Baden
«Taten haben sich einfach so ergeben» – Schlägerbande raubte für den Nervenkitzel

Eine Bande junger Räuber muss sich vor dem Bezirksgericht Baden für mehrere brutale Überfälle verantworten. Einige kamen mit einem blauen Auge davon. Anführer Hakim wurde zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, 18 Monate davon unbedingt.

Janine Gloor
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Brutal gingen die jungen Täter auf ihre Opfer los (Symbolbild). Keystone

Brutal gingen die jungen Täter auf ihre Opfer los (Symbolbild). Keystone

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Michael (alle Namen geändert) hatte an diesem Abend im Februar 2014 grosses Pech. Es war kurz nach Mitternacht, als er den Limmatsteg in Richtung Ennetbaden überquerte und dabei von Fabian, Hakim und einem weiteren jungen Mann als Opfer für einen Raub ausgewählt wurde.

Wäre er zehn Minuten später am gleichen Ort gewesen, hätte es einen anderen getroffen. Doch so war er es, der von hinten an der Schulter gepackt und von Hakim mit einem Messer bedroht wurde.

Zwar gelang es ihm, sich loszureissen, doch ein Tritt von Hakim brach sein Wadenbein und Michael sah sich gezwungen, 110 Franken aus seinem Portemonnaie auszuhändigen. Erst dann liessen die damals knapp volljährigen Räuber von ihm ab und flüchteten.

Beflügelt vom Adrenalin und der Action beschlossen sie, dies wieder einmal zu versuchen. Sie waren stets nur auf Bargeld aus, Wertsachen oder elektronische Geräte interessierten sie nicht.

Um das Ganze etwas professioneller anzugehen, fuhren Fabian und Hakim nach Zürich und kauften sich schwarze Sturmmasken. Als sie Anfang März zusammen mit einem weiteren Kollegen wieder auf Raubzug gingen, wollte es aber nicht klappen.

Die ersten beiden Opfer konnten flüchten, einer verlor dabei sein Portemonnaie, das aber kein Bargeld enthielt und deshalb von den Räubern verschmäht wurde. Das zweite Opfer, das ebenso zufällig ausgewählt wurde wie alle zuvor, liess sich von Hakims Messer nicht beeindrucken und wehrte sich, worauf die Räuber mit den Fäusten auf ihn losgingen. Als sie bemerkten, dass ein Passant mit einem Smartphone hantierte, machten sie sich aus dem Staub.

Zum letzten Überfall der Gruppe, bei dem neben den üblichen drei auch Nico beteiligt war, kam es ungefähr einen Monat später in Zürich. Die Idee entstand im Zug, der Alkohol floss reichlich, Joints machten die Runde. Als die Räuber um halb zwei Uhr morgens vor dem Club Dynamo ein geeignetes Opfer erspähten, schlugen sie nach gewohnter Manier zu.

Dieses Mal packte neben Hakim auch Fabian sein Messer aus, um das Opfer zu bedrohen. Die Bande erbeutete 40 Franken. Hakim hatte aber noch nicht genug. Im Alleingang suchte er sich einen weiteren jungen Mann. Als dieser sein Portemonnaie nicht herausrücken wollte, führte Hakim ihm das Messer an den Hals. Das Opfer händigte eine 100-Franken-Note aus. Eine halbe Stunde später wurde die ganze Gruppe von der Polizei festgenommen.

Nun müssen sich Nico, Fabian und Hakim vor dem Bezirksgericht Baden für ihre Taten verantworten. Ihre Komplizen waren zur Tatzeit noch nicht volljährig.

Fabian ist sichtlich aufgewühlt, mehrmals muss er sich Tränen aus den Augen wischen, seine Hände suchen ständig etwas, an dem er sich festhalten kann. Er hat letztes Jahr seine Lehre abgeschlossen, heute ist er fest angestellt. Sein Chef weiss über alles Bescheid. «Ich bereue es mega. Ich weiss nicht, wieso ich so einen Scheiss gemacht habe», sagt er. Auch Hakim bereut. Er sitzt den ganzen Prozesstag aufrecht auf seinem Stuhl, den Blick nach vorne gerichtet. Der Afghane spricht klar und deutlich, seine Sätze sind eloquenter und wirken weniger spontan als die seines Kollegen. Nico hält seinen Blick stets gesenkt.

Die Anklageschriften der jungen Männer beinhalten noch mehr als ihre kurzen Räuberkarrieren. Hakim war auch als Dealer tätig, er hatte für mehrere tausend Franken Marihuana erworben und mit Gewinn weiterverkauft. Fabian hatte im Keller eine Anlage zur Aufzucht von Hanfpflanzen, die aber nur wenig Ertrag abwarf. Umso erfolgreicher hat er dafür ein grosses, teilweise illegales Waffenarsenal angesammelt. Bei einer Hausdurchsuchung wurden mehrere Schmetterlingsmesser, Wurfmesser, ein Messer mit einem automatischen Mechanismus, ein Schlagring sowie ein Schwert und eine Armbrust beschlagnahmt.

Die Beschuldigten gaben Gerichtspräsidenten Guido Näf an, keine Bande zu sein. Sie hätten ihre Taten nie im Voraus geplant oder Rollen verteilt. Es habe sich einfach so ergeben. Trotzdem werden Fabian und Hakim wegen bandenmässigen zum Teil versuchten Raubs, Widerhandlungen gegen das Waffen- sowie das Betäubungsmittelgesetz zu Haftstrafen verurteilt. Bei Hakim, dem Anführer der Gruppe, kommt noch Gefährdung des Lebens dazu. 18 Monate seiner dreijährigen Freiheitsstrafe sind unbedingt. Fabian wurde zu einer Haftstrafe von 21⁄2 Jahren verurteilt. Allerdings sind nur 10 Monate davon unbedingt, diese kann er in Halbgefangenschaft verbringen. Nico wurde freigesprochen. Da er nur bei einem Überfall vor Ort war und dabei eine untergeordnete Rolle spielte, kam er mit einem blauen Auge davon.