Baden
Songcircle: «Das Live-Erlebnis ist durch nichts zu ersetzen»

Das Publikum ist hungrig auf Live-Events – die Spezialausgabe der Reihe Songcircle im Hof des Badener Merker-Areals ist bis auf den letzten Platz ausverkauft – trotz Maskenpflicht und Gluthitze.

Ursula Burgherr
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Outdoor-Songcircle in Baden
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Outdoor-Songcircle im Merker-Areal Mit Hendrix Ackle (r.), Adrian Stern (l.) und prominenten Gästen.
Outdoor-Songcircle im Merker-Areal Adrian Stern und Soulsängerin Alina Amuri.
Outdoor-Songcircle im Merker-Areal Adrian Stern begrüsste zum "Maskenball".
Outdoor-Songcircle im Merker-Areal Alina Amuri war in ihrem sonnengelben Kleid nicht nur der Eyecatcher des buntgemischten Quintetts, sondern sorgte mit samtigen Timbre und ihrer ganz ureigenen Version von «Feel Good» für Hühnerhautmomente.
Outdoor-Songcircle im Merker-Areal Alina Amuri.
Outdoor-Songcircle im Merker-Areal Alina Amuri mit einer Hommage an ihr grosses Vorbild Nina Simone.
Outdoor-Songcircle im Merker-Areal Ellas-Frontfrau Jorina Stamm berührte das Publikum mit ihrer ganz eigenwilligen melancholischen Stimme zu Songs von Joni Mitchell und Holly Homberstone.
Outdoor-Songcircle im Merker-Areal Robbie Hacaturyan und Alina Amuri.
Outdoor-Songcircle im Merker-Areal
Outdoor-Songcircle im Merker-Areal

Outdoor-Songcircle in Baden

Badener Tagblatt

Bei 34 Grad wird der Platz vor dem Restaurant Spedition im Badener Merker-Areal zum Backofen. Rund 270 Leute fächeln sich Luft zu. Sobald sie in den Zuschauerrängen sitzen, müssen sie Masken tragen. «Herzlich willkommen zum Maskenball», meint Adrian Stern als er mit seinem Songcircle-Compagnon Hendrix Ackle und den Gästen des Abends die Bühne betritt. Dieser fügt charmant hinzu: «Ihr seht trotzdem schön aus.»

Sämtliche geplanten Ausgaben des Erfolgsformats Songcircle, das normalerweise unter dem Label «Endlich Mittwoch!» in der Stanzerei stattfindet, mussten wegen Corona gecancelt und auf nächstes Jahr verschoben werden.

Der einzige grosse Konzertanlass dieses Sommers auf der Badener Agenda hätte nicht stattfinden können, wenn die Schwestern Nathalie und Mylen Yang (Frau von Adrian Stern) ihn nicht mit einem Freiwilligenteam in Eigenregie organisiert hätten. «Wir wollen die regionale Szene unterstützen, jetzt wo alles weggebrochen ist», meinen die zwei. Die Organisation sei wegen der Einhaltung der Sicherheitsmassnahmen extrem aufwändig gewesen.

Das Publikum verhält sich vorbildlich. Längst haben alle ihre Masken dabei und setzen sie sofort auf, wenn der nötige Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann.

Buntgemischtes Quintett zieht die Zuschauer in Bann

Gäste hätten Ackle und Stern bei der momentan vor sich hindümpelnden Konzertsaison bestimmt Hunderte einladen können. Die Auswahl fiel schwer. Den Zuschlag bekamen die im Kongo geborene und in Zürich aufgewachsene Soulsängerin Alina Amuri, Ellas-Frontfrau Jorina Stamm aus Brugg und der in Untersiggenthal lebende Percussionist Robbie Hacaturyan.

Das Motto des Songcircles ist trotz der Ausnahmesituation geblieben: Alle Künstlerinnen und Künstler sitzen im Kreis, singen sich gegenseitig ihre Lieblingssongs vor und erzählen, was sie damit verbindet. Jorina Stamm, deren Debüt- Album-Veröffentlichung mit anschliessender Release-Tour wegen Covid 19 ins Wasser fiel, berührt das Publikum mit ihrer ganz eigenwilligen melancholischen Stimme zu Songs von Singer-/Songwriter Ikone Joni Mitchell und der jungen britischen Sängerin Holly Homberstone.

Alina Amuri ist in ihrem sonnengelben Kleid nicht nur der Eyecatcher des buntgemischten Quintetts sondern sorgt mit samtigen Timbre und ihrer ganz ureigenen Version von «Feel Good» auch für Hühnerhautmomente. Es ist eine Hommage an ihr grosses Vorbild Nina Simone.

Robbie Hacaturyan zuzusehen, wie er auf der Bühne seine riesige «Percussion-Küche» bearbeitet, reisst mit. Der Instrumentalist, der unter anderem in Bands von Marc Sway und Seven spielt, ist nicht so stimmstark wie der Rest der Truppe.

Deshalb wählt er «The Message», einen Ur-Rap aus den Achtzigern Jahren, und vermag das schweissüberströmte Publikum zum Mitmachen zu animieren. Hacaturyan, Sohn eines Armeniers und einer Italienerin, weilte als Musikethnologe lange in Kuba. «Ich habe noch nie so viele alte Menschen tanzen sehen, wie dort», sagt er, bevor er zu einem traditionellen Salsa ansetzt.

Adrian Stern musste wegen des Lockdowns einen Grossteil seines neuen Albums im kleinen Homestudio in Baden produzieren. Das hat ihn zu Songs mit Tiefgang inspiriert. «Sorge» zum Beispiel. Ein ironisch-witziges Lied über die kleinen Leiden des Alltags von Herr und Frau Schweizer, die eigentlich gar keine sind. Ob die in vielfältiger Weise existenziell bedrohende Corona-Phase daran wohl etwas ändert?

Hendrix Ackle taucht den Hof im Merker-Areal mit seiner Version von Gianmaria Testas «Polvere di gesso» nochmals in tiefes und ergriffenes Schweigen. «Perché quando c’é una porta aperta» – «wenn es eine offene Türe gibt», heisst es darin. Und auf eine Öffnung für die Kulturszene hoffen natürlich alle.

Besucher wünschen sich Fortsetzung

«Künstlerinnen und Künstler wurden während der Corona-Zeit sehr kreativ mit Auto- und Online-Konzerten», meinen die Yang-Schwestern, «doch das Live-Erlebnis ist durch nichts zu ersetzen.»

Nach dem Konzert äussern viele Besucherinnen und Besucher den Wunsch nach einer Fortsetzung des Outdoor-Songcircles: «Wir haben noch kein weiteres Projekt, wollen aber nach dem Erfolg unseres Erstlings nichts ausschliessen».