Stirbt ein Mensch bei einem Unfall, werden oftmals öffentliche Gedenkstätten errichtet. Ist diese Art der Trauer angebracht? Eine Seelsorgerin erklärt, dass es nach einem Todesfall kein «richtiges» oder «falsches» Trauern gibt
Vor etwas mehr als einem Jahr verlor ein 30-jähriger Motorradlenker bei einem Unfall an der Kreuzung Mellinger-/Täfernstrasse sein Leben. Dies, nachdem er mit einem Lieferwagen zusammengestossen war. Seither erinnern an der viel befahrenen Strasse Kerzen, Kreuz und Konterfei des Opfers an den tragischen Unfall.
Fährt man zum ersten Mal an der Unfallstelle vorbei, könnte man denken, der Unfall habe sich erst kürzlich ereignet. Denn die Gedenkstätte wird auch über ein Jahr nach dem Unfall gepflegt; manchmal sieht man auch trauernde Personen. Die öffentliche Gedenkstätte fällt auf. Dies umso mehr, als in unserer Gesellschaft die Trauer nach einem Todesfall eher im Privaten verarbeitet wird.
Trauerprozess kann lange dauern
Monika Lauper, katholische Spitalseelsorgerin am Kantonsspital Baden, sieht in solch öffentlichen Gedenkstätten nichts Aussergewöhnliches. Nach einem Todesfall gebe es kein «richtiges» oder «falsches» Trauern. «Die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen ist sehr individuell und auch kulturell geprägt», so Lauper. So würden zum Beispiel Nordeuropäer eher still trauern, während Südeuropäer einen Verlust viel emotionaler und ausgeprägter verarbeiteten.
Die Seelsorgerin findet auch nichts Spezielles daran, dass die Gedenkstätte an der Mellingerstrasse über ein Jahr nach dem Unfall immer noch gepflegt und von Trauernden aufgesucht wird. «Ein Jahr ist für einen Trauerprozess noch nicht sehr lang. Besonders wenn es sich um einen jüngeren Menschen handelt, der plötzlich und ohne Vorbereitung gestorben ist.»
Junge Menschen zeigen Emotionen
Gut möglich, dass die auffällige Gedenkstätte nicht bei jedem Betrachter auf Verständnis stösst. Monika Lauper hält fest: «Unsere schnelllebige Gesellschaft hat es nicht gern, wenn man zu lange trauert.» Überhaupt nehme die Vergänglichkeit in der heutigen Gesellschaft keinen grossen Platz mehr ein. «Früher gab es noch Kapellen; heute gibt es nicht mehr viele Orte, wo man innehalten und über die Endlichkeit des Lebens nachdenken kann.»
Mit der Gedenkstätte würden Angehörige und Freunde des Opfers eine Art Mahnmal gegen die Schnelllebigkeit der heutigen Gesellschaft setzen. Die Gedenkstätte zeige zudem, dass junge Menschen ihre Emotionen heute viel öffentlicher leben und die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen nicht zwingend für sich behalten, sondern miteinander teilen wollen, ist Lauper überzeugt.
Kanton schreitet nicht ein
Gerade an der viel befahrenen Mellingerstrasse stellt sich auch die Frage nach der Verkehrssicherheit. Denn nicht wenige Autolenker dürften für einen kurzen Moment abgelenkt sein, wenn sie die auffällige Gedenkstätte erblicken.
«Solange die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigt ist, intervenieren wir nicht», sagt Max Romann, stellvertretender Chef der Stadtpolizei Baden.
Der kantonale Kreisingenieur – die Mellingerstrasse ist eine Kantonsstrasse – Giuliano Sabato hält fest: «Aus Pietätsgründen greifen wir bei solchen Gedenkstätten nicht ein, solange sie den Verkehr nicht beinträchtigen.» Wenn eine Gedenkstätte aber nicht mehr gepflegt werde und verwahrlose, dann werde sie beseitigt, sagt Sabato.