Untersiggenthal
Viel Rauch um einen Kohlenmeiler: «Der Qualm ist hochgefährlich»

Ein Einwohner will die Gemeinde anzeigen, weil sie Holzkohle-Herstellung bewilligt – dabei entstehe giftiger Rauch.

Pirmin Kramer
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Ein Kohlenmeiler wie dieser wird im Herbst in Untersiggenthal aufgestellt – und löst einen Konflikt aus. Oliver Menge/Archiv

Ein Kohlenmeiler wie dieser wird im Herbst in Untersiggenthal aufgestellt – und löst einen Konflikt aus. Oliver Menge/Archiv

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Im September wird in Untersiggenthal nach fünf Jahren Pause wieder ein Meiler zur Herstellung von Holzkohle aufgestellt. Der Köhlerverein, der das alte Handwerk ausübt, erhielt für den Betrieb die Bewilligung vom Gemeinderat; zuvor hatte das Gesuch öffentlich aufgelegen. Während vier Wochen wird im Wald eine Art Dorffest durchgeführt, Vereine helfen mit und betreiben unter anderem eine Festwirtschaft.

Doch nicht alle freuen sich auf das Köhlerei-Fest. Denn bei der Herstellung der Holzkohle entsteht Rauch, der durch die Löcher im Meiler in den Himmel steigt – und je nach Windrichtung direkt ins Dorf geweht wird. Walter Burkhalter, pensionierter Zahnarzt, hat null Verständnis dafür, dass die Bewilligung für den Meiler erteilt wurde. «Die Inhaltsstoffe des Kohlenmeiler-Rauchs sind hochgefährlich», ist er überzeugt. «Das zeigt sich im gigantischen Ausstoss des Blutgiftes Kohlenmonoxid.»

Klagen schon beim letzten Mal

So stosse der Meiler über drei Wochen lang rund 1000-mal mehr Kohlenmonoxid pro Stunde aus, als dies eine Ölheizung für ein Einfamilienhaus unter schlechtesten Abgasbedingungen gerade noch dürfte, hat Burkhalter berechnet. Die Luftreinhalteverordnung werde bei weitem nicht eingehalten.

Als der Kohlenmeiler zum letzten Mal aufgestellt worden sei, hätten mehrere Bewohner des nahen Quartiers über Atembeschwerden, Kopfschmerzen und Schwindel geklagt. «Ich bin überzeugt, dass durch die Kohlenmonoxidbelastung vor allem Herzkranke an Leib und Leben gefährdet sind», sagt Burkhalter. Er hat es verpasst, bei der öffentlichen Mitwirkung mitzumachen, aber eine Beschwerde bei der Gemeinde eingereicht. Und er plane, bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen die Gemeinde wegen eventualvorsätzlicher Tötung einzureichen. Ganz sicher werde er die Fenster die ganze Zeit schliessen, vermutlich gar in die Ferien fahren, sagt Burkhalter.

Ganz anders beurteilt Dani Hitz, der Präsident des Köhlervereins, die Gefahrensituation. «Der Kohlenmeiler ist gesundheitlich unbedenklich», ist er sich sicher. «Es entsteht beim Verkohlungsprozess zwar Kohlenmonoxid, die Konzentration verringert sich aber sehr schnell. Die Distanz zum Wohnquartier ist mit rund 600 Metern viel zu gross, als dass es Schaden anrichten könnte.» Das ganze Dorf freue sich auf das Köhlereifest, nur eine Handvoll Leute sei besorgt, sagt Hitz. Die Profi-Köhlerin werde sehr bemüht sein, die Immissionen möglichst gering zu halten. Unter anderem werde sie eine Blache über den Meiler legen, sobald der Wind in Richtung Dorf wehe. 2017 sei das Handwerk schon an vielen anderen Orten ausgeübt worden, so auch im Aargau, in Scherz und in Mettauertal.

Gewerblich nicht zulässig

Inzwischen hat sich auch die Abteilung für Umwelt des Kantons mit dem Köhler-Event befasst. Der Befund der Experten: «Gewerbemässig wäre diese Art Köhlerei nicht zulässig, da sie nicht dem Stand der Technik entspricht.» Stand der Technik bedeute, dass eine Holzkohle-Produktionsanlage als geschlossenes System mit Abgasreinigungsanlagen konzipiert sein müsse. In unmittelbarer Nähe des Meilers sei mit erheblicher Umwelt- und Geruchsbelastung zu rechnen. Falls ein Köhlerei-Event durchgeführt werde, sei insbesondere auf genügend Abstand zu bewohnten Gebäuden zu achten, empfiehlt die Abteilung für Umwelt. Das Bundesamt für Umwelt habe keine Regelungen für Kohlemeiler definiert, und Bewilligungen von Verbrennungen im Freien lägen im Zuständigkeitsbereich der Gemeindebehörde.

Die Untersiggenthaler Gemeinderäte – mehrere von ihnen gehören dem Köhlerverein an – haben die Bewilligung nach öffentlicher Auflage nun erteilt. Sie teilten Walter Burkhalter mit: «Wir hatten mit Fachstellen Kontakt. Zusammenfassend wird festgehalten, dass die kompetenten Gesprächspartner keine akute Gefahr beziehungsweise kein Gesundheitsrisiko der Bevölkerung durch das Betreiben eines Kohlenmeilers während der Betriebszeiten sehen.» Ungeachtet dessen sollten aber die Emissionen so gering wie möglich gehalten werden. Für den Kohlenmeiler-Betrieb verlange der Gemeinderat darum aufgrund Burkhalters Intervention zusätzliche Auflagen: Konkret wird der Einsatz von vier Dosimetern vorgeschrieben, zudem soll der Zugang um den Meiler mittels Absperrband optisch abgegrenzt werden.

Das Köhlerfest sei für das Dorf enorm wichtig, sagt Frau Gemeindeammann Marlène Koller (SVP): «Es geht darum, ein Brauchtum am Leben zu erhalten. Einer allfälligen Klage schauen wir sehr gelassen entgegen. Wir haben diverse Abklärungen getroffen und Vorsichtsmassnahmen ergriffen.»