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Ein Freundschaftsspiel auf der Esp musste noch vor dem Halbzeit abgebrochen werden – und ein Spieler landete mit einer Fraktur im Spital. Wie es dazu kam, war beim Prozess in Baden umstritten.
An einem Sonntagabend im März 2017 dribbelten und rannten, stürmten und verteidigten auf der Esp in Fislisbach 22 Kicker um Sieg und Ehre. Es wurde auch gefoult, was zur Folge hatte, dass zwei der Mittelfeldspieler dieser Tage in Baden vor Einzelrichter Bruno Meyer sassen. «Sozusagen zwei Shaqiris», hielt der zu Beginn der Verhandlung schmunzelnd fest. Tatsächlich hatten zwei albanische Clubs – einer aus der vierten, der andere aus der fünften Liga – ein Freundschaftsspiel ausgetragen. Selbiges hat der Bezeichnung allerdings keine Ehre gemacht, weshalb der Schiri es in der 44. Minute abgepfiffen hatte.
Zu dem Zeitpunkt war der 5.-Liga-Club 1:0 in Führung, und dessen rechter Mittelfeldspieler Agron (alle Namen geändert) hatte ein blutiges Gesicht. Im Spital wurde eine Orbitalbodenfraktur, also ein Durchbruch des Augenhöhlenbodens zur Kieferhöhle, diagnostiziert. Eine Woche war der 31-Jährige arbeitsunfähig. In dieser Zeit erstattete er bei der Polizei Anzeige: Enver, der Captain der gegnerischen Mannschaft, habe ihn mit einem rechten Haken k.o. geschlagen.
Per Strafbefehl wurde Enver wegen einfacher Körperverletzung sowie Widerhandlung gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 9900 Franken bedingt und 2000 Franken Busse verknurrt. Wobei – die Staatsanwältin hatte nicht etwa Envers Faust als Waffe eingestuft. Vielmehr hatte der dreifache Familienvater online eine Laserzielvorrichtung erworben gehabt. «Ich dachte, es sei ein Feldstecher, wie ich ihn gerne mitnehme, wenn ich mit meinem ältesten Sohn wandern gehe», so der 38-Jährige. Diesen Punkt im Strafbefehl akzeptierte er. Die Körperverletzung hingegen wies er von sich.
So sass er denn als Beklagter mit seinem Anwalt vor dem Richter. Der hatte auch Agron als Opfer und Auskunftsperson vorgeladen. Logo, dass sich die beiden keines Blickes würdigten und ihre Aussagen weit auseinanderdrifteten. Einig waren sie sich immerhin darin, dass das Spiel von Anfang an «heftig und aggressiv» gewesen, dass man «richtig zur Sache gegangen» sei. Unbestritten war ebenfalls, dass der Ellbogen-Check eines Gegners Agron in die Knie gezwungen hatte. «Als ich aufstehen wollte, packte der Captain der anderen Mannschaft mich an den Haaren und knallte mir die Faust ins Gesicht», führte Agron aus.
«Als ich Nachschau hielt, was los war, lag Agron blutend auf dem Boden, was eindeutig vom Foul kam. Ich habe noch nie jemanden geschlagen und werde es auch nie tun», so Enver.
Wie Richter Meyer feststellte, hatte die Untersuchung ebenso widersprüchliche Zeugenaussagen ergeben wie nun die Befragung von Opfer und Beschuldigten. Der Anwalt versicherte in seinem Plädoyer, Enver sei ein «überaus fairer und besonnener Spieler». Deshalb sei er ja auch Captain geworden. Es sei völlig unglaubhaft, dass sein Mandant, der auch ein sehr guter Familienvater sei, einen solchen Ausraster hatte. Wegen der Widerhandlung gegen das Waffengesetz sei Enver zu 100 Franken Busse zu verurteilen, ansonsten aber freizusprechen.
Der Richter folgte diesem Antrag, brummte Enver aber eine Busse von 200 Franken auf. «Tatsächlich haben beide hier einen absolut glaubwürdigen Eindruck hinterlassen und ist Envers Schuld keineswegs zweifelsfrei festzustellen.» Folglich müsse nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» ein Freispruch erfolgen – ein Unentschieden gibt es in der Rechtsprechung bekanntlich nicht.