Wettingen
Traumjob trotz Epilepsie gefunden

Die Epileptikerin Susanne Rufener arbeitet im Lebensmittelladen «Naturata» – nun wurden die Betreiber mit dem EPI-Preis ausgezeichnet.

Carolin Frei (Text und Foto)
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Die Lernende Susanne Rufener (rechts) hat bei Annerös und Matthias Anliker (links und Mitte ) ihren Traumjob gefunden.

Die Lernende Susanne Rufener (rechts) hat bei Annerös und Matthias Anliker (links und Mitte ) ihren Traumjob gefunden.

Annerös und Walter Anliker aus Wettingen sind Anfang Oktober für ihren Beitrag, die Lebensqualität von Epilepsiebetroffenen zu verbessern, ausgezeichnet worden. «Wir waren völlig überrascht, als wir am Telefon erfuhren, dass wir den EPI-Preis 2015 gewonnen haben», sagt Annerös Anliker vom Lebensmittelladen «Naturata» in Wettingen. Ohne ihr Wissen seien sie dafür von der Grossmutter ihrer Lernenden, die an Epilepsie leidet, angemeldet worden. Der EPI-Preis ist eine Anerkennung der Schweizerischen Epilepsie-Stiftung und wird jedes zweite Jahr an Menschen oder Gruppen vergeben, die durch ihren Einsatz die Lebensqualität Epilepsiebetroffener verbessern. Das Preisgeld von 10 000 Franken wird in neue Ladengestelle investiert. Und natürlich wurde der Preis mit dem ganzen Team bei einem Essen gefeiert.

«Über 50 Bewerbungen habe ich losgeschickt. Nicht einmal konnte ich mich vorstellen», sagt die Lernende Susanne Rufener. Völlig verzweifelt habe sie dann im Delikatessengeschäft Naturata in Wettingen vorgesprochen und ihre Situation geschildert. «Ich durfte meine Bewerbungsunterlagen dort lassen und später sogar vorsprechen», erinnert sich die 20-Jährige mit einem Strahlen im Gesicht. Bei dieser Gelegenheit erfuhren Annerös und Walter Anliker, dass Susanne Rufener seit ihrer Kindheit an epileptischen Anfällen leidet. «Wir lernten beim Gespräch eine gut vorbereitete, offene, aufgestellte junge Frau kennen, der wir gerne eine Chance geben wollten», sagt Annerös Anliker. Um mehr über die Krankheit Epilepsie zu erfahren, liess sich das Ehepaar Anliker und ihr ganzes Team einen Tag lang im Epilepsie-Zentrum in Zürich informieren und schulen. «Wir wollten wissen, was zu tun ist, wenn Susanne einen Anfall hat», sagt Annerös Anliker. Während ihrer zweijährigen Attestlehre zur Detailhandelsassistentin war dies dreimal der Fall. Weil alle wussten, was zu tun war, war nach zehn Minuten alles vorbei. «Ich spüre es, wenn der Anfall kommt. Dann muss ich mich hinlegen und jemand muss meine Beine zusammendrücken», sagt die 20-Jährige.

Traumjob gefunden

Die Attestlehre hat Susanne Rufener im Sommer als Zweitbeste ihrer Klasse abgeschlossen. Nun hängt sie die Ausbildung zur Detailhandelsfachfrau noch an. «Wir hatten noch nie eine Lernende, die sich mit so viel Engagement ins Zeug gelegt hat», betont Matthias Anliker, der seit zwei Jahren im Familienbetrieb arbeitet und ab Januar 2016 die Geschäftsführung übernehmen wird. Sie sei zwar etwas langsamer, brauche wegen ihrer Krankheit klare Abläufe, nachts viel Schlaf – aber all dies tue der Qualität ihrer Arbeit keinen Abbruch, betonen die Anlikers.

«Ich habe hier meinen Traumjob gefunden», meint Susanne Rufener denn auch strahlend. Am liebsten berate sie die Kundschaft und gebe Tipps zum Käse-Sortiment. «Wir haben einen eigenen Käse, bei dem die Kunden die verschiedenen Stadien von jung bis ausgereift kennenlernen dürfen.» Nun freut sie sich darauf, künftig für die optimale Bewirtschaftung der Lebensmittel mitverantwortlich zu zeichnen und auch mal die Tagessuppe zu kochen. «Ich koche für mein Leben gerne.» Die erste Suppe, die sie für die Kundschaft aus dem Topf zaubern wird, ist eine Tomatensuppe mit Basilikum. «Ohne Zwiebeln, ohne Knoblauch – denn es soll vegan und für alle Allergiker verträglich sein», betont sie. Sagts und macht sich voller Elan auf, um im Laden die nächste Kundin zu bedienen.