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Mellinger Grossräte wollen nach einem verlorenem Rechtsstreit der Gemeinde, dass der Kanton die Kosten in der Langzeitpflege übernimmt. Sie bezweifeln nämlich, dass Kanton und Krankenkassen die Kostenkontrolle richtig wahrnehmen.
Vier Aargauer Grossräte haben ein Postulat eingereicht, das eine Änderung im kantonalen Pflegegesetz fordert. Konkret sollen die sogenannten Restkosten der stationären Langzeitpflege nicht mehr von den Gemeinden, sondern vom Kanton getragen werden. Den Vorstoss eingereicht haben Mellingens Ammann Bruno Gretener (FDP), Roger Fessler, (SVP, Mellingen), Marlène Koller (SVP, Untersiggenthal) und Susanne Voser (CVP, Neuenhof).
Es kommt nicht von ungefähr, dass zwei der Postulanten Gross- und Gemeinderäte aus Mellingen sind. Das Städtchen lieferte sich in der Vergangenheit einen jahrelangen Rechtsstreit um diese Restkosten mit dem Alterszentrum «Im Grüt» und dem Kanton – und unterlag.
Die Kosten werden heute wie folgt aufgeteilt: Der Bewohner bezahlt pro Tag einen fixen Betrag, die restlichen Kosten übernehmen die Krankenkasse und die öffentliche Hand; im Aargau ist das die Wohnsitzgemeinde. Der Bewohner wird dabei in eine Pflegestufe eingeteilt, was sich auf die Höhe der Kosten auswirkt.
Gretener sagt: «Im jetzigen Finanzierungssystem müssen die Gemeinden zwar die Restkosten übernehmen, haben aber weder Einflussmöglichkeit auf die Leistungserbringung noch auf die Kontrollen der Krankenversicherer und des Kantons.» Dies habe Mellingen leider beim Rechtsstreit mit dem Alterszentrum schmerzlich feststellen müssen.
Im Jahr 2016 hatte der Gemeinderat eine Verfügung erlassen: Er verpflichtete das Alterszentrum, einen Betrag von 274'000 Franken an die Gemeinde zu bezahlen, weil Pflege-Restkosten zwischen 2012 und 2014 bei Quervergleichen mit anderen Institutionen obenaus geschossen waren. Das Alterszentrum aber hatte die Behauptung, es habe zu hohe Pflegestufen verrechnet, stets als unbegründet zurückgewiesen. Es machte darauf aufmerksam, dass es in den Jahren 2012 bis 2014 eine aussergewöhnliche Häufung von hohen Pflegeeinstufungen zu verzeichnen hatte.
«Ich möchte hier explizit erwähnen, dass sich das Postulat in keiner Weise gegen das Alterszentrum richtet», sagt Gretener. «Für uns ist dieser Rechtsstreit definitiv abgeschlossen.» Jedoch findet es Gretener fragwürdig, dass derjenige, der in diesem Finanzierungssystem einen erheblichen Teil der Kosten trägt, praktisch keine Chance hat, sich bei allfälligen Ungereimtheiten adäquat zu wehren.
Der Regierungsrat hielt 2019 fest, das geltende Recht biete Gemeinden keinen Raum dafür, beim Leistungsbringer mittels Verfügung eine Rückforderung geltend zu machen. Das Departement Gesundheit und Soziales (DGS) lehnte den Rückforderungsanspruch der Gemeinde ebenfalls ab. Nach einer Aussprache mit dem Regierungsrat wurde das Verfahren einvernehmlich beigelegt. Über die getroffenen Abmachungen wurde Stillschweigen vereinbart.
«Demnach müssen wir uns darauf verlassen, dass Krankenkassen und Kanton die Kontrollfunktion richtig wahrnehmen. Und dies bezweifle ich nach den Erfahrungen der letzten Jahre sehr», sagt Gretener. Die Gemeinden haben weder auf die Einstufungen noch auf die Kontrollen der Krankenversicherer eine Einflussmöglichkeit. «Doch gerade bei kleineren Heimen finden diese Audits eher lasch und unregelmässig statt», steht im Postulat. Und die kantonale Clearingstelle beschränke sich in der Regel auf die rechnerische Prüfung.
Da die Gemeinden einen erheblichen Teil der Pflege-Restkosten tragen müssen, sich jedoch kaum wehren können, erscheine es sinnvoll, wenn die Kosten zukünftig durch den Kanton bezahlt werden. Denn wer bezahlt, sei auch eher daran interessiert, dass alles korrekt abläuft. Das Postulat fordert: «Eine Kostenverschiebung wäre im Finanz- und Lastenausgleich zwischen dem Kanton und den Gemeinden entsprechend zu berücksichtigen.»