Die Wettinger GLP-Einwohnerräte fordern in einem Postulat mehr Transparenz bei der Vergabe von Aufträgen.
Hat die Gemeinde Wettingen ein Problem mit Vetternwirtschaft? Schenkt man der vierköpfigen GLP-Fraktion des Einwohnerrats Gehör, so besteht Handlungsbedarf. «Wir haben eine Analyse gemacht und bemerkt, dass eine gewisse Gefahr von Vetternwirtschaft in Wettingen besteht», sagt Orun Palit.
17 aktuelle oder ehemalige Einwohnerräte und Gemeinderäte seien eng verbandelt mit Firmen, die Aufträge von der Gemeinde erhalten haben. «Das ist eine hohe Zahl», schreiben die GLP-Politiker in ihrem Postulat an den Gemeinderat. Von den 17 Personen sind 8 der CVP, je 4 der FDP und SVP und eine der SP zuzuordnen. Untersucht wurden die Jahre 2016 bis 2018. Die 17 Personen verteilen sich auf 14 Firmen. Insgesamt wurden in besagtem Zeitraum Aufträge an 152 Wettinger Firmen vergeben. «Die Analyse ist wahrscheinlich nicht einmal vollständig», sagt Palit, «vielleicht gibt es noch mehr Einwohner- und Gemeinderäte, die in der Vergangenheit von Aufträgen der Gemeinde profitiert haben.» Sicher sei er hingegen, dass von der GLP niemand betroffen sei.
Doch ist 17 wirklich eine hohe Zahl? Palit sagt, er habe sich mit dem Badener GLP-Einwohnerrat Gian von Planta ausgetauscht. «Wir kamen zum Schluss, dass das Ausmass in Baden geringer ist.» Das sei jedoch mehr ein Gefühl und nicht durch Zahlen belegt. «Aber Wettingen ist ein grosses Dorf, Gewerbe und Politik sind eng miteinander verbandelt», sagt Palit.
Worum geht es den Postulanten genau? Unter einem gewissen Geldbetrag müssen Aufträge nicht öffentlich ausgeschrieben werden. Je nach Branche variiert der Schwellenwert zwischen 100'000 und 500'000 Franken. In diesem Fall kommen, wiederum vom Betrag abhängig, zwei Verfahren zum Einsatz. Einerseits die freihändige Vergabe, bei der die Gemeinde einen Anbieter direkt einlädt, ein Angebot einzureichen. Andererseits gibt es das Einladungsverfahren, bei dem die Gemeinde in der Regel mindestens drei Anbietende direkt einlädt, ein Angebot einzureichen. Die Verfahrensarten sind kantonal geregelt und werden auch in den anderen Gemeinden so gehandhabt. Dennoch stört sich Palit daran: «Der Gemeinderat hat freie Hand, wen er einlädt und wem er den Auftrag vergibt.»
In ihrem Postulat formulieren Palit, Ruth Jo. Scheier, Manuela Ernst und Yvonne Hiller folgenden Antrag: «Wir bitten den Gemeinderat, ein internes Reglement einzuführen, das die freihändige Vergabe von Gemeindeaufträgen, die nicht einer öffentlichen Ausschreibung (freihändige Vergabe und Einladungsverfahren) unterliegen, transparent regelt.» Das Reglement solle auch spezifische Angaben für die Vergabe an Firmen von (Ex-) Einwohner- und (Ex-)Gemeinderäten und von deren engen Verwandten beinhalten.
«Vielleicht wurden die Aufträge in der Vergangenheit tatsächlich immer an den qualitativ besten Anbieter vergeben», sagt Palit, «dennoch leben wir in einem Zeitalter, in dem mehr Transparenz verlangt werden kann.» Die GLP-Politiker wünschen sich auch bei kleineren Beträgen eine Ausschreibung. Das sei wettbewerbsfördernd und rechtfertige somit den Mehraufwand. Bei welchem Betrag die Grenze gezogen wird, hält Orun Palit offen. Klar ist, dass es nicht für jeden Kleinstbetrag eine Ausschreibung braucht. «Wir wollen den Gemeinderat nicht in ein Korsett zwängen. Er soll ein Reglement ausarbeiten, dass die Grundlage für eine politische Diskussion bildet.»
Nach dem Eingang des Postulates befindet sich dieses nun in der verwaltungsinternen Prüfung. «Der Gemeinderat kann noch keine Stellungnahme abgeben», sagt Gemeindeschreiber Urs Blickenstorfer. Der Gemeinderat wird nach der Prüfung über eine Entgegennahme oder Ablehnung des Postulats entscheiden. Sein Antrag wird dann dem Einwohnerrat entsprechend unterbreitet. Orun Palit hofft, dass das Thema im Wettinger Gemeindeparlament im Verlauf des kommenden Jahres diskutiert werden kann.