Bäderquartier
Sensationsfund bleibt für immer in der Erde – Kritiker sprechen von «unheiliger Allianz»

Baden sieht keine Möglichkeit, das Verenabad-Becken zu zeigen. Kritiker sagen, der Stadtrat sei im Finden von Gründen kreativ geworden. Der Stadtammann hingegen verteidigte den Entscheid.

Philipp Zimmermann, Pirmin Kramer
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Im Mai wurde das römische Verenabad-Becken freigelegt – die Euphorie ist verflogen.
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Das Becken beim nahe des Eingangs des ehemaligen Bäderhotels Verenahof wurde wieder zugeschüttet.
Beim Verenabad handelte es sich wie beim Freibad, das sich auch auf dem Kurplatz befand, um ein öffentliches Bad, wie auch beim Freibad.
Aus der Vogelperspektive: Der Kurplatz in Baden mit dem römischen Bassin vor dem «Verenahof» (unten rechts).
Noch ist der Kurplatz eine Baustelle – 2021 solld im traditionsreichen Quartier ein Bäderfest stattfinden. Im Bild das traditionsreiche Hotel Blume.
Der Kurplatz mit Verenabad (links) und Freibad: So sah der Maler Hans Ulrich Kern die öffentlichen Bäder unter freiem Himmel um 1800. Links der Staadhof, in der Mitte das Badgasthaus Raben, rechts die «Blume». - Bild: Schweizerische Nationalbibliothek
Der Badener Kurplatz mit dem Hotel Schweizerhof und dem Staadhof unter der Linde um 1900.
So sah der Kurplatz noch am 7. Juni 2013 aus.
Im November 2013 war bereits klar: Der Staadhof (hinten) wird abgerissen. Die Kurplatz-Linde musste auch weichen.
Erwacht bald aus dem Dornröschenschlaf: Das Badener Bäderquartier, hier noch mit dem «Staadhof» von 1969 (l.).

Im Mai wurde das römische Verenabad-Becken freigelegt – die Euphorie ist verflogen.

Severin Bigler

Vor vier Wochen verschwand das Becken des Verenabads wieder im Erdboden unter dem Kurplatz im Bäderquartier. Es handelte sich um eine Schutzmassnahme, damit die Witterung dem Sensationsfund vom Mai keinen Schaden zufügen kann. Im Raum stand aber weiterhin, ob der Fund langfristig einer breiten Öffentlichkeit gezeigt werden kann. Genau das war die Hoffnung der Stadt Baden. Sie rief deshalb eine Arbeitsgruppe mit diversen Fachexperten ins Leben. Ihr Auftrag: abklären, ob und unter welchen Rahmenbedingungen das Sichtbarmachen möglich ist.

Das Resultat liegt nun vor: Das Becken bleibt im Erdboden. Das entspricht der Empfehlung der Kantonsarchäologie. «Das Becken ist dort gut geschützt und nimmt keinen Schaden», sagt Kantonsarchäologe Thomas Doppler. Er stützt sich bei seiner Sicht auf das Gutachten eines Experten aus Avenches, der viel Erfahrung mit solchen Objekten habe, so Doppler.

«Es käme zu einem Treibhauseffekt»

Im Raum stand, das Becken mit einer Glasabdeckung auf dem Kurplatz sichtbar zu machen. «Es macht keinen Sinn, das Becken so zu zeigen», sagt Doppler. «Der ganze Untergrund beim Verenabad ist feucht.» In einem gläsernen Schaukasten würde sich zwangsläufig Feuchtigkeit sammeln. Durch die Kondensation würde man gar nichts sehen, erklärt er.

«Es käme wegen Feuchtigkeit und Wärme zu einem Treibhauseffekt. Es bräuchte laufend eine aufwendige Pflege, um das Algen- und Pflanzenwachstum zu verhindern.» Dagegen befänden sich die Überreste des Beckens unter dem Boden in einem stabilen klimatischen Gleichgewicht. «Dies gewährleistet eine langfristige Erhaltung dieses wertvollen Kulturerbes.» Genau dies fordert das Kulturgesetz.

Katrin Reimann war als stellvertretende Leiterin Planung und Bau der Stadt auch in der Arbeitsgruppe vertreten. «Eine gute Sichtbarkeit des Kulturguts im Erdboden bedingt eine möglichst schmutzfreie, glatte Klarglasscheibe.» Diese Anforderung sei, nebst der erforderlichen Tragfähigkeit von 42 Tonnen, nicht mit der nötigen Rutschfestigkeit für die Sicherheit von Fussgängern und Fahrradfahrern gegeben. Sie ergänzt, dass gerade im Bereich des Thermalwasservorkommens auch von einer Auskristallisierung von Mineralien wie Salzen, welche die Bausubstanz angreifen, auszugehen sei. «Die Sicherstellung des langfristigen Erhalts des Kulturerbes und dessen Sichtbarkeit ist auch mit aufwendiger Technik und sehr hohem Unterhaltsaufwand nicht gewährleistet.»

Funde im Kurplatz:

Im Bauschutt fand sich das Fragment einer Monumentalinschrift, die ehemals wahrscheinlich in einem Gebäude eingemauert war.
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Seit Frühling 2020 begleitet die Kantonsarchäologie die Leitungsarbeiten im Bereich des Kurplatzes in Baden.
Im Bauschutt fanden sich wiederholt steinerne Architekturfragmente, darunter Gesimse und Elemente von Altären.
Diese weisen darauf hin, dass hier der Abbruchschutt eines Kultgebäudes deponiert wurde.
Bei den Grabungen am Kurplatz kommen weitere historische Funde zum Vorschein.

Im Bauschutt fand sich das Fragment einer Monumentalinschrift, die ehemals wahrscheinlich in einem Gebäude eingemauert war.

Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Analoges Betrachten hinterlasse einen tieferen Eindruck

Die beiden FDP-Einwohnerräte Mark Füllemann und Stefan Jaecklin verlangten nach dem Fund in einer parlamentarischen Anfrage, dass Baden den Fund für die Öffentlichkeit sichtbar macht und vermarktet. Sie sprachen von einer «ausgezeichneten Marketingmassnahme». Vor der vergangenen Sitzung, an der die Anfrage beantwortet wurde, wurden die Einwohnerräte vorinformiert.

Mark Füllemann zeigte sich enttäuscht. «Es ist schade, dass der Stadtrat kreativ geworden ist im Finden von Gründen, warum man das Bad nicht sichtbar machen kann», kritisiert er. «Es ist eine unheilige Allianz derjenigen am Werk, die finden, es darf sich nichts ändern, und der Digital Natives, die finden, es reicht doch, wenn man das Bad mittels QR-Codes und Visualisierungen sehen kann.» Er und Jaecklin seien nach wie vor der Meinung, dass analoges Betrachten einen tieferen Eindruck hinterlasse als digitales Betrachten. «Die grosse Chance der kulturhistorischen Vermarktung ist leider vergeben worden. Die Konsequenz: Was 2000 Jahre ruhen durfte, wird weitere 2000 Jahre schlummern.»

Stadt prüft wie Funde sichtbar gemacht werden können

Stadtammann Markus Schneider (CVP) verteidigte dagegen den Entscheid. «Das Verrückte ist: In der kurzen Zeit, in der das Bad offen war, gab es wegen des einzigartigen Bodens und des feuchten Klimas bereits Algenbefall», erklärte er im Badener Parlament. «Wenn wir gewollt hätten, dass man es weiter anschauen kann, dann wäre die einzige Frage gewesen: Wann ist der Zeitpunkt, in dem es nicht mehr da ist? So gehen wir natürlich nicht mit Schätzen um.» Das Becken der Erde wieder zurückzugeben, sei die einzige Variante, dass das Becken für die Zukunft erhalten werden könne.

Die Stadt prüft nun, wie die Funde auf dem Kurplatz mit anderen Mitteln sichtbar gemacht werden können. «Wichtig für uns ist bei den Funden, dass wir die Geschichte darstellen können bei der Neugestaltung des Platzes», so Schneider.

Historische Fotos vom Bäderquartier:

Der Badener Kurplatz mit dem Schweizerhof und dem Staadhof, links hinter der Linde.
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Das Hotel Verenahof am Kurplatz, um 1900.
Das offene Verenabad in der Darstellung des Zürcher Malers Ludwig Vogel, 1820.
Der Freihof von der Limmat aus, um 1896 Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.209
Inhalatorium Limmathof, um 1899 Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.218
Ennetbaden um 1910 von der Schiefen Brücke aus Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.196
Ennetbaden um 1885 Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.203
Blick auf die Limmat, das Grand Hotel und Rieden um 1890 Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.78
Das Grand Hotel um 1890 Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.107
Die Terrasse des Grand Hotels um 1895 Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.60
Der Rolls Royce in der Garage des Grand Hotels um 1952 Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.453
Das Hotel Bären und die neue Dreikönigskapelle um 1890 Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.91
Der Speisesaal des Hotels Blume um 1900 Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.1143
Goldwand um 1911 Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.252
Kuranlage mit Trinkbrunnen um 1935 Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q. 12.1.33

Der Badener Kurplatz mit dem Schweizerhof und dem Staadhof, links hinter der Linde.

Historisches Museum Baden, Fotohaus Zipser, Q.12.1.954