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Immer mehr Häuserbesitzer wollen auf ihrem Dach Sonnenkollektoren anbringen. In einem aktuellen Fall intervenierte die Gemeinde, weil die Kollektoren nicht wie im Baugesuch angegeben montiert wurden. Der Bauherr spricht von "Hohn".
Der Ärger sitzt tief bei Renate Burkhardt. Zusammen mit ihrem Mann wohnt sie seit Anfang Jahr an der Rebbergstrasse in Ennetbaden, wo drei neue Terrassenwohnungen entstanden sind. «Auf dem obersten Haus haben wir Sonnenkollektoren montiert und diese auf 45 Grad gestellt, da laut Auskunft des Herstellers die Energieeffizienz so am grössten ist», sagt sie.
Doch die Gemeinde intervenierte, denn die Kollektoren wurden nicht so montiert, wie sie im Baugesuch eingegeben wurden. «Ursprünglich war geplant, die Kollektoren in einem Winkel von 30 Grad zu montieren», sagt der ausführende Architekt Jürg Saxer. Doch weil sich mit einem Winkel von 45 Grad rund ein Fünftel mehr Energie gewinnen lasse, habe man sich entschieden, die Kollektoren steiler zu stellen. «Auf frühere Erfahrungen konnte ich nicht zurückgreifen, weil ich bis anhin nur Kollektoren auf Schrägdächern geplant habe», erklärt Saxer. «Das Gebäude entspricht in seinem Ausmass ganz genau den Eingabeplänen! Nur der technische Aufbau nicht», so der Architekt.
«An den etwas zu hohen Kollektoren störte sich eine Nachbarin, worauf sie bei der Gemeinde intervenierte», sagt Saxer. In der Folge reichte der Architekt bei der Gemeinde ein Nachtragsbaugesuch ein – dieses wurde jedoch abgelehnt. «Ja, die Kollektoren mit ihren Alu-Rahmen fallen vor allem am Anfang ins Auge», räumt Saxer ein. Doch es wäre zum Beispiel denkbar gewesen, die Kollektoren ein wenig zu kaschieren. Nun musste Saxer respektive Renate Burkhardt die Kollektoren wieder zurückbauen. Darüber hinaus wurde den Eigentümern noch eine Busse von 500 Franken aufgebrummt.
«Zusammen mit den Verfahrenskosten und den Kosten für den Rückbau ergeben sich rund 5000 Franken», sagt Saxer. Doch der Architekt stört sich vor allem daran, dass die Gemeinde offensichtlich Aspekte der Optik höher gewichte als Energieeffizienz-Überlegungen. Und dies obwohl Ennetbaden seit fünf Jahren stolzer Träger des Energiestadtlabels sei.
«Zudem hat die Gemeinde das Energiegesetz diesen Frühling mit dem kantonsweit zweithöchsten Anteil angenommen. Für mich passt das nicht zusammen.» Eigentümerin und Bauherrin Renate Burkhardt ist überzeugt: «Die Gemeinde will an uns ein Exempel statuieren.» Wie sonst lasse sich erklären, dass den Behörden die Ästhetik so viel wichtiger sei als die Energieeffizienz – und das, obwohl sich Ennetbaden mit dem Label «Energiestadt» schmücke. «Das ist für uns ein Hohn.»
Gemeinderat und Hochbau-Vorsteher Jürg Braga (FDP) bringt zwar ein gewisses Verständnis für den Ärger der Bauherren auf, betont aber: «Fakt ist, es wurde nicht so gebaut, wie es ursprünglich eingegeben worden war, worauf prompt eine Beschwerde gegen die Anlage bei uns einging.» Deshalb habe der Gemeinderat nach intensiven Diskussionen auch mit der Baukommission entschieden, die Kollektoren müssten zurückgebaut werden. Einen Widerspruch zum Energiestadtlabel ortet Braga nicht. «Sie können mit Dutzenden von Experten reden, jeder sagt Ihnen etwas anderes.» So hätten mehrere Fachstellen dargelegt, dass auch mit einem flacheren Winkel fast gleich viel Energie gewonnen werden könne. Und sowieso: «Im Sommer wird meistens mehr Energie gewonnen, als gebraucht respektive gespeichert werden kann.»
Ganz sicher habe man beim vorliegenden Fall kein Exempel statuieren wollen. Im Gegenteil: Gerade weil Ennetbaden das Energiestadtlabel trage, wolle man die erneuerbaren Energie fördern. «Doch unsere Hanglange ist sehr exponiert, weshalb auch die Ästhetik eine wichtige Rolle spielt», sagt Braga. Weil davon auszugehen sei, dass in Zukunft immer mehr Sonnenkollektoren gebaut werden, sei die Gemeinde derzeit daran, genaue Richtlinien auszuarbeiten. «Darin soll auch festgehalten werden, aus welchen – idealerweise nicht reflektierenden – Materialien die Kollektoren bestehen sollten.»
Dass der Gemeinderat in Sachen Sonnenkollektoren aktiv wird, hängt massgeblich mit der Gründung des Komitees «Solar ja – aber nicht so!» zusammen. Dieses wurde aus dem aktuellen Anlass beziehungsweise wegen des hier beschriebenen Nachtragsbaugesuchs gegründet. «Bei unserem Komitee handelt es sich um eine Gruppe betroffener Ennetbadener», sagt Gründungsmitglied Urs Cipolat. «Wir alle sind grundsätzlich für Solaranlagen und Solarenergie. Was wir aber nicht wollen, ist ein Wildwuchs irgendwelcher Anlagen auf den Dächern unserer Gemeinde.» Das Komitee «Solar ja – aber nicht so!», das aus rund 15 Mitgliedern besteht, befürworte deshalb klare baurechtliche Richtlinien betreffend Solaranlagen. «Wir haben den Gemeinderat aufgefordert, solche Richtlinien zu erlassen.»
Urs Cipolat hält weiter fest: «Die Umsetzung einer fortschrittlichen Energiepolitik in den Wohnquartieren Ennetbadens – die wir alle sehr begrüssen – darf nicht im rechtsfreien Raum stattfinden und so das öffentliche Interesse an einem intakten Ortsbild gefährden.» Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit sowie zum Schutz des Ortsbilds müssten deshalb aus Sicht des Komitees klare Anforderungen und Qualitätsstandards betreffend Solar- und Photovoltaikanlagen definiert werden, insbesondere was Flachdächer betreffe.