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Im August rückte ein Grossaufgebot der Feuerwehr an die Landstrasse in Turgi aus, weil es im Estrich und im Keller eines Mehrfamilienhauses brannte. Die Bewohner mussten evakuiert werden. Nun stand deshalb ein 68-jähriger Chinese vor dem Bezirksgericht Baden – er ist aber nicht schuldfähig.
Am 25. August vergangenen Jahres war ein Grossaufgebot der Feuerwehr nötig, weil es an der Landstrasse in Turgi in einem Mehrfamilienhaus brannte. Nun musste sich ein zu diesem Zeitpunkt dort wohnhafter Chinese vor dem Bezirksgericht Baden verantworten – angeklagt der qualifizierten Brandstiftung. Luan (Name geändert) habe um zirka 11 Uhr im Estrich und im Keller die Holzverschläge mittels Brennsprit und Petrol angezündet, lautet der Vorwurf. Während sich das Feuer im Estrich nicht ausbreitete, konnte der Brand im Keller nur noch unter Einsatz des Atemschutzes gelöscht werden. Eine Person im 3. Stock musste mit Hilfe einer Leiter über den Balkon evakuiert werden.
Der 68-Jährige habe die Bewohnerinnen und Bewohner «mit seinem Verhalten einer Gefahr für Leib und Leben» ausgesetzt, wird in der Anklageschrift ausgeführt. Dennoch waren sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung von vornherein einig: Luan ist schuldunfähig. In einem forensisch-psychiatrischen Gutachten wurde Ende Dezember festgestellt, dass er seit vielen Jahren an einer unbehandelten paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidet.
Das Gutachten bestätigte die bisher mit Luan gemachten Erfahrungen der Staatsanwältin und des Verteidigers. Dieser wies an der Verhandlung darauf hin, wie schwierig es gewesen sei, mit ihm ein Gespräch zu führen. Das zeigte sich auch im Gerichtssaal: Luan und die Übersetzerin mussten erst einmal einen Weg finden, wie er ihre Ausführungen am besten verstehen konnte. Er höre viele Leute in seinem Kopf sprechen und die Medikamente, die er inzwischen erhalte, würden nicht wirken, erklärte er. Und so schrieb die Übersetzerin so manches, was im Gerichtssaal gesagt wurde, auf ein Papier, damit er es ablesen konnte.
Trotz der Beweislast – in seiner Wohnung waren leere Sprit-Flaschen und Brandbeschleuniger gefunden und auch an seinen Kleidern und Händen Spuren festgestellt worden – stritt der Pensionär die Tat ab: «Ich habe erst, als ich wieder zu Hause war, durch die Polizei vom Brand erfahren», sagte Luan, der seit 40 Jahren in der Schweiz lebt. Nur: Luan war kurz nach Mittag in Wettingen aufgegriffen worden – mit mehr als zwei Promille Alkohol im Blut. Gleich nachdem der Brand gelegt worden war, hatte er das Haus verlassen und war mit dem Bus über Baden nach Wettingen gefahren.
Der Verteidiger erklärte:
«Aufgrund seiner Krankheit ist er nicht in der Lage, Einsicht zu zeigen.»
Luan sei sich aber bewusst, dass er krank ist und er zeige sich zu einem Klinik-Aufenthalt bereit. Der Verteidiger bestätigte zwar die erhöhte Beweislast, machte aber darauf aufmerksam, dass es sich um einen Indizienprozess ohne Geständnis handle. Jedoch würde Luan ohne staatlichen Zwang die erforderliche medizinische Unterstützung wohl nicht beiziehen.
Das Gericht zeigte sich überzeugt, dass Luan den Brand gelegt hatte und ordnete die von der Staatsanwaltschaft geforderte stationäre Massnahme nach Artikel 59 an. Die Hinweise, die auf ihn als Täter deuten, hätten sich verdichtet. Noch befindet sich Luan in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg. Sobald ein Platz frei ist, wird er in eine psychiatrische Anstalt überwiesen. Ob in geschlossener oder offener Abteilung, so wie es der Verteidiger forderte, dieser Entscheid liege nicht beim Gericht, sondern bei der Vollzugsbehörde. Die Massnahme dauere so lange, bis er keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellt.
Da Luan nur von einer AHV-Rente lebt, gehen die Gerichtskosten zulasten der Staatskasse. Die Zivilforderungen von mehr als 300'000 Franken wurden auf den Zivilweg verwiesen.