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Bei der Wahl eines Hotels oder eines Restaurants gewinnen Online-Bewertungsportale an Bedeutung – so auch Tripadvisor. Die Plattform bietet Nutzern individuelle Erfahrungsberichte, doch die Betriebe in der Region zweifeln deren Glaubwürdigkeit auch an.
Vor kurzem meldete sich ein Wirt auf der Rigi im «Blick» zu Wort. «Was soll der Käse!», nervte sich der Pächter des Chalet Schild. Seine Wut richtete sich an Tripadvisor. Auf der Online-Bewertungsplattform stünden Behauptungen über sein Lokal, die nachweislich falsch seien. Eine Kritik versetzte ihn besonders in Rage. Am 22. November 2016 erschien folgender Eintrag: «Grimmige Wirtin. Sogar nach den Ferien sind die Besitzer noch unfreundlich.» Der Haken: Der Kommentar erschien während der Betriebsferien.
Mit fälschlichen Reaktionen hat auch Detlef F. Linder in seiner langen beruflichen Laufbahn Bekanntschaft gemacht. Der Geschäftsführer der Thermalquellen AG, zu der auch das Panoramarestaurant in Bad Zurzach gehört, mahnt trotz möglicher rufschädigender Kommentare zur Gelassenheit. «Eine Reaktion kann sofort eine Gegenreaktion auslösen, die unter Umständen noch negativere Folgen haben könnte.» Zu spüren bekam das der Wirt auf der Rigi, dessen Gang an die Öffentlichkeit auf wenig Verständnis stiess. Die Kommentare im «Blick» fielen vor allem auf ihn zurück.
Eine Studie der Fachhochschule Worms (D) schätzt, dass etwa ein Drittel der Bewertungen auf Portalen wie Tripadvisor unglaubwürdig ist. Das gilt nicht nur für die böswilligen Kritiken, sondern auch für die positiven und begeisterten. Entscheidend sei, die Bewertungen ernst zu nehmen und sie richtig einzuordnen, sagt Linder. «Wenn ein Lokal beispielsweise in die Jahre gekommen ist und der Gast deswegen das Ambiente kritisiert, dann wissen wir selber, dass es sich nicht um eine Abrechnung handelt, sondern der Besucher sich nicht wohlgefühlt hat.» Entsprechend schlage sich das in den Kommentaren nieder. Das Panoramarestaurant erhielt genau in diesem Punkt bis vor dem Umbau im vergangenen August wiederholt schlechte Bewertungen. «Seither hat sich die Zufriedenheit markant verbessert», sagt Linder.
Pro Jahr verzeichnet die touristische Drehscheibe im Bezirk Zurzach rund 100 000 Übernachtungen in Hotels und 70 000 in den Kliniken. Tourismusdirektor Peter Schläpfer nimmt die Befindlichkeit der Gäste von Berufs wegen genau unter die Lupe, auch von jenen, die sich auf den Online-Portalen äussern. Sein Fazit: «Die Leute, die bei uns Essen, übernachten oder in der Therme baden, sind mit unserem Service überwiegend zufrieden.» Auf den grossen Reiseportalen schneiden die Hotels, Restaurants und das Thermalbad fast ausschliesslich positiv ab.
Und wie gehen Hotels und Restaurants in Baden mit den Vergleichsplattformen um? Eine Umfrage zeigt: Viele sehen im Bewertungsportal sowohl Chancen als auch Risiken. So auch der Geschäftsführer des Atrium Hotels Blume, Patrik Erne: «Ich habe etwas Mühe mit Tripadvisor. Denn auch Personen, die nicht bei uns zu Gast waren, können eine Bewertung abgeben.» Deshalb gebe die «Blume» der Plattform nicht allzu grosses Gewicht. Nichtsdestotrotz antwortet das Management jedem einzelnen Nutzer, der eine Bewertung hinterlässt. «Egal ob der Kommentar positiv oder negativ ist, wir reagieren immer», sagt Erne. Oftmals würden konstruktive Bewertungen auch eine Chance zur weiteren Verbesserung der eigenen Leistungen und Angebote bieten.
Auch Lorenz Diebold, Direktor des Limmathofs Baden, findet die Glaubwürdigkeit von Tripadvisor nicht immer ideal. Ihm sei ein direktes Feedback, auch mündlich vor Ort, viel lieber. Doch: «Bewertungsplattformen sind heute nicht mehr wegzudenken.» Deshalb sei es wichtig, dabei zu sein und sie zu bewirtschaften. Genau wie die «Blume» geht auch der «Limmathof» auf jede Bewertung ein. Das sei zum einen fair dem Gast gegenüber, zum anderem helfe es dem Hotel, die Punktzahl hochzuhalten, sagt Diebold.
Das Trafo Hotel geht vor allem auf negative Kritik ein, wie Direktor Erik Roedenbeck sagt. Wenn anhand des Nutzernamens ausserdem ersichtlich sei, wer den Kommentar verfasst habe, schreibe man den Gast auch noch persönlich an. Zwar würde Tripadvisor nicht die Realität widerspiegeln, dennoch nutzt das «Trafo» die Rückmeldungen, um Massnahmen zu ergreifen. «Die meisten kritischen Stimmen betreffen die Infrastruktur, auf die wir nicht gross Einfluss nehmen können», sagt Roedenbeck. Doch Kritiken zu Service oder anderen Leistungen nehme man gerne auf. Beispielsweise sei das Frühstück in der Anfangsphase nicht inbegriffen gewesen. «Das kam bei einigen Gästen nicht gut an. Wir schritten ein und änderten es», erklärt Roedenbeck.
Der «Limmathof» reagiert auf negative Kritik, indem die Bewertung analysiert, dem Gast etwa Hilfe oder eine «Wiedergutmachung» angeboten werde, sagt Direktor Diebold. «Wir besprechen die Fehler intern und sorgen dafür, dass sie nicht mehr vorkommen.» Zum Glück habe man aber mehrheitlich positives Feedback auf Tripadvisor. «Wenn man gut arbeitet, hat man nichts zu befürchten.»
Bei den angefragten Badener Restaurants zeigt sich: Sie bewirtschaften die Kommentare auf der Bewertungsplattform unterschiedlich. Das «Piazza» am Theaterplatz etwa geht auf jede Rückmeldung ein. «Klar, Tripadvisor hat seine Tücken. Doch ich fände es falsch, es einfach zu ignorieren und nicht Stellung zu nehmen», sagt Pächterin Romina Ettisberger. Denn viele Kunden würden sich aufgrund der Bewertungen auf dem Portal eine Meinung bilden. «Deshalb ist es wichtig, mit der Zeit zu gehen und die Rückmeldungen ernst zu nehmen. Sind die Einträge positiv, freuen wir uns umso mehr», sagt sie. Wie «Limmathof»-Direktor Diebold sucht Ettisberger auch lieber den persönlichen Kontakt mit den Gästen. «Auf diese Weise kann ich gezielt nach der Kritik fragen und daraufhin versuchen, den Mangel zu verbessern.»
Ganz anders sieht es beim «Isebähnli» aus, das mit 4,5 Punkten die Restaurantliste in Baden anführt. «Ich habe per Zufall erfahren, dass wir auf Trip-advisor sind», sagt Pius Bieri, der gemeinsam mit Jean-Michel Vionnet das Restaurant führt. Man habe sich bisher nicht gross um die Bewertungen gekümmert – auch, weil die Kritiken positiv seien. Im Gegensatz zum Restaurant Piazza reagiert das «Isebähnli» nicht auf die Bewertungen. «Wir sind seit 25 Jahren erfolgreich. Diese Erfahrung ist mir wichtiger als die Meinung im Internet», sagt Bieri. Auch stelle man die Auszeichnung als bestes Restaurant von Baden, die man von Tripadvisor erhalten habe, nicht im Lokal aus: «Ich weiss ja nicht, wie seriös überhaupt Tripadvisor ist.»
Der Gastgeber des Restaurants Rose, Urs Eggenschwiler, nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt, Tripadvisor sei unseriös. Denn meistens würden nur die Gäste einen Kommentar verfassen, die etwas zu bemängeln hätten. «Zufriedene Gäste äussern sich kaum.» Die «Rose» antwortet nicht auf Beiträge. «Die Kritik lese ich aber trotzdem und versuche, wenn möglich auf sie einzugehen», sagt Eggenschwiler. So ist nun auf der Strassentafel bei der Käseschnitte der Zusatz «mit Schinken» vermerkt, nachdem sich eine Vegetarierin auf Tripadvisor beschwert hatte.