Mülldeponie
Sondermülldeponie: Untersiggenthal hat ein kleines «Kölliken»

Blaue Erde, Bagger, Arbeiter einer Entsorgungsfirma in weissen Schutzanzügen – auch in Untersiggenthal gibt es ein kleines «Kölliken». Die Deponie Schiffmühle Süd wird saniert. Der Kostenteiler dafür ist noch nicht geregelt.

Roman Huber
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Von aussen her wird die Deponie Schiffmühle Süd ausgehoben, das Material auf die Verschmutzung und deren Grad gemessen, sortiert, allenfalls zugedeckt und dann abtransportiert. Roman Huber

Von aussen her wird die Deponie Schiffmühle Süd ausgehoben, das Material auf die Verschmutzung und deren Grad gemessen, sortiert, allenfalls zugedeckt und dann abtransportiert. Roman Huber

Roman Huber

«Riechen Sie es auch schon?» Hanspeter Schneider, Präsident des Quartiervereins Bauhalde-Schiffmühle, hebt die Nase in die Luft und sagt unmissverständlich: «Das stinkt ziemlich.»

Bauleiter Roland Burkhalter von der Entsorgungsfirma Eberhard meint zwar, es sei die Gülle vom benachbarten Acker, die so stinke.

Beim Rundgang auf dem einstigen Deponiegelände Schiffmühle Süd lässt sich das Übel rasch per Auge erahnen. Eine leuchtend blaue Schicht mit Produktionsabfällen zieht sich durch die entblösste Böschung.

Gefahr für Grundwasser hätte bestanden

Und beim genauen Hinschauen kommt einiges an Gerümpel dazu, von Metallstücken bis zu Autopneus, die zum Vorschein gekommen sind.

«Da wurde alles runtergeschmissen», so hat es Schneider von einem alten Anwohner gehört. «Muesch es nur es bitzeli zuedecke», habe es jeweils geheissen.

Heute, mehrere Jahrzehnte später, läuft die Sanierung auf Hochtouren. Von rund 10 000 Tonnen Material, das fachgerecht entsorgt werden muss, ist bereits die Hälfte weg. «Alles läuft nach Plan», sagt Burkhalter.

Er spricht von einer Sanierung, wie sie eben bei alten Deponien üblich sei. Die Kosten werden mehrere Millionen Franken betragen. «Eine einstellige Millionenzahl», fügt Burkhalter hinzu.

Es seien einige Telefonanrufe bei der Gemeinde eingegangen, weiss Untersiggenthals Tiefbauchef Urs Zumsteg.

Dass da Leute in weissen Schutzanzügen herumgehen, habe vereinzelt zu Verunsicherung geführt. Peter Furrer, der verantwortliche Ingenieur der Sanierung von der BMG Engineering AG, kann jedoch beruhigen: «Für die Bevölkerung in der Umgebung besteht keine Gefahr.»

Gefahr hätte indes für den Grundwasserstrom im Siggenthal längerfristig doch bestanden, wenn die Sanierung jetzt nicht durch die heutige Eigentümerin des Fabrikareals, die Schiffmühle Immobilien AG, an die Hand genommen worden wäre.

Vor rund 10 Jahren entdeckt

Die zunehmende Konzentration von Chromaten im Grundwasser habe den Anlass zu einer Sanierung gegeben, erklärt Furrer.

Das gut lösliche Chromat sei darum problematisch, weil es leicht ausgeschwemmt und damit ins Grundwasser gelangen könne.

Weil aber die nächste Trinkwasserfassung knapp zwei Kilometer entfernt sei, gilt die Sanierung im offiziellen Wortlaut zwar nicht als dringlich, müsse aber trotzdem rasch angegangen werden.

Wichtig sei, dass die Verunreinigung des Grundwassers gestoppt werden könne, sagt Zumsteg. Ist die Deponie saniert, dann würden sich die Werte langsam verbessern.

Nebst Chromaten wurden in dieser Deponie auch quecksilberhaltige Produktionsabfälle deponiert. Vor rund 10 Jahren entdeckte man an der Oberfläche Deponiematerial, sodass das landwirtschaftlich genutzte Areal unverzüglich eingezäunt wurde.

Das augenfällige blaue Material sei eher unproblematisch, schildert Furrer. Bei der blauen Verfärbung des Gipses handelt sich um einen stabilen, cyanidhaltigen Farbstoff, sogenanntes Berliner Blau, wie man es laut Furrer in chemischen Fabriken für verschiedene Prozesse verwendet habe.

Weil es einzelne Schadstoffe doch in sich hätten, sei die Entsorgung nicht so einfach, sagt Burkhalter. Chromathaltiges Material landet in einer Untertage-Deponie in Deutschland.

Quecksilber wird bei 800 Grad verbrannt

Das quecksilberhaltige Material wird laut Furrer in thermischen Anlagen bei Temperaturen zwischen 600 und 800 Grad verbrannt, aufbereitet, damit es anschliessend verwertet werden kann. Die entstehenden Rauchgase werden gereinigt und die Filterasche mit den Schadstoffen ordnungsgemäss in einer Untertage-Deponie entsorgt.

Wer die Zeche dafür bezahlt, wird derzeit noch ausgehandelt. Als Verursacherin kann die Elektrochemie Turgi AG nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden, weil es die Firma nicht mehr gibt. Als Eigentümerin des Fabrikareals ist die Schiffmühle Immobilien AG Rechtsnachfolgerin.

In der Rechtslegung spricht man vom Handlungs- oder Verhaltensstörer und vom Zustandsstörer.

Wie weit für die Giftstoffe die Rechtsnachfolgerin (Schiffmühle Immobilien AG) altlasten-rechtliche Kostenpflichten zu übernehmen hat, auch wenn sie weder Verursacherin ist noch das Areal selber nutzen will, muss gerichtlich geklärt werden. Auch die Gemeinde könnte es mit einem Kostenanteil treffen.

Sanierung Deponie Bauhalde steht an

1995 startete der Kanton die Untersuchung der Altlasten in Untersiggenthal. Im Gebiet Bauhalde/Schiffmühle wurden drei Deponien geortet. Bei der Deponie Schiffmühle (Fussballplatz Bauhalde), wurden 1999 Bodengase (chlorierte Kohlenwasserstoffe) festgestellt.

Der Spielplatz wurde für mehrere Jahre gesperrt. Das Material wurde nicht entsorgt, sondern die Deponie abgedichtet mit Kies und einer Humusschicht. Damit wurde ein Ausschwemmen verhindert.

Die Kosten haben die Gemeinden Unter- und Obersiggenthal als Grundeigentümer übernommen. Die Deponie Bauhalde tangiert das Wohnquartier.

Dort lagern vornehmlich Schwermetalle, insbesondere Giessereisand der Firma Oederlin. Eine Sanierung steht laut Aussagen der Gemeinde auch dort an.