Baden
Statt es zu sanieren, hat man das alte Grand Hotel gesprengt

Im Herbst 2018 wird das neue Thermalbad von Mario Botta eröffnet. An diesem Platz stand von 1876 bis 1944 das grösste Badener Hotel. Jetzt gibt es das Buch zur schicksalhaften Geschichte. Ein Auszug.

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Leben und Sterben des grössten Badener Hotels
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Das Grand Hotel in seiner Gesamtansicht im Jahre 1944, kurz vor dem Abbruch.
Die Postkarte von Hulda.
Die Köche.

Leben und Sterben des grössten Badener Hotels

Stadtarchiv Baden

Wegen der nach Kriegsende befürchteten allgemeinen Arbeitslosigkeit wurde vom Bund mit dem Architekten Armin Meili ein Experte beauftragt, für alle bedeutenden Schweizer Kurorte und ihre Hotelbauten bauliche Sanierungsmassnahmen vorzuschlagen. (...) Die Planung richtete sich explizit auch gegen die Bausünden der Gründerzeit, die abgetragen werden sollten, um Platz für Neues zu schaffen.

Der Nationalrat und Präsident der Landesausstellung von 1939, Armin Meili, erklärt seine Ziele in seinem Bericht von 1945: «Doch darf das Nebeneinander nicht anders als planvoll geordnet werden: Kein Hotel darf zum Beispiel neben eine Fabrik zu liegen kommen, und keine Schweinemastanstalt soll an einen Kurpark grenzen. [...].»

(...) Die reine Natur, eigentliches Kapital des Schweizerischen Tourismus, sei durch die Hotellerie bereits verschandelt worden, schreibt Meili. Fokus seines Projekts waren denn auch vor allem die als «unterentwickelt» bezeichneten Berggebiete, die mehr als andere Regionen auf den Tourismus als Einkommensquelle angewiesen waren.

Steg und Thermalschwimmbad

Für Baden schlug Meili vor, zwischen Baden und Ennetbaden einen Steg zu erstellen, einen Lift vom Bäderquartier zum Kurhaus zu bauen und das linke Limmatufer grüner zu gestalten. Hauptmassnahme wäre der Bau eines Thermalschwimmbads gewesen, welches in der ersten Projektvariante im abgestockten Grand Hotel zu liegen gekommen wäre. Die grosszügige Halle des Hotels und das Thermalwasser-Reservoir im Untergeschoss wären dabei genutzt worden: «Baden. Wie ich in meinem ersten Bericht 1941 bereits ausführte, ist die Schaffung eines Gesamtplanes für das Bäderzentrum in Baden dringender als für irgend einen andern Badekurort. [...] Für ein Grand-Hôtel besteht kein Bedürfnis.

So wie die Dinge liegen, dürfte sich Baden kaum je weiter zu einem Luxuskurort entwickeln. [...] Der Wegfall des Grand-Hôtels bietet dem Kurort grosse Vorteile. Vor allem verschwindet mit ihm ein überdimensionierter und falsch situierter Baukörper, der das tiefe und landschaftlich hübsche Flusstal ausfüllt.»

Boom und Fall

Das Grand Hotel war eins ein eindrucksvolles Hotel, das illustre Gäste aus der ganzen Welt anzuziehen vermochte. Fast trotzig bildete das direkt an die Limmat gebaute Gebäude einen Gegensatz zu den historisch gewachsenen Bädern. Das monumentalste aller Badener Hotels zeugte von 1876 bis zum Abbruch im Jahr 1944 vom beispiellosen Boom des Schweizer Hotelbaus und von dessen tiefen Fall ab 1914. Es ist damit auch ein Spiegel der Entwicklung des Kurorts Baden.

Meilis Bericht zeigt unmissverständlich, dass für ihn das Grand Hotel keine Zukunft hatte. Es stand zu nahe an der Industrie und verhinderte die Einrichtung einer schönen Kurpromenade direkt an der Limmat. (...) Baden fiel in der Wahrnehmung in die Kategorie Karbol und Aether, ein klassisches Volksheilbad und kein Touristenort im eigentlichen Sinn mehr. (...)

1943 wurde die Grand Hotel AG liquidiert. Der Modernisierungsplan schien auch bei einem Betrag von 300 000 Franken nicht ausreichend. (...) Das Mobiliar und die Einrichtungen wurden der Badener Bevölkerung zum Verkauf angeboten, und sonstiges verwertbares (Bau-)Material wurde in ersten Abbrucharbeiten aus dem Grand Hotel entfernt.

Die Ohnmacht der Mitglieder des Kur- und Verkehrsvereins wird in den Jahresrückblicken von 1944 und 1945 deutlich: «Der Abbruch des Grandhotels beschäftigte uns mehr als erwünscht. Das Verschwinden dieses Hauses wirkt sich nachteilig auf den Rang unseres Kurortes aus, denn zu einem berühmten Badeort gehört ein Grandhotel. Bei der ständigen Zunahme von Kongressen in Baden, macht sich auch der daraus resultierende Bettenausfall stark fühlbar. Und dann der Abbruch mitten in der Saison! [...]»

Als militärisches Übungsobjekt

Bevor das Grand Hotel am 18. August 1944 gesprengt und in der Folge der Schutt abgetragen wurde, nutzte man es in der Saison 1944 als Übungsobjekt für verschiedene militärische Truppen sowie für Feuerlöschübungen des passiven Luftschutzes Baden.

Es wurde auch ein geologisches Gutachten erstellt und eine seismografische Messung durchgeführt, wie die Quellen im Schweizerischen Bundesarchiv berichten. (...) Wie das «Badener Tagblatt» berichtet, wurde auch ein Blindgänger aus der Bombardierung von Schaffhausen im Hotel zur Explosion gebracht: «Die verschiedensten Luftschäden, Brände, Bombenfall, Feuersbrunst usw. lassen sich in den weiten Räumen inszenieren, bekämpfen und luftschutztaktisch behandeln. Der Raum wird aber auch zu Sprengzwecken benutzt. [...]»

Dass diese lärmigen und staubigen Aktivitäten für den Kurort nicht gerade förderlich waren, dessen war man sich bewusst. Die Kriegslage als höhere Gewalt diente als Legitimation ohne Kompromisse. So kannten die Soldaten des Grenadier-Kurses des Füs Bat 251 kein Pardon, als sie am 18. August 1944 die letzten Sprengladungen anbrachten und zündeten: «Natürlich sind alle die militärischen und abbruchtechnischen Arbeiten keine kurörtliche Propaganda, die militärischen Spreng- und Luftschutzarbeiten sind der Zeit gemäss eben nötig und für die Truppe überaus lehrreich.»

Lärm und Staub beeinträchtigten die Kurgäste auf jeden Fall. Ein Badener Stammgast mit Vornamen Hulda bedauert auf einer Postkarte den Abbruch des Hotels. Bezeichnenderweise schickte sie eine Karte mit einem Grand-Hotel-Sujet, obwohl das Haus damals in dieser Form bereits nicht mehr existierte: «Ennetbaden, 20. Juli 1944, Meine Lieben! Wie ich denke, werdet Ihr meinen Aufenthalt bei meinen Lieben in hier vernommen haben. Denkt Euch hier ist das schöne Grandhotel auf der Karte abgebrochen worden. In den nächsten 14 Tagen gedenke ich dann auch wieder heimzukommen. Beni ist mit Ruthli in den Ferien. Viele liebe Grüsse von uns allen, eure [?] Hulda»

Aus: Das vergessene Grand Hotel.
Leben und Sterben des grössten Badener Hotels.
Baden, Hier und Jetzt 2016 (S. 166–177). Autor Florian Müller studierte Geschichte sowie französische Sprach- und Literaturwissenschaften an den Universitäten Basel und Neuenburg. Zuvor arbeitete der gelernte Kaufmann in einem Hotel im Kanton Graubünden. Müller unterrichtet Französisch an der Kantonsschule Beromünster.