ihm wichtiger als Geld: Gerne verschenkt er auch mal ein Tütchen voll mit den Edelkastanien. Die Arbeit ist für ihn mehr wie ein Hobby. Wann der Verkauf am besten läuft, weiss er mit seiner jahrelangen Erfahrung natürlich trotzdem: im Oktober und im November. «Danach laufen die Leute herum wie gestört, weil sie nur noch an Weihnachten denken», sagt er. Er selbst isst täglich 100 bis 150 Gramm seiner Marroni. «Sie sind gesund und haben viele Vitamine.»
Und was bringt die Zukunft für den bescheidenen «Marronimaa»? Lorenzo Campana hat keinen genauen Plan. Im Tessin sei er noch Hauswart. Wahrscheinlich geniesst er seinen Ruhestand, seine Heimat und isst dazu seine tägliche Ration Marroni, wie er es all die Jahre über getan hat.