Kosovo
«Tweety» lässt die Schranken hochgehen

Sie ist 23 Jshre alt und in der SVP. Militärddienst hat sie auch gemacht, und das Brevet als Lastwagenchauffause besitzt sie auch. Portrait eines weiblichen Tausendsassa.

Roman Huber
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Sie ist eine Frau zum Pferdestehlen. Doch davon hat sie derzeit unter der Motorhaube zur Genüge. Stefanie Heimgartner leistet bei den Swisscoy Dienst und fährt im Auftrage der Kfor-Truppen schwere Lastzüge. Sie hat eben einen zweiwöchigen Heimurlaub geniessen können.

«Schon ein komisches Gefühl, wenn man nirgends richtig zu Hause ist», sagt Stefanie Heimgartner einen Tag bevor sie wieder nach Kosovo geht. In ihrer Wohnung in Baden ist die Schwester eingezogen. Und die Container in ihrem Lager Casablanca – na ja, so richtig heimelig seien sie nun doch nicht.

Den Heimurlaub hat die 23-Jährige so eingerichtet, dass sie – pflichtbewusst, wie sie ist – als junge SVP-Einwohnerrätin der September-Sitzung beiwohnen konnte. Und nebst der Familie hat sie auch ihren Freundeskreis getroffen. Doch sie pflegt den Kontakt mit zu Hause auch von Kosovo aus: «Ich bin oft im Facebook-Chat.»

Sie fühlt sich recht gut in der Fremde, «auch wenn man auf sehr vieles verzichten muss», ergänzt sie. Familie und Kollegenkreis würden ihr schon manchmal fehlen. Und der Luxus halte sich sehr in Grenzen. Der eigene Wohncontainer sei «nicht viel grösser als mein Badezimmer», sagt sie. Dennoch: Sie ist gern wieder an ihren Einsatzort in Suva Reka, im Südkosovo gereist.

Faszination des Wandels

Stefanie Heimgartner hat nach der kaufmännischen Ausbildung Militärdienst geleistet und den Fahrausweis als Lastwagenchauffeuse gemacht. «Das liegt ja auf der Hand», sagt sie schmunzelnd, ist sie doch im Familienunternehmen der Heimgartner Transporte aufgewachsen. Sie werde später die Ausbildung für Betriebsökonomie anhängen, denn sie möchte in Vaters Fussstapfen steigen. Doch zuvor wollte sie bei den Swisscoy dienen. Zu Beginn habe niemand ihren Entscheid verstanden, nicht einmal die Eltern – «jetzt sind sie, so glaube ich, auch ein wenig stolz auf ihre Tochter».

Eigentlich hatte sie während der Rekrutenschule den Vorschlag zum Offizier annehmen wollen; hatte aber gesundheitliche Probleme. Vielleicht kommt die Offiziersschule dann doch noch. Sie hat in der Freizeit Handball gespielt, bis es die Knie nicht mehr zuliessen. Sie dient zudem in der Feuerwehr. «Doch ich gehe auch gerne mit Highheels in den Ausgang», fährt sie fort. «Das Wandelbare hat eben seine Faszination.»

Respekt und Staunen

Sie ist zwar ein Haudegen, doch lässt sie immer wieder ihre Sensibilität, ihre Weichherzigkeit bzw. Fraulichkeit erspüren. Als Frau müsse man im Militär immer einen Zacken zulegen können, damit man sich bei den Männern Respekt verschaffe, erklärt sie sodann. Die Ausbildung ist jedoch dieselbe, nur die Unterkunft teile man als Frau nur mit ihresgleichen. Doch mit den Männern habe sie immer gut den Rank gefunden. Und das sei auch in Kosovo wichtig. Vorher musste sie die Vorausbildung durchlaufen mit Schiessübungen, Minenkunde und anderem.

Bei den internationalen Truppen in Kosovo ist sie zurzeit die einzige Frau, die ganz grosse Transporte steuern kann. Vor allem bei den Kosovaren passe das überhaupt nicht ins Frauenbild. Ihr Funkname lautet zwar auf den netten Kanarienvogel «Tweety». Am Steuer jedoch geniesst sie den Respekt aller – nicht nur, weil sie meist willkommene Ware bringt. Vielleicht geniesse sie als Frau am Steuer sogar gewisse Vorteile. So würden bei abgesperrten Stellen die Schranken rasch hochgehen, wenn sie jeweils angefahren komme.

Gefahr lauert auf der Strasse

Ihren Job schätzt sie vor allem, weil sie viel unterwegs sei und nicht im Camp bleiben müsse. Die Kontakte mit Diensttuenden aus andern Nationen seien interessant. Sie fährt auch für Iren, Deutsche, Österreicher und andere, ganz selten für zivile Bedürfnisse.

Zurzeit sei es ruhig und stabil, schildert sie die Situation in Kosovo. Die eigentlichen Gefahren sieht sie vielmehr im schlechten Zustand der Strassen oder der Fahrzeuge. «Die Kosovaren fahren mit Lastwagen, die bei uns längst aus dem Verkehr gezogen worden wären», sagt sie. Schwere Verkehrsunfälle seien darum keine Seltenheit. Sie sei sich bewusst, welche Verantwortung sie trage, ob sie nun mit einem 40 Tonnen schweren Tanklastzug, einem andern Schwertransport fahre oder einen Truppentransport ausführe.

Harter Alltag

Fünftagewoche ist für sie ein Fremdwort. Auf sieben Tage Dienst gebe es einen «day off». Und wenn sie mehr als sieben Tage fahren müsse, dann könne sie einen zweiten anhängen. Die vorgeschriebenen Ruhezeiten müsse sie einhalten. Die Freizeit ist recht bescheiden. Und der Ausgang? So viel sei nun auch wieder nicht los, meint sie leicht ironisch. Natürlich werde sie in der Schweiz wiederholt auf die Schlagzeilen über Saufgelage und so angesprochen, erzählt sie. Sie selber könne dazu nichts sagen, weil es das Kontingent vor ihrer Dienstzeit betreffen würde.

Sie könne sich solche Entgleisungen zwar nicht vorstellen. «Wir haben im Camp das Swiss Chalet, wo man sich treffen kann, oder im Ausgang die Bar Namens Pulverfass.» Klar kann es vorkommen, dass ein Bier über den Durst getrunken werde. Doch um 22.30 Uhr sei Polizeistunde, und um 23.30 Uhr müssen alle in ihren Containern sein. Wer sich nicht daran hält, bekommt ein Disziplinarverfahren aufgebrummt. Zivilisten hätten im Camp nichts zu suchen. Da würden die Fahrzeuge sehr streng kontrolliert.

Streng ist auch das Klima: «Wenns heiss ist, kanns 40 Grad werden, und im Container ist es dann nicht viel kühler», meint sie. Im Winter werde es bis minus 20 Grad. Das werde dann eine Stufe härter. «Es ist eine gute Lebenserfahrung», fügt sie gelassen an. Man müsse mit vielen verschiedenen Typen von Menschen umgehen und lerne ein fremdes Land kennen.

Im Oktober wäre ihre Dienstzeit vorbei. Doch sie wird erst im März 2011 endgültig zurückkehren. Die Faszination sei für sie so gross, dass sie soeben den Vertrag für das Winterhalbjahr unterzeichnet habe.