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Baden
Ein 19-Jähriger stand in Baden vor dem Richter – nach einer zehntägigen Party in einer fremder Wohnung.
Eigentlich hatte Gil (alle Namen geändert) an Silvester seinen 18. Geburtstag mit einem Freund auf Schloss Stein feiern wollen. Doch dann war ihm ein Hilferuf im WhatsApp-Chat dazwischengekommen: Kaspar aus Deutschland suchte für den Jahreswechsel eine Airbnb-Wohnung in der Schweiz, nachdem die Miete einer solchen in Zürich kurzfristig storniert worden war. Gil wurde im Raum Baden fündig mit einer Airbnb-Wohnung vom 26. Dezember 2019 bis 4. Januar 2020 und bezahlte die Miete. «Ich dachte, so könne ich Kaspar näher kennen lernen», erklärt Gil vor Gericht.
Vor Einzelrichter Pascal Peterhans sitzt ein mageres, zartgliedriges Bürschchen in einem rot-schwarz-karierten Holzfällerhemd, beschuldigt des mehrfachen Diebstahls und der ebensolchen Sachbeschädigung, was mit einer bedingten Geldstrafe von 1200 Franken plus 200 Franken Busse zu ahnden sei. Im Verlauf einer runden Stunde ist zu erfahren, dass sich seine Absicht, den Chat-Freund näher kennen zu lernen nicht erfüllt hatte.
Dafür waren während der zehn Tage in der gemieteten Wohnung viel zu viele Menschen herumgeschwirrt. «Kaspars Party hatte sich in der Schwu- len- und Lesben-Community in Deutschland und Österreich herumgesprochen. Es war ein Kommen und Gehen. Manchmal waren nur wenige anwesend, mal ganz viele», schildert Gil. «Einmal waren es 22 und alle kannte ich nur mit Vornamen.»
Als die grosse Party vorbei war und der eigentliche Mieter nach Hause kam, dürfte er einen Moment gestutzt haben, ob er sich tatsächlich in seiner Wohnung befindet. Umgehend hatte er bei der Polizei Anzeige erstattet. Was er dort vermeldete, findet sich im Strafbefehl wieder. In der Wohnung fehlten unter anderem ein Fixleintuch, Duschtücher, ein Bade- und ein Küchenteppich, diverse Gläser sowie mehrere Kleidungsstücke vom Hoodie bis zur Adidas-Jogginghose im Gesamtwert von 580 Franken.
Was die Schäden betrifft, so meldete der Wohnungsmieter unter anderem einen Rotweinfleck auf dem Wohnzimmerteppich, abgerissene Füsse sowie Stoffschäden am Sofa, Brandmale und Kratzer auf dem Parkett sowie einen nicht mehr funktionierenden Standmixer. «Der Rotweinfleck», räumt Gil ein, «könnte von mir gestammt haben.»
Ausser, dass das eine oder andere Glas zu Bruch gegangen sein könne, weist Gil sämtliche weiteren Vorwürfe energisch und wortreich von sich. «Es wurde alles mir angehängt, weil der Vermieter einzig meine Handy-Nummer hatte». Er selber kenne von Kaspar auch nur den Namen und die Handy-Nummer.
Bei einer Gegenüberstellung hatte die Staatsanwältin versucht, zwischen Gil und dem Vermieter einen Vergleich zu erwirken, indem Gil diesem die Schadenersatz- und Genugtuungsforderung in Höhe von 1065.55 Franken bezahlt. Gil hatte dies abgelehnt.
Pascal Peterhans hielt fest, dass der Beschuldigte «am Anfang des tatrelevanten Zeitraums noch minderjährig war, wofür der Jugendrichter zuständig wäre. Aber ob erwachsen oder nicht – so wie die Wohnung zurückgelassen wurde, war es eine Schweinerei.»
Allerdings könne nicht bewiesen werden, wer welche Übeltat begangen hat. Der vom Beschuldigten zugegebene Rotweinfleck sei klar fahrlässig passiert und somit nicht strafbar. Richter Peterhans spricht Gil von Schuld und Strafe frei, brummt ihm aber die Hälfte der Kosten auf, da sein Verhalten in der ganzen Angelegenheit nicht sauber war. So muss Gil nun 1068.05 Franken hinblättern und damit 2.50 Franken mehr, als wenn er dem Vergleichsvorschlag der Staatsanwältin zugestimmt hätte.