Seit genau 100 Tagen regiert Markus Schneider die Stadt. Über die Stimmung in der Verwaltung, seine Visionen für die Region und wie er es trotz langer Tage und voller Agenda schafft, Zeit für Privates zu finden.
Das Gespräch mit dem Badener Stadtammann Markus Schneider (CVP) findet in seinem Büro statt. Auffälligste Veränderung zu seinem Vorgänger Geri Müller: Der grosse – aufgeräumte – Bürotisch steht nicht mehr im rechten Winkel zu den Wänden, sondern schräg im Raum. «Ich wollte den Raum etwas luftiger einrichten», sagt Schneider. Bevor das Gespräch beginnt, bittet er seine Assistentin noch, den nächsten Termin um 10 Minuten nach hinten zu verschieben. «Wenn sich nur ein Termin am Morgen um fünf Minuten verspätet, holt man das den ganzen Tag nicht mehr ein», sagt Schneider.
Markus Schneider: Erst wartet man auf den Moment, endlich anfangen zu können. Doch dann hat man eigentlich gar keine Möglichkeit, in diesem Amt bewusst anzukommen, denn es geht alles so schnell. Ich hatte auch nicht wirklich Zeit, mich in Ruhe einzuarbeiten, sondern das ist ein Prozess, der täglich passiert. Was es mir eventuell etwas einfacher gemacht hat, war der Umstand, dass ich als Stadtrat und Bauvorsteher bereits Einblicke in grosse, komplexe Projekte hatte und insofern nicht bei null anfangen musste ...
Das stimmt. Auf der Strasse oder an öffentlichen Anlässen suchen viele Menschen das Gespräch und den Austausch mit mir als Badener Stadtammann. Das ist natürlich ein schönes Gefühl, ich schätze das sehr und das war immer einer der Motivationsgründe, dieses Amt anzustreben. Ich habe immer gesagt, es gibt keinen tolleren Job als diesen, und ich empfinde das jetzt auch tatsächlich so.
Wer mich kennt, weiss, dass ich nicht Gefahr laufe, die Bodenhaftung zu verlieren. Als Stadtammann muss ich mir bewusst sein, dass ich nur ein Teil des gesamten Stadtrats bin. Man darf als Stadtammann nicht das Gefühl haben, man wisse und könne alles und man müsse zu allem etwas zu sagen haben. Vielmehr ist entscheidend, dass jedes einzelne Stadtratsmitglied im Gremium seine Verantwortung wahrnimmt und ich dies als Stadtammann auch ermögliche.
Wir sind sehr offen und konstruktiv gestartet. Neue Personen bedeuten auch neue Ideen und Ansätze. Wir alle wollen etwas bewegen und anpacken. Natürlich gibt es immer mal wieder intensive Diskussionen innerhalb des Gremiums, doch das soll auch so sein. Ich glaube, dass wir nach aussen hin als geschlossenes Gremium wahrgenommen werden, was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war. Wir sind uns bewusst, dass wir diese Stadt nur gemeinsam und mit der Verwaltung weiter bringen können.
Von bösen Überraschungen würde ich nicht sprechen, eher von Herausforderungen, die mich beschäftigen.
Ich denke dabei zum Beispiel an die heftige Budget-Debatte von letztem Herbst, die in der Verwaltung Spuren hinterlassen hat. Weil die Verwaltung den Spardruck spürt, bin ich als Ammann auch als Coach und Motivator gefordert, indem ich versuche, die Mitarbeitenden trotz schwierigen Bedingungen zu motivieren. Das ist der grosse Unterschied zum Amt eines Stadtrates. Als Stadtammann bin ich täglich hier und spüre den Puls der Verwaltung sehr gut. Führen heisst nicht nur entscheiden und sagen, wo’s langgeht, sondern vor allem auch zuhören können und spüren, wo die Mitarbeitenden der Schuh drückt.
Grundsätzlich nehme ich die Stimmung in der Verwaltung als positiv wahr. Man arbeitet gerne für die Stadt. Gleichzeitig spüre ich aber auch, dass die Mitarbeitenden Wertschätzung brauchen für die Dinge, die sie gut machen – und das sind sehr viele Dinge.
(lacht) Nein, um Rat habe ich Geri noch nie angefragt. Aber klar tauschen wir uns hin und wieder aus, wenn wir uns auf der Strasse sehen. Einmal hat er mich noch hier im Büro besucht und wir haben zusammen einen Kaffee getrunken.
Die Präsenzzeit ist schon sehr hoch; die Tage sehr lang und mit vielen Sitzungen ausgefüllt. Manchmal frage ich mich, wann ich überhaupt all meine Mails beantworten soll, weil der Tag – wie zum Beispiel auch heute – derart durchgetaktet ist. Letztlich geht es bei der Lohndiskussion immer darum, ob die Leistung das investierte Geld wert ist oder nicht. Und: Nur weil ich jetzt weniger verdiene als Geri Müller, heisst das nicht, dass ich weniger arbeite als er.
Absolut! Ich spüre dabei sehr viel Goodwill aber auch eine grosse Erwartungshaltung mir gegenüber, sei es seitens anderer Gemeinden oder seitens Kanton wie auch von der Bevölkerung und der Verwaltung. Auch bin ich überzeugt, dass gewisse Projekte, die ins Stocken geraten sind, mit mir wieder neuen Schwung aufnehmen können und ich als Katalysator wirken kann.
Roland Kuster, der Wettinger Ammann, und ich sprechen nach wie vor miteinander und haben unverändert ein gutes Einvernehmen. Auch haben wir gemeinsame Berührungspunkte und Projekte wie etwa die Prüfung der Zusammenarbeit der Polizeikorps. Aber am Schluss ist halt auch jede Gemeinde mit sich selbst beschäftigt. In dem Moment, in dem es mit den Finanzen eng wird, ist jedem sein eigenes Hemd am nächsten.
Ich bin überzeugt davon, dass wir uns in der Region grösser machen müssen, um auch das entsprechende Gewicht im Kanton zu erhalten. Als Zentrumsgemeinde und Wirtschaftsmotor müssen wir unsere Rolle stärker spielen können. Dieses Bestreben wird sicher auch in irgendeiner Form in den Legislaturzielen abgebildet, die wir ausgearbeitet haben und dem Einwohnerrat im August vorlegen werden. Ich spüre von vielen Partnergemeinden auch ganz deutlich, dass man erwartet, dass Baden hier den Lead übernimmt. Und hierfür bin ich auch bereit.
Ja, wir sind auf dem Weg. Am Schluss entscheidet der Stadtrat, welche Massnahmen er umsetzt. Für die betroffenen Abteilungen ist das natürlich ein aufwendiger Prozess. Das Ziel erreichen wir nur, wenn wir am gleichen Strick ziehen und wenn das gegenseitige Vertrauen da ist.
Will die Stadt Baden weiter attraktiv bleiben, muss sie weiter investieren. Wenn gleichzeitig die Steuern nicht mehr im gleichen Mass reinkommen wie in der Vergangenheit, dann muss man den Steuerfuss prüfen. Vor ein paar Jahren, als der Steuerfuss gesenkt wurde, haben wir ja festgehalten, dass vielleicht wieder einmal andere Zeiten kommen und man dann den Steuerfuss anschauen muss. Mir ist wichtig, dass wir weiterhin das Potenzial haben zu investieren, um die Stadt weiterzubringen.
Selbstverständlich, Baden als Einkaufsstadt hat nach wie vor viel zu bieten. Ich stelle fest, dass die Menschen gerade am Samstag von ringsum nach Baden kommen, um auf dem Markt einzukaufen und zu flanieren, weil sie hier in Baden eine Einkaufsatmosphäre erleben, wie sie es kein Shoppingcenter bieten kann. Natürlich ist es kein schöner Anblick, wenn an zentraler Lage wie zum Beispiel in der Badstrasse Geschäfte leerstehen. Aber man muss die Relationen wahren: Zurzeit stehen 6 von 200 Läden leer, was nicht sehr viel ist. Entscheidend ist letztlich, dass der Konsument das Angebot in der Stadt auch nutzt. Nur so können die Detaillisten überleben.
Ich muss mich bei jedem Anlass fragen, ob ich nur hingehe, damit ich dort gewesen bin oder ob ich auch einen Beitrag leisten kann. Da muss ich klar Prioritäten setzen, denn ich könnte die ganze Zeit irgend einer Einladung folgen. Und nochmals: Auch die anderen Stadtratsmitglieder sollen Anlässe besuchen und Grussbotschaften überbringen – es muss nicht immer der Stadtammann sein.
Ich versuche, mich viel zu bewegen; gehe am Morgen auch mal zu Fuss von Dättwil in die Stadt. Zudem kann ich auch gut zusammen mit meinen Kindern abschalten. Mit ihnen kann man ja schlecht nur die ganze Zeit über Politik sprechen (lacht). Das gibt mir auch viel Kraft und Energie.