Mellingen
Sommerterrasse erhitzt die Gemüter: Noch während Testphase ist von einer Hetzjagd die Rede

Die zweimonatige Testphase einer Beiz an der Reuss sorgt in Mellingen für Gesprächsstoff. Grund dafür ist das Abstimmungsverhalten an der Gemeinderatssitzung und die Vergabe selbst. Gegner wie Befürworter sprechen von Hetzjagd.

Andreas Fretz
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Ein lang gehegter Wunsch vieler Mellinger: Seit dem 20. Juni wird am Reussufer eine Sommerterrasse betrieben.

Ein lang gehegter Wunsch vieler Mellinger: Seit dem 20. Juni wird am Reussufer eine Sommerterrasse betrieben.

Severin Bigler

Es ist anzunehmen, dass Mellingens Gemeinderäte an ihrer ersten Sitzung nach den Ferien lieber über ihre Urlaubserlebnisse statt über die Sommerterrasse an der Reuss gesprochen hätten. Doch ebendiese steht derzeit im Fokus. Seit dem 20. Juni betreibt Claudia Lindauer, Wirtin der Gadestube zum Scharf Eck, auf der Rasenfläche zwischen Iberg und Alterszentrum eine Sommerterrasse. Vom Gemeinderat wurde Ende Mai eine zweimonatige Testphase mit Auflagen bewilligt. «Es ist ein lang gehegter Wunsch vieler Mellinger und Gäste, dass beim Reussufer eine Sommerbeiz betrieben werden soll», hiess es damals.

Hätte Gemeinderat Fessler in Ausstand treten müssen?

Die Sommerbeiz erfreut sich grosser Beliebtheit. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Streitpunkt und sorgte in den letzten Wochen für reichlich Gesprächsstoff im 5800-Einwohner-Ort. Als der Gemeinderat die Testphase bewilligte, war Gemeinderat Roger Fessler (SVP) nicht in den Ausstand getreten, das sei heikel, schrieb der «Reussbote» in einem Artikel.

Denn Fesslers Frau arbeitete in der Gadestube zum Scharf Eck. Bestand also für Fessler ein Interesse, die Bewilligung für die Sommerterrasse zu erteilen? Fessler entgegnet im «Reussbote», dass seine Frau nur bis zum Lockdown in der Gadestube arbeitete und seit Februar bis auf weiteres keinen Lohn mehr beziehe. Gemeindeammann Bruno Gretener (FDP) sagt gegenüber der AZ: «Ich vertrete die Position, dass kein Grund für eine Ausstandspflicht vorhanden war.» Ob der Entschied des Gemeinderates ohne die Stimme Fesslers anders ausgefallen wäre, kann Gretener nicht verraten: Die Diskussion sowie das Abstimmungsverhalten an der Gemeinderatssitzung sind gemäss Gemeindegesetz nicht öffentlich.

Das Thema sorgt in den sozialen Medien jedenfalls für hitzige Diskussionen mit Argumenten, die auch unter die Gürtellinie gehen. Eine Gegnerin der Sommerterrasse sagt, Gemeinderat Fessler wiegle gegen sie auf und lösche auf Facebook kritische Kommentare. Wirtin Claudia Lindauer wiederum sagt: «In der Zwischenzeit durchlaufe ich eine richtige Hetzjagd gegen mich in Mellingen, weil die Gegner nicht möchten, dass ich als Zugezogene solch eine Sommerterrasse bewirtschafte. Leider hat es doch starke Gegner. Pontoniere, ‹Reussbote›, Besitzer und Pächter anderer Restaurants.»

Dass Lindauer bei der Vergabe bevorteilt wurde, verneint Gretener. Es habe in vergangenen Jahren zwar schon Anfragen für eine Sommerbeiz gegeben. «Aber als der Gemeinderat ein Konzept verlangte, wurde nie eines eingereicht.» Insgesamt gebe es viele positive Rückmeldungen zur Sommerterrasse und einige wenige stören sich daran, so der Ammann. Lindauer sagt: «Viele Gäste befürworten unser Projekt mit Unterschriften, um aufzuzeigen, wie wichtig unsere Sommerterrasse als Treffpunkt ist.» Seit dem Bestehen der Terrasse haben gemäss «Reussbote» und Gretener Littering, Alkohol- und Drogenkonsum auf der Wiese markant abgenommen.

Gemeinderat wird nach Testphase Bilanz ziehen

Wie und ob es nach der Testphase weitergeht, scheint derzeit noch völlig offen. Der Gemeinderat will vorerst die Zeit bis zum 20. August abwarten, ehe er ein Fazit zieht. Klar ist, dass ein regelmässiger, mehrjähriger Betrieb eine Baubewilligung benötigt. Die klar beschränkte Testphase von zwei Monaten war aufgrund der Bauverordnung allerdings möglich.

«Wir werden danach in aller Ruhe über die Bücher gehen», kündigt Gretener an. Ob es in Zukunft eine Ausschreibung geben wird, kann er noch nicht sagen. Das Bedürfnis nach einer Sommerbeiz scheint vorhanden, die Art der Umsetzung ist eine andere Frage.