Baden
Strassenrowdy liefert sich Verfolgungsjagd mit Polizei und Grenzwache

Er klaute ein Kägi fret und raste auf einer wilden Flucht der Polizei davon: Gestern nun musste ein Deutscher wegen mehreren Delikten vor dem Bezirksgericht in Baden antraben.

Stefanie Suter de Garcia
Drucken
Auf einer Verfolgungsjagd hat ein Deutscher das Auto der Grenzwache und der Kantonspolizei Zürich abgedrängt – bei hoher Geschwindigkeit. (Symbolbild).

Auf einer Verfolgungsjagd hat ein Deutscher das Auto der Grenzwache und der Kantonspolizei Zürich abgedrängt – bei hoher Geschwindigkeit. (Symbolbild).

Aargauer Zeitung

September 2014: Julian (Name geändert) will mit einem weissen Lieferwagen von Deutschland in die Schweiz einreisen. «Um Erholungsurlaub zu machen», wie der 45-jährige Deutsche später vor dem Bezirksgericht Baden aussagt.

Als ihn die Grenzwache kontrollieren will, rast er davon. Denn: Der Lieferwagen ist gestohlen. Eine wilde Verfolgungsjagd von Bargen SH bis nach Zürich beginnt.

Die Grenzwächter versuchen, ihn auf der Autobahn zu überholen. Julian touchiert ihr Auto und drängt es so ab – bei einer Geschwindigkeit von bis zu 100 Stundenkilometern. Mit einer Vollbremsung können die Grenzwächter einen schlimmen Unfall verhindern.

Dann übernehmen die Zürcher Kantonspolizisten die Jagd. Auch sie rammt Julian zweimal beiseite. Erst ein Nagelbrett nach dem Gubristtunnel und ein geplatzter Reifen können den Strassenrowdy aufhalten.

Vor dem Gericht musste sich Julian aber nicht nur wegen mehrfacher Gefährdung des Lebens, Verletzung der Verkehrsregeln, gewerbsmässigem Diebstahl, Sachbeschädigung und Hinderung einer Amtshandlung verantworten: Er brach zudem in mehrere Firmen und in das Vereinsheim eines Hundeklubs ein, wo er ein Kägi fret ass und ein Coca Cola trank.

Ausserdem tankte er zweimal, ohne zu bezahlen. Das Sozialamt habe die 500 Euro Monatsgeld zu spät gezahlt, erklärte der arbeitslose Julian, der bei seiner Mutter in Deutschland wohnt. «Deshalb hatte ich nicht genug Geld dabei.»

Schizophrene Störung attestiert

Während der Befragung zu seiner wilden Flucht versuchte er, sich herauszureden: «Es war eine einmalige Sache», sagte Julian. Die dunkelbraunen Haare kurz geschnitten, die Hände gefaltet. Ein Unfallrisiko habe nicht bestanden.

«Seit einer Million Kilometern bin ich unfallfrei. Und die Strassen waren breit.» Zu den «Bagatellschäden» an den Patrouillenautos sei es nur gekommen, weil sie nicht schnell genug ausgewichen seien. «Es gab ja kaum Beulen an den Autos. Und wie gesagt: Es war eine einmalige Sache.»

Von «Bagatellschäden» wollte die Staatsanwältin nichts wissen. «An beiden Autos entstand ein Schaden von 12 000 Franken.» Der Beschuldigte habe in skrupelloser Weise das Leben anderer gefährdet. «Die Polizisten sagten, sie hätten noch nie so etwas Drastisches erlebt.»

Sie forderte 3,5 Jahre Gefängnis unbedingt. Dies unter Berücksichtigung eines psychiatrischen Gutachtens, das dem Beschuldigten eine schizophrene Störung attestiert. Zudem sei die bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe aus einem früheren Verfahren, bei dem Julian wegen mehrfachen Diebstahls verurteilt wurde, in eine unbedingte umzuwandeln.

Der Verteidiger machte unter anderem geltend, dass Julian auf seiner Flucht das Leben der Grenzwächter und Polizisten nicht unmittelbar und auf skrupellose Weise gefährdet habe.

«Zudem kann er aufgrund seiner schizophrenen Störung seine Schuldhaftigkeit nicht einsehen.» Er forderte eine teilbedingte Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren.

Das Gericht unter Präsidentin Gabriella Fehr sprach Julian in einem Fall der Gefährdung des Lebens sowie der qualifizierten Verletzung der Verkehrsregeln frei.

Bei den Diebstählen sei zudem keine Gewerbsmässigkeit gegeben, da man durch die Diebstähle keine Lebenserhaltungskosten decken könne. Damit folgte das Gericht dem Antrag des Verteidigers.

In den anderen Anklagepunkten hielt das Gericht Julian für schuldig. Es verurteilte ihn unter Berücksichtigung der verminderten Schuldfähigkeit zu 18 Monaten Gefängnis, wovon er 16 Monate bereits absass. Die 6 Monate bedingt aus dem früheren Verfahren muss er unbedingt absitzen.