Baden
Viele Zocker lassen sich fürs Grand Casino selber sperren

Dank des neuen Sozialkonzepts des Grand Casino, das vor einem Jahr eingeführt wurde, werden problematische Spieler noch früher erfasst. In der Phase der Früherkennung müssen allerdings sehr viele Gäste kontaktiert werden.

Martin Rupf
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Ein Gast im Grand Casino Baden: Das Spielverhalten am Automaten wird überwacht. (Archiv)

Ein Gast im Grand Casino Baden: Das Spielverhalten am Automaten wird überwacht. (Archiv)

Sandra Ardizzone

Über die Festtage herrschte im Grand Casino Baden Hochbetrieb, wie Detlef Brose, Chef der Stadtcasino Baden AG, auf Nachfrage bestätigt. «Abgesehen davon, dass die Feiertage dieses Jahr besonders gut lagen, hängt die hohe Besucherzahl auch mit dem 13. Monatslohn zusammen.» Zudem würden viele Menschen über die Festtage nicht verreisen, wollten sich aber trotzdem amüsieren. Doch wo viele Spieler, da auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sich Gäste mit problematischem Spielverhalten darunter befinden.

Genau um solche problematischen Spielertypen erkennen und notfalls sperren zu können, hat das Grand Casino Baden im Jahr 2000 zusammen mit den Casinos in Bern und Luzern ein so genanntes Sozialkonzept eingeführt. Mit diesem lernen Casino-Mitarbeitende vor allem, welche Früherkennungsmerkmale es bei Suchtgefährdeten gibt und wie sie gefährdete Gäste auf das Suchtproblem ansprechen sollen.

Vor knapp zwei Jahren wurde in Baden ein verbessertes Spielkonzept eingeführt: Jeder Gast – ob spielsüchtig oder nicht – wird nach seinem zehnten Besuch von den Mitarbeitern über das Sozialkonzept aufgeklärt; Spielautomaten und Croupiers an den Spieltischen melden, ob ein Gast innert einer definierten Zeitspanne mit hohen Einsätzen oder sehr lange spielt, und über die Einlasskontrolle wird kontrolliert, ob Gäste innerhalb von 60 Tagen mehr als 25 Besuche aufweisen.

«Neu haben wir auch Alerts, elektronische Warnmeldungen, eingeführt», erklärt Brose. Das habe den Vorteil, dass die Früherkennung nicht mehr nur von der Wahrnehmung der Mitarbeiter abhänge, sondern objektive Kriterien wie Besuchsfrequenz, Einsatzhöhe, Verweildauer oder Spielvolumen pro Zeiteinheit gemessen und gemeldet würden. «Zudem können unsere Mitarbeiter die Alerts nicht umgehen. Brose: «Sie geben vielmehr vor, ab wann das Gespräch mit einem Gast gesucht werden muss.»

Fast jeder 1000. Spieler gesperrt

Die Zahlen belegen, dass das neue Sozialkonzept noch besser greift. Wurden 2013 noch rund 1000 Gespräche geführt, waren es 2014 und 2015 jeweils rund 5000. Ein Grossteil dieser Zunahme ist auf das Gespräch nach dem zehnten Besuch zurückzuführen. Rund ein Drittel der Gespräche werden im Rahmen der sogenannten Früherkennung geführt. Gespräche also, die dann geführt werden, wenn ein Gast ein oder mehrere auffällige Merkmale aufweist. «Wenn wir nach dem Gespräch von einem problematischen Spielverhalten ausgehen müssen, sprechen wir eine Spielsperre aus», so Brose. Bei rund 330 000 Besuchern im Jahr 2015 hätten 83 Spielsperren angeordnet werden müssen; 290 Spieler liessen sich freiwillig sperren.

Auf die Frage, ob das viel sei, antwortet Brose: «Das Grand Casino Baden hat einen um mehr als anderthalbfach so grossen Quotienten ‹Sperren pro Besuch› als die Schweizer Casinobranche.» Zwar sei dieser Wert nicht ein alleiniges Qualitätsmerkmal, belege aber eindrücklich, dass in Baden die Umsetzung des Sozialkonzeptes sehr ernst genommen werde.

Mit über 6000 schweizweit gesperrten Personen seit 2002 hat das Grand Casino Baden denn auch einen massgeblichen Anteil an den heute in der Schweiz rund 43 000 gesperrten Personen beigetragen.

Hat das Stadtcasino also ein besonders wirksames Sozialkonzept? Auf Anfrage richtet die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) aus: «Wir sind eine Aufsichtsbehörde und machen keine Aussage über die Qualität der Sozialkonzepte der einzelnen Casinos. Grundsätzlich kann aber festgehalten werden, dass die Sozialkonzepte in der Schweiz einen hohen Standard ausweisen und wirksam umgesetzt werden.»

Detlef Brose betont, dass die absoluten Zahlen der Sperren mit Vorsicht zu geniessen seien «Erstens hängt die Zahl von verschiedenen Faktoren wie etwa vom Anteil der Touristen ab». Weiter könnten eine geringere Anzahl Sperren eben gerade das Resultat frühzeitiger Erkennung und Prävention sein.

Dass das Sozialkonzept in Tat und Wahrheit nur ein Feigenblatt ist, sei doch ein Casinobetrieb auf hohe Spielerträge ausgelegt, lässt Brose nicht gelten. «Was hätten wir davon, wenn ein Gast in kurzer Zeit sein ganzes Vermögen verspielt?» Das wäre sehr kurzfristiges Denken. «Uns ist der Gast lieber, der über längere Zeit vernünftig spielt.» Und am Ende gehe es auch nicht nur um die nackten Umsatzzahlen: «Ein hochwertig umgesetztes Sozialkonzept ist elementar für den Fortbestand unserer Casinokonzession.»

Die Schwierigkeit in der Umsetzung des Sozialkonzepts sei nicht in erster Linie die Gratwanderung zwischen Gewinnerzielung und Qualität des Sozialkonzepts, sondern die Tatsache, dass in der Phase der Früherkennung sehr viele Gäste kontaktiert werden müssen. Brose: «Je nach Gesprächsverlauf müssen wir weitere Massnahmen ergreifen, ohne zu wissen, ob der Gast wirklich ein Problem hat.» Das führe nicht selten dazu, dass Betroffene die Zusammenarbeit mit dem Casino verweigern oder bereits die «Geschäftsbeziehung» beenden würden und auf illegale Spielangebote oder Internet-Casino ausweichen.