Wahlen
Umstrittener Journalist will als Gemeinderat das Reussstädtchen Mellingen kräftig aufmischen

Dem «Reussbote»-Redaktor Beat Gomes genügt das Schreiben über die Politik nicht mehr, er will selber Politik machen: Gomes kandidiert im zweiten Wahlgang am 26. November als Mellinger Gemeinderat. Seit geraumer Zeit ist dem Journalisten die Informations- und Führungspolitik des Gemeindeammanns ein Dorn im Auge.

Sabina Galbiati
Drucken
Journalist Beat Gomes will künftig Politik auf Augenhöhe mit der Bevölkerung machen.

Journalist Beat Gomes will künftig Politik auf Augenhöhe mit der Bevölkerung machen.

Chris Iseli

Wer die Artikel und Kommentare des 64-jährigen Redaktors im «Reussboten» liest, weiss, dass er nicht mit Samthandschuhen schreibt. Das tat er auch nicht, als er im Juli einen Kommentar über Gemeindeammann Bruno Gretener im «Reussboten» veröffentlichte und dessen Führungs- und Informationspolitik kritisierte. Die Bürger würden nur Informationen erhalten, «wenn es Stadtammann Gretener passt», liest man darin, und «man hat zuweilen den Eindruck, als würde sich Bruno Gretener als Stadtammann in der Tradition der Herren von Iberg sehen, die im 13. Jahrhundert im Dienste der Grafen von Kyburg das Reussstädtchen verwalteten.» Sie seien es sich gewohnt gewesen, Entscheidungen durchzusetzen, ohne das Volk zu informieren oder gar fragen zu müssen.

Der Kommentar hatte Folgen: «Vizeammann Werner Stoller hat wegen des Kommentars meinen Verleger Benedikt Nüssli in sein Büro ins Stadthaus zitiert», sagt Gomes. «Danach hiess es, ich dürfe nicht mehr kritisch über den Mellinger Gemeinderat schreiben.» Das lässt sich der Journalist nicht gefallen: «Das kommt einem Maulkorb gleich, und das lasse ich mir nicht bieten.» Seit mehr als drei Jahren berichtet er über Mellingen und wohnt seit April auch im Reussstädtchen.

Es kommt zur Kampfwahl

Ein Gemeinderatssitz ist in der Mellinger Exekutive noch frei. Für den ersten Wahlgang vom 24. September hatten sich nur vier Kandidierende angemeldet. Für den zweiten Wahlgang am 26. November hat sich nebst Beat Gomes auch die 48-jährige selbstständige Treuhänderin und komplementär-psychologische Beraterin Yvette Nick als Kandidatin für den freien Gemeinderatssitz gemeldet. Sie kandidierte beim Wahlgang am 24. September bereits als Mitglied für die Finanzkommission, erreichte jedoch das absolute Mehr von 383 Stimmen nicht. (Gal)

«In der Politik muss jetzt etwas gehen. Wir müssen Politik auf Augenhöhe mit der Bevölkerung machen und die Leute bei Entscheidungen über unsere Gemeinde besser einbinden.» Seine Anstellung beim «Reussboten» wird er wegen des Pensionsalters ab nächstem Jahr ohnehin auf eine freie Mitarbeit reduzieren. «Sollte ich Gemeinderat werden, würde ich auch nicht mehr über Politisches schreiben.»

Vergangenheit als Beat Alder

Gomes’ Absichten mögen ehrenhaft sein. Doch zeigt ein Blick in seine Vergangenheit, dass er eine umstrittene Figur ist. Beat Gomes hiess ursprünglich Beat Alder (Gomes ist der Nachname seiner Frau), und dieser sorgte für einige Schlagzeilen. Unter anderem geriet er Ende der 1990er-Jahre bei der «Basler Justizaffäre», die er als «Blick»-Reporter ausgelöst hatte, in die Negativschlagzeilen, weil er eine «Doppelrolle als Vertrauensperson und Journalist eingenommen hatte», liest man. Mit einer Pressekonferenz wollte er Licht in die Sache bringen. Woraufhin er beim «Blick» entlassen wurde, weil er die Konferenz ohne Erlaubnis der Redaktion einberufen hatte. «Letztlich siegte ich aber vor Bundesgericht nicht nur gegen die Staatsanwaltschaft, sondern das Medienhaus Ringer musste mir wegen der Entlassung auch eine Abfindung zahlen», sagt Gomes.

2006 geriet er erneut in die Schlagzeilen, dieses Mal als «Abofallen-Abzocker». Zu seiner vermeintlichen Internettätigkeit schrieb der «Tages-Anzeiger» 2008: «Er verramschte ‹Gratiskondome›, versprach Abhilfe bei Alkoholproblemen, suchte Hobbypornodarsteller oder gab Flirttipps – immer mit der versteckten Kostenpflichtigkeit und Spamversand.»
Aus seiner Vergangenheit macht Gomes kein Geheimnis, doch was da geschrieben worden sei, stimme nicht. «Über die Berichte zu den Abofallen kann ich nur lachen. Ich habe mir damals von der Staatsanwaltschaft eine Bestätigung ausstellen lassen, dass ich weder etwas damit zu tun habe noch gegen mich ermittelt wird.»

Wie aus Alder Gomes wurde

Über 40 Jahre ist Beat Gomes nun schon Journalist und eckte dabei einige Male an. Die Basler Gratiszeitungen «Basler Bebbi» und «Stadt-Zytig», die Gomes selber gründete, verliess er im Streit. Doch dazu steht er: «Ich war und bin eine umstrittene Figur, weil ich meine Meinung sage. Das führt halt auch mal zu Streit.» Damit könne er gut leben. Übrigens: Seine Vergangenheit sei nicht der Grund für seine Namensänderung. «Meine Frau wollte einfach nicht Alder heissen, also habe ich ihren Nachnamen angenommen.»

Zur Vergangenheit von Beat Gomes sagt «Reussbote»-Verleger und Chefredaktor, Benedikt Nüssli: «Er hat mich über seinen Lebenslauf informiert. Das ändert nichts an der Tatsache, dass er ein hervorragender Journalist ist, der auch heisse Eisen anpackt.»

Gespräche nicht öffentlich

Und wie war das nochmals mit dem angeblichen «Maulkorb», den man Gomes angelegt hat? Benedikt Nüssli bestätigt, dass ein Treffen mit dem Gemeinderat stattgefunden hat. Er sei aber vom Vizeammann eingeladen und nicht etwa «herzitiert» worden. Man habe über viele Themen diskutiert, der Kommentar sei eines davon gewesen. Zum Inhalt des Gesprächs sagt er: «Das ist nicht öffentlich.» Beat Gomes dürfe aber nach wie vor über den Gemeinderat Mellingen schreiben. «Wir sind zwar ein amtliches Publikationsorgan, aber wir berichten unabhängig und frei», sagt Nüssli. Gomes habe auch bereits wieder über die Gemeindepolitik geschrieben.

Auch Gemeindeammann Bruno Gretener bestätigt das Treffen, will sich aber zum Inhalt nicht äussern. Nur so viel: Man habe als Gemeinderat dem «Reussbote»-Verleger mitgeteilt, was man vom Kommentar halte. «Dabei stand nicht meine Person als Ammann im Vordergrund, sondern die künftige Zusammenarbeit des ganzen Gemeinderats mit dem ‹Reussboten›.»

Gretener ergänzt: «Dazu, was ich persönlich von Beat Gomes’ Aussagen im Kommentar halte, äussere ich mich nicht öffentlich.» Auch zum Vorwurf, dass Gretener sich «in der Tradition der Herren von Iberg» sehe, also quasi als Alleinherrscher der Gemeinde, will sich der Ammann nicht äussern. Jedoch werde man als Gemeindeammann immer wieder mit Kritik konfrontiert. «Damit muss man umgehen können.»