Siggenthal
Jugendarbeit in der Pandemie: Siggenthal setzt auf Skatepark als Treffpunkt

Weil digitale Angebote keinen Ersatz darstellen, sollen sich Jugendliche trotz Corona physisch treffen können. Das Jugendnetz bietet dafür eine Möglichkeit.

Rahel Künzler
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Für einen Monat steht neben dem Jugendhaus in Obersiggenthal diese mobile Rollbahn von der Flying Metal GmbH.

Für einen Monat steht neben dem Jugendhaus in Obersiggenthal diese mobile Rollbahn von der Flying Metal GmbH.

Bild: zvg / Aargauer Zeitung

Ab heute steht ein gemieteter Pumptrack auf dem Schwimmbadparkplatz in Obersiggenthal bereit für Skatingbegeisterte. Der Rundkurs mit Wellen und Steilwandkurven direkt neben dem Jugend- und Kulturhaus Siggenthal (Jugs) ist für alle zugänglich – vorerst für einen Monat. Mit dem Angebot möchte das Jugendnetz Siggenthal nicht bloss zum Sporttreiben anregen, sondern einen coronatauglichen Treffpunkt für Jugendliche schaffen. Gerade in der Pandemie ist das besonders wichtig. Wimi Wittwer vom Jugendnetz sagt:

«Jugendliche brauchen Kontakte abseits von Schule und Elternhaus für ihre Entwicklung. Dass momentan alle Lokale geschlossen sind, trifft sie härter als Erwachsene. Sie haben keine ‹eigene Stube›, um Freunde einzuladen.»

Schon vor der Pandemie hätten Jugendliche und deren Eltern immer wieder den Wunsch nach einem Skatepark geäussert, sagt Jugendnetz-Praktikant und Projektorganisator Michael Hausherr. Dass das Skaten draussen stattfindet, habe dem Projekt eine grössere Planungssicherheit gegeben. Trotzdem sei es anstrengend, sich ständig über Schutzmassnahmen zu informieren und das Konzept dementsprechend anzupassen. «Man trägt die Verantwortung und muss den Jugendlichen gegenüber Polizist spielen», so Hausherr. Ursprünglich plante er, das Skatingangebot mit dem Jugendtreff zu verbinden und Jugendliche in einen Kioskbetrieb einspannen. Wegen Corona sei dies vorerst nicht möglich. Für Gespräche und falls etwas passiert, sei aber immer jemand von der Jugendarbeit vor Ort.

Jugendarbeiter: «Jugendarbeit ist Beziehungsarbeit»

Wimi Wittwer vom Jugendnetz Siggenthal.

Wimi Wittwer vom Jugendnetz Siggenthal.

Archivbild: Emanuel Per Freudiger

«Die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, gemeinsam Videospiele zu spielen oder Musik zu hören, ist der wichtigste Teil des Jugendtreffs», sagt Wittwer. Als Jugendarbeiter würde er sich oft zurückziehen und stehe bei Bedarf für ein Gespräch zur Verfügung. Als das Jugendhaus in Obersiggenthal im Januar und Februar geschlossen blieb, hätten sich Jugendliche in der Tiefgarage im Einkaufszentrum Markthof oder im warmen Bus getroffen. In dieser Zeit sei es dem Jugendnetz-Team schwergefallen, den Kontakt zu den Jugendlichen zu halten. Auf Aufrufe für Beratungsgespräche in den sozialen Medien hätten sich nur wenige gemeldet.

«Jugendarbeit ist Beziehungsarbeit. Ein Beratungsgespräch kommt erst zu Stande, wenn die Jugendlichen Vertrauen gefasst haben – und das braucht Zeit», sagt Wittwer. Zoom-Konferenzen seien nützlich für Business-Meetings, aber nicht für persönliche Gespräche. Hausherr ergänzt: «Sich für ein Beratungsgespräch anzumelden, braucht Überwindung. Es ist einfacher, sich bei einem Besuch im Jugendhaus ‹beiläufig› auf ein Gespräch mit einem Jugendarbeiter einzulassen.» Deshalb hätten sich Jugendliche nur in dringenden Fällen gemeldet.

Seit dem 1. März darf das Jugendhaus für den Treffbetrieb wieder öffnen. Durch Schutzmassnahmen wie Abstandhalten und Maske, die begrenzte Anzahl Personen in Innenräumen und das Verbot, Getränke und Esswaren herauszugeben, kämen weniger Jugendliche auf Besuch. Das Bedürfnis, über Sinn und Zweck von Schutzmassnahmen und die Folgen der Pandemie zu sprechen, sei besonders gross. Wittwer sagt:

«Vielen Jugendlichen fällt es schwer, das alles einzuordnen. Sie haben noch nicht so viele Erfahrungen wie die Erwachsenen gemacht und fragen sich: Ist das so, wie wir leben?»

Der Jugendarbeiter findet, dass der mediale Fokus stark auf Krankheit und Tod liegt. Die psychosozialen Folgen der Pandemie würden hingegen zu wenig thematisiert. Gerade davon seien Jugendliche besonders betroffen.